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Gesunder Außenhandel — Kernproblem unserer Volkswirtschaft

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Angesichts der komplexen, vielfältig verflochtenen Struktur einer modernen Volkswirtschaft beeinflussen wirtschaftspolitische Vorgänge auf einem Sektor stets auch das ökonomische Geschehen auf allen anderen. Sie rühren damit natürlich auch an eines der Kardinalprobleme unserer wirtschaftlichen und damit staatlichen Existenz, an das zufriedenstellende Gedeihen unseres Handelsverkehrs mit dem Ausland. Österreichs Armut an Rohstoffen bedingt starke Abhängigkeit von der Einfuhr lebenswichtiger Güter und dadurch intensive Bestrebungen zur Steigerung des Exports. Die internationale ökonomische Entwicklung kann diesen Bestrebungen entgegen- k’ommen, sie kann sie aber auch in ihren Erfolgen beeinträchtigen. So ergeben sich aus den diversen bilateralen Beziehungen weitere Bedingungen, die, gegründet auf die Situation der einzelnen Nationalwirtschaften, durch den Ablauf des gegenseitigen Güteraustausches wieder auf sie zurückwirken. Die wirtschaftliche Situation in Österreich ist somit — wie jene in allen „extravertierten Ländern — das Ergebnis der verschiedenartigsten Wechselwirkungen; sie ist weitgehend bedingt durch den Ablauf der internationalen Entwicklung, und alle innerstaatlichen Entscheidungen haben — im Dienste des allgemeinen Wohls — letzten Endes dieser Sachlage Rechnung zu tragen.

Eine Reihe von Ursachen läßt im gegenwärtigen Zeitpunkt die befriedigende Lösung der mit unserem Außenhandel zusammenhängenden Probleme ganz besonders dringlich erscheinen. Die wirtschaftliche Welt verzeichnet bereits seit geraumer Zeit ein Abflauen der durch die Koreakrise ausgelösten Konjunktur. Dies ist an sich zu begrüßen, weil Hochkonjunkturen in der Regel unnatürlichen Voraussetzungen entspringen und daher ungesund sind. Das Glück liegt auch hier in einer möglichst stabilen Normalität. In Österreich bekommen wir nun, ohnedies mit einiger Verspätung, die Ausläufer dieser internationalen Abschwächung zu Spüren, überlagert von spezifisch heimischen Erscheinungsformen. Nach Deckung des übersteigerten Bedarfs der Nachkriegszeit und vorübergehender Hortung aller irgendwie „strategisch“ wichtigen Güter vollzieht sich der normalisierende Übergang vom Verkäufer- zum Käufermarkt. Allein Qualität und Preis bestimmen wieder auf den internationalen Märkten, und nur das Prinzip der kaufmännischen Konvenienz entscheidet.

Es muß festgestellt werden, daß in diesen Vorgängen nicht etwa Erscheinungen einer allgemeinen Krise gesehen werden dürfen. Wenn man im besonderen für Österreich einige Zahlen sprechen läßt, wird dies leicht ersichtlich. So ist die Lage auf dem Arbeitmarkt durchaus nicht so ungünstig, wie man auf Grund verschiedener Nachrichten annehmen müßte. Absolut gesehen, hatte die Arbeitslosigkeit Zu Ende März dieses Jahres einen Stand von 9,5 Prozent der Beschäftigten erreicht, gegenüber 8 Prozent zur gleichen Zeit des Vorjahres; also gewiß kein alarmierender Anstieg, so unangenehm er freilich für die Betroffenen ist. Am meisten wurde die Textilindustrie in Mitleidenschaft gezogen, die der Wellenschlag der internationalen Entwicklung mit Jahresbeginn erreicht hat. Die Preissenkungsaktion der Wirtschaft hat beachtliche Erfolge gebracht, die am überzeugendsten in der Steigerung der Spareinlagen im ersten Quartal 1952 um zirka 528 Millionen Schilling (gegen 70 Millionen im ganzen Jahr 1951) zum Ausdruck kommen. Diese Tatsache, kann als ermutigendes Zeichen wiedererwachten Vertrauens zu Wirtschaft und Währung gewertet werden. Der Erhaltung und Steigerung dieses Vertrauens dient das Wirtschaftsprogramm der Regierung, das Stabilisierung und möglchste Verwirklichung der Vollbeschäftigung durchzusetzen sucht. Es weist den einzigen Weg zur Vermeidung der Inflation. Die Beschränkungen und Schwierigkeiten, die der Bevölkerung, besonders der Wirtschaff, durch die Sanierung und Stabilisierung auferlegt werden, müssen in dem Bewußtsein getragen werden, daß dadurch die mit einer Inflation verbundenen Katastrophen vermieden werden sollen.

Die Maßnahmen zur Beseitigung des Defizits im Staatshaushalt, die Regulierung der Ausgaben nach den Einnahmen müssen ergänzt werden durch die Bemühungen um den Ausgleich unserer Handels- und Zahlungsbilanz, die durch die fortschreitenden Kürzungen der Auslandshilfe bedroht ist. Wir müssen alle Kräfte anspannen, um Ordnung und Ausgeglichenheit im Innern, Koordinierung aller wirtschaftsfördernden Maßnahmen, Hebung von Produktion und Produktivität sowie Steigerung unseres Ausfuhrhandels zu bewirken.

Das Exportvolumen, gemessen- an dem Quantumindex, zeigte im Jahre 1951 eine von Vierteljahr zu Vierteljahr fallende Tendenz. Exportsteigerung wird erhöhte Leistungen aller produktiven Kräfte erfordern. Sie ist auch Voraussetzung für dauernde Ordnung auf dem Arbeitsmarkt.

Der Übergang zum Käufermarkt hat die internationale Wettbewerbslage zusätzlich verschärft. Österreichs Konkurrenzfähigkeit ist bei vielen der angebotenen Waren unbefriedigend, besonders als Folgeerscheinung des 5. Lohn- Preis-Abkommens. Und hier liegt zweifellos die hauptsächlichste Ursache für den Rückgang unseres Exports, der sich gerade auf die hochwertigen lohnintensiven Finalprodukte zu stützen hätte. Umfassende Rationalisierungen, nicht zuletzt vermittels vermehrter Investitionen in den exportorientierten Betrieben, müssen niedrigere Gestehungskosten herbeiführen.

Als unbefriedigend ist die Tatsache des steigenden Anteils der Rohstoffe und Halbfertigwaren an unserer Ausfuhr anzusehen: im Jahre 1947 betrug er 24 Pro-’ zent, im ersten Quartal 1952 bereits 45 Prozent. Hier Wandlung zu sdiaffen, wird eine bedeutungsvolle Aufgabe unserer Handelspolitik sein.

Zur Frage der Richtung unseres Warenverkehrs wäre zu sagen, daß uns ein lückenloses Vertragsnetz mit allen OEEC- Staaten verbindet und unsere Handelsbeziehungen mit dem Westen rege sind. Neue Märkte konnten im besonderen in Ubersee gewonnen werden. Unser Güteraustausch mit den Oststaaten ist leider unbefriedigend. Selbst die Abwicklung der bescheidenen bestehenden Vereinbarungen geht sehr schleppend vor sich. Auch hier sei festgehalten, daß Österreich naturbedingt großes Interesse an fruchtbaren Handelsbeziehungen mit dem Osten besitzt und jederzeit bereit ist, sie zu intensivieren, soferne ein vernünftiges Wertverhältnis der zu tauschenden Waren zu erzielen ist.

Man könnte noch geraume Zeit das Thema Außenhandel abwandeln, noch viele der Schwierigkeiten und Sorgen aufzählen. Zu den brennendsten Fragen zählt das formale Außenhandelsverfahren. Leider ist es noch nicht gelungen, jene Voraussetzungen zu schaffen, die eine möglichst rasche, unkomplizierte und klaglose Abwicklung des bürokratischen Vorganges bei der Durchführung der Außenhandelsgeschäfte gewährleisten würden.

Gesetzgebung, Verwaltung und Export- wirtschaft — Arbeitgeber wie Arbeitnehmer — müssen einig sein in ihrem Bemühen um den optimalen Ertrag der gemeinsamen Arbeit. Mit den realen Gegebenheiten ist zu rechnen, von außen her kommende Möglichkeiten müssen genützt, als abträglich erkannte Einflüsse müssen abgelehnt werden. Einsicht in das Gebot der Zeit und hingebungsvolle Arbeit müssen unserer Wirtschaft den Stempel aufdrücken, dann werden sich auch die Probleme des Außenhandels befriedigend lögen. Dann wird die Voraussetzung für wirtschaftlichen Frieden und materielle Befriedigung unseres Volkes gegeben sein.

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