Guttenbergs Abgang, Merkels Risiko

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Kanzlerin Angela Merkel hat ihre politische und persönliche Substanz für Guttenberg aufs Spiel gesetzt - und bleibt nun beschädigt zurück.

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ist zurückgetreten. Überraschend, sagen die Kanzlerin und sein Parteichef Seehofer. Überraschend? Seit dem Wochenende war die feste Burg, die seine politischen Freunde um ihn gebaut hatten, erodiert - so sichtbar erodiert, dass es auch Guttenberg nicht entgangen sein wird.

Er, der seinen Betrug nur scheibchenweise zugab, der zunächst von "abstrusen“ Vorwürfen sprach, dann von einem "Fehler“, dann von "schweren Fehlern“, bis er schließlich zurücktrat, hat eine Woche lang das Wissen um seine Beliebtheit ausgenutzt, benutzt zur Absicherung seiner Karriere.

Dieses Kalkül wäre fast aufgegangen, wäre da nicht die Wissenschaftselite gewesen. Ihr Stolz, ihr Anstand, ihr Ehrgefühl, ihr Leistungsanspruch waren es, die am Ende Guttenberg zu Fall brachten. Die ihn, wenn man so will, mit seinen eigenen nicht erfüllten Ansprüchen geschlagen haben.

Schwerer Ansehensverlust

Angela Merkel muss diese Dimension klar gewesen sein. Erstens, weil sie selbst einen Doktortitel hat. Zweitens, weil ihr Mann ein international renommierter Wissenschaftler ist. Drittens, weil die Kanzlerin Deutschland zur Bildungsrepublik erklärt hat. Viertens, weil sich die Bundesregierung stets für den Schutz geistigen Eigentums einsetzt und die Kanzlerin immer an vorderster Stelle China für seine Plagiate kritisiert.

Das heißt: Merkel hat ihre ganze persönliche und politische Substanz aufs Spiel gesetzt, um den Minister zu halten. Hätte sie sich einmal gefragt, wie sie als Wissenschaftlerin in einer solchen Situation reagiert hätte - ihr wäre klar geworden, dass Guttenberg nicht zu halten war. Oder nur um den Preis ihres eigenen schweren Ansehensverlusts.

Dieser Ansehensverlust war schon eingetreten, als Guttenberg noch im Amt war. An den deutschen Hochschulen, den Forschungsinstituten, in den Denkfabriken fragte man sich, warum die Kanzlerin wider besseres Wissen so locker über Guttenbergs wissenschaftlichen Betrug hinweggeht.

Die Politikerin Merkel, die Bundeskanzlerin, bleibt jetzt, nach Guttenbergs Rücktritt im Alleingang, doppelt beschädigt zurück. An diesem 1. März ist klar geworden, dass die Krisenmanagerin Merkel versagt hat, dass sie nicht handelt, nicht Regie führt. Ihr erster Fehler lag darin, Guttenberg zu stützen. Ihr zweiter Fehler lag darin, sich von seinem Rücktritt überrumpeln zu lassen. Die Kanzlerin steht jetzt nackt da, ohne Autorität, an der Nase herumgeführt von einem jungen Politiker aus Bayern. […]

Wahl in Baden-Württemberg

Was ist los mit Angela Merkel? Warum macht sie solche Fehler? Aus Angst. Für Merkel geht es in diesem Wahljahr um mehr als einen Sieg oder eine Niederlage. Es geht um den Sieg oder die Niederlage. Es geht darum, ob sie das Erbe, das sie 1999 Helmut Kohl gewaltsam und putschartig entrissen hat, verspielt oder hält.

Wenn am 27. März um 18 Uhr die Hochrechnungen in Baden-Württemberg die CDU nicht in der Regierung sehen, hat Merkel verloren. In jeder Hinsicht. Als Kanzlerin und als Parteivorsitzende. Wer das konservative Stammland nicht verteidigen kann, ist es in den Augen der CDU nicht wert, Vorsitzende zu sein. Der Machtverlust in Baden-Württemberg wäre für die CDU eine Katastrophe biblischen Ausmaßes. Sie ist im Wortsinn unbeschreiblich. […]

Weil so viel vom Erfolg in Baden-Württemberg abhängt, war Merkels Einsatz so hoch. Zu hoch, wie man jetzt weiß. Mit Guttenberg hat sie sich verzockt. Auf ihn war kein Verlass. Er spielte falsch. Merkel trägt das ganze Risiko.

* Berliner Zeitung, 2. März 2011

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