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„Governissimo” bravissimo?

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Massimo D'Alema, Chef der Linksdemokraten sucht einen .Ausweg aus dem politischen Chaos. Doch dazu braucht er die Unterstützung von Silvio Berlusconi.

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Massimo D'Alema, Chef der Linksdemokraten sucht einen .Ausweg aus dem politischen Chaos. Doch dazu braucht er die Unterstützung von Silvio Berlusconi.

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Unser institutionelles System ist ein veralteter, gescheiterter Mechanismus. Parlament und Regierung sind nicht mehr in der Lage zu funktionieren: so geht die Demokratie zugrunde.” Massimo D'Alema, Parteichef des linksdemokratischen PDS, der stärksten Partei Italiens, ist sicherlich kein lärmender Demagoge. In der Tat hat er gute Gründe zur Resorgnis, denn mit dem angeblich vielversprechenden Sieg der Mitte-Links-Koalition hat sich wenig in Italien geändert: Die Parlamentsmehrheit hat sich wiederum als völlig instabil erwiesen und wird noch dazu vom marxistischen PRC („Partei der kommunistischen Wiedergründung”) in Schach gehalten. Selbst die Regierung von Romano Prodi zeichnet sich, auch auf Grund der heterogenen Mehrheit, vor allem durch peinliche Rückzieher und Improvisation aus. Die meisten meinungsbildenden Persönlichkeiten und Medien, die sich anfänglich offen und voller Erwartungen zugunsten Prodis aussprachen, geben sich nun, nach nur sieben Monaten, enttäuscht. Vor allem aber gilt dies, laut Umfragen, für seine Wähler.

Auch Oppositionschef und TV-Magnat Silvio Rerlusconi zeigt sich besorgt: „Ein Regime, eine Diktatur bahnt sich an, genau wie 1926 mit Mussolini.” Rerlusconi beschuldigt Mehrheit und Regierung, das Parlament mit lauter ErmächtigungsgeseU zen zu entmächtigen, Mittelstand und Unternehmer mit zu hohen Steuern zum Ruin zu bringen und der politischen Resetzung aller wichtigsten öffentlichen Ämter. Außerdem wirft er den italienischen Staatsanwaltschaften eine politische Verfolgung seiner Person vor. Und tatsächlich sehen sich Rerlusconi selbst sowie Mitarbeiter und Verwandte des Medienzaren mit einer ganzen Reihe äußerst unangenehmer Vorwürfe konfrontiert. Ris es in den entsprechenden Prozessen zu einem Urteil kommt, wird es aber voraussichtlich noch ein paar Jahre dauern ...

Durch kompromißlosen Obstruktionismus im Parlament und mit Massenkundgebungen setzt die Opposition unbeirrt alles daran, das Parlament lahmzulegen, die Regierung zu stürzen und das öffentliche Klima zu erheizen, was ihr zum 'Feil auch gelingt. Vorletzten Montag hat die Opposition sogar beschlossen, die Debatte über das Haushaltsgesetz mit dem Verlassen des Pariamentssaales völlig zu boykottieren. Dabei empfindet offensichtlich ein Großteil der Revölkerung, auch auf Grund einer geschickten und demagogischen Propaganda, diese politische Grenzsituation als das kleinere Übel im Vergleich zu dem verzweifelten Versuch der Regierung, den pünktlichen Reitritt in die Währungsunion zu schaffen.

Die Zukunft des Landes hängt zur Zeit noch von diesen zwei Leitfiguren der italienischen Politik, Rerlusconi und D'Alema, ab. Massimo D'Alema befindet sich unter Zugzwang: er muß dem Wahlsieg der Linken, seinem Wahlsieg, endlich einen Sinn geben und setzt nun alles auf den Versuch, die Verfassungsreformen durchzuführen, von denen seit Jahren die Rede ist. So soll neben einer föderalistischen Staatsreform der Einfluß der kleineren Parteien und die Übermacht des Parlaments über die Regierung eingeschränkt werden. Um solche Reformen durchzuführen, ' braucht D'Alema aber die Unterstützung der Opposition, die er um jeden Preis erreichen will. Dabei kämpft er jedoch gegen eine sonderbare und starke Allianz innerhalb seiner eigenen Koalition: zwischen Ministerpräsident Romano Prodi, den Kommunisten (PRC) und der linkskatholischen „Volkspartei”

Die zwei Splitterparteien der Mitte-Links-Mehrheit und auch Prodi selbst betrachten mit großem Argwohn D'Alemas Reformbestreben, vor allem seitdem D'Alema in einem Interview gestanden hat, daß ihm die

Reformen wichtiger als die Stabilität der Regierung sind, und er in Zukunft selber Regierungschef werden will.

Rerlusconi genießt hingegen seinen momentanen politischen Erfolg: Mehrheit und Regierung sind bloßgestellt, seine Führungsrolle innerhalb des Rechtsblocks bleibt abgesichert. Er kann nun seine Konditionen stellen: außer der Vorstellung über die Umwandlung Italiens in eine Präsidialrepublik sind ihm zwei weitere Punkte Herzensanliegen: eine Reform des Justizwesens (betreffend die Unabhängigkeit der Staatsanwälte) und das Mediengesetz.

Mit Prodi ist jeder Kompromiß über solche Themen nicht möglich, aus politischer, kultureller und persönlicher (auf Gegenseitigkeit beruhender) Animosität. Die Regierung wirft ihm außerdem eine verantwortungslose Oppositionsführung vor. Da bleibt also nur D'Alema als Gesprächspartner übrig.

Ein solches Näherkommen würde natürlich auf Kosten Prodis und der aktuellen politischen Gleichgewichte gehen, denn wenn sich eine neue Mehrheit für die Reformen bilden und bewähren sollte, dann könnte diese „Große Koalition” ohne weiteres die jetzige Linkskoalition ersetzen. Die Zeichen in diese Richtung werden langsam klar erkenntlich und wurden von den Medien bereits mit den abartigsten Rezeichnungen getauft: von „Dalemoni” (D'Alema und Rerlusconi), über „larghe intese” (die „breiten Einvernehmen”) und „governissimo” (die „Super-Regierung” ), bis hin zum zwielichtigen „in-ciucio” (im neapolitanischen Dialekt: ein heimliches Abkommen mit der Gegenseite).

Besonders auffallend in diesem Szenario ist, daß die Attacken und Verleumdungen gegen den zurückgetretenen Bautenminister Antonio Di Pietro, der noch immer an der Spitze jeder Beliebtheitsskala ist, sich seit einigen Wochen wiederum plötzlich intensiviert haben, wie schon einmal, „zufällig” kurz vor der letzten Regierungskrise. Di Pietros Rücktritt bedeutet jedenfalls ganz und gar nicht das Ende seiner politischen Karriere, im Gegenteil ...

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