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Große Veränderungen im Gange

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Soweit sich die Christlichkeit Europas in Zahlen ausdrücken läßt, ist sie fast überall sinkend. Aber Mitgliedschaft sagt nicht alles über innere Überzeugung.

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Soweit sich die Christlichkeit Europas in Zahlen ausdrücken läßt, ist sie fast überall sinkend. Aber Mitgliedschaft sagt nicht alles über innere Überzeugung.

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Der rein statistische Stellenwert von Konfessionen und Religionen ist in den letzten fünf Jahren, aber auch seit den letzten Fur-che-Überblicken (in den Nummern 47/1994 und 2/1995), keineswegs gleich geblieben. Dabei läßt sich die Veränderung nicht nur durch Austritte erklären. Die Gründe sind vielschichtig, teils religiös, teils politisch, teils auch ökonomisch bedingt.

In allen Ländern der ehemaligen Sowjetunion nimmt die Zahl der Christen noch zu, obgleich sich die Euphorie des Anfangs verflacht hat. Die Ausnahme ist Kasachstan. Die staatlich betriebene Aussiedlung der Slawen ließ die Zahl der Christen sinken. In Polen ist die Zahl der Katholiken gestiegen, im schon bisher mehrheitlich konfessionslosen Tschechien ist sie weiter gefallen.

Von einigen Ländern gibt es keine verläßlichen Zahlen, die Angaben variieren sehr stark. Das gilt zum ßei-spiel für Lettland und Estland: Fragt man nach der emotionellen Bindung, so sind beide Länder (wie vor dem Zweiten Weltkrieg) vorwiegend evangelische Staaten. Nimmt man die Taufe als Mindestvoraussetzung, sind beide mehrheitlich konfessionslos. Womit freilich noch nicht gesagt ist, daß sie areligiöser als andere sind. Nur die Mitgliedschaft ohne innere Uberzeugung ist bedeutend niedriger als anderswo. t

Umgekehrtes gilt für die skandinavischen Länder, insbesondere für Schweden, wo die Zugehörigkeit zur schwedischen (evangelischen) Kirche bis zum letzten Jahr automatisch angenommen wurde, sofern nur ein Elternteil dazu gehörte. Mit der Änderung des Systems wird sich wohl hier die Zahl der Konfessionszugehörigen der bedeutend niedrigeren der Getauften angleichen.

Kaum vergleichbar ist das System in der anglikanischen Kirche Großbritanniens, die nur jene als Mitglieder zählt, die sich für Gemeindewahlen et cetera einschreiben ließen. Nach dieser Berechnung hat die anglikanische Kirche nicht einmal zwei Millionen Angehörige. Sikhs und Hindus machen über zwei Prozent der Bevölkerung aus. Auf den ersten Blick konfessionell am einheitlichsten wirkt die Türkei. Tatsächlich gehören die Türken zu drei großen Richtungen im Islam: zirka 70 Prozent sind Sun-niten, 15 bis 20 Prozent Aleviten, was von der Regierung jedoch nicht als eigene Religionsgemeinschaft anerkannt ist, außerdem gibt es Schiiten.

Verändert wurde die konfessionelle Landkarte zweifellos auch durch den Krieg am ßalkan, die Auswirkungen auf Bosnien sind noch kaum abzusehen. (Die Zahlen der Tabelle stammen aus der Zeit vor dem Krieg.) Sicher hat sich das Verhältnis in Kroatien geändert. Etwa ein Drittel der 11,1 Prozent Orthodoxen lebte vor dem Krieg in der Krajina, der Rest vorwiegend in den größeren Städten. Hingegen ist die Zahl der Orthodoxen in Jugoslawien im Laufe des Krieges gestiegen. Die Angaben für Makedonien und Jugoslawien sind Schätzungen von Fachleuten nach der ethnischen Verteilung. Die Konversion von Moslems zum orthodoxen oder katholischen Glauben in Bulgarien erregte Aufsehen, wirkte sich aber statistisch kaum aus. Die Ergebnisse der Volkszählung in Rumänien sind besonders in bezug auf das Verhältnis von Orthodoxen zu Rumänisch-Katholischen fragwürdig.

Für einige Staaten waren keine Angaben erhältlich. Dies gilt etwa für das vorwiegend orthodoxe Moldawien, in dem es - Wohl historisch bedingt - eine bedeutende jüdische Minderheit gibt. Dasselbe gilt für die Russische Föderation, wo die Angaben stark divergieren.

Die Kirchenaustritte in Westmitteleuropa sind ein bekanntes Faktum, besonders stark haben sie sich in der Schweiz bemerkbar gemacht In Deutschland geht die hohe Zahl der Konfessionslosen vor allem auf das Konto der weitgehend entchristlich-ten Gegenden der ehemaligen DDR.

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