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„Halbzeit” im Burgenland

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Die Nationalratswahlen lassen sich Im Burgenland nicht vom bundes- politischen Aspekt her allein betrachten — so gerne man dies auch täte und so wichtig es wäre — weil sie zeitlich in die Nähe der letzten und der kommenden Landtagswahlen geraten sind. Vor zwei Jahren wurde erstmals in der Geschichte de? Burgenlandes ein Sozialist Landeshauptmann, und in zwei Jahren wird bereits die nächste Landtagswahl fällig sein, die wahrscheinlich für die nächste Zukunft darüber entscheiden wird, ob das Burgenland eine Domäne der Sozialisten bleibt oder nicht.

„Probcgr.Iopp” für 1968?

Daher wird die Nationalrats wähl am 6. März zu einem Probegalopp für die nächste landespolitische Entscheidung werden. Außerdem gewinnt man den Eindruck, daß die SPÖ ihren landespolitischen Status in die Waagschale werfen will, um den bundespolitischen Erfolg sicherzustellen. Denn schließlich hat man im Burgenland schon vor zwei Jahren erreicht, was die SPÖ auf Bundesebene am 6. März erreichen will. Dabei soll ja gerade an Hand des Beispiels aus dem Burgenland nachgewiesen werden, daß die „Volksfrontpropaganda” der ÖVP durch die burgenländische Wirklichkeit widerlegt wird. Den Wählern soll klargemacht werden, daß die sozialistische Mehrheit auf Bundesebene ebenso ungefährlich ist wie die sozialistische Mehrheit im Burgenland. Nicht selten wird in der sozialistischen Propaganda Pittermann mit Bögl verglichen, den die ÖVP bei den letzten Landtagswahlen als bösen Marxisten hinstellte, der aber, wie die sozialistische Propaganda nachzuweisen sucht, ein Landesvater für alle geworden ist. Warum sollte dies beim Sozialisten Pittermann, der der Partei das neue Reformprogramm schenkte, anders sein?

Die ÖVP wieder will am 6. März einen Wahlausgang herbeiführen, der auf Grund der erzielten Stimmen ihre These bestätigt, daß es sich bei der letzten Landtagswahl nur um eine Zufallsmehrheit gehandelt habe. Wenn es sich am 6. März heraussteilen möchte, daß die SPÖ Stimmen verloren hätte, so würde dies der ÖVP neue Hoffnung geben, bei der nächsten Landtagswahl die Mehrheit wieder zurückzugewinnen.

Pittermann und Bögl: Hand in Hand

Aus all diesen Gründen versteht sich, daß Nationalratskandidaten weniger Aufmerksamkeit als sonst geschenkt wird. Dafür gibt es eine wahre Invasion von hohen und höchsten Bundespolitikern. Allen voran machte Vizekanzler Pittermann eine Burgenlandreise, die ihn von der Leitha bis zur Raab führte. Dabei zeigte er sich immer wieder in Begleitung von Bögl, der ihm auf diese Weise vor den Wählern ein Unbedenklichkeitszeugnis ausstellen sollte. Pittermann verwies in seinen Reden immer wieder auf Bögl, den die ÖVP verschrien hatte, unter dessen Regime sich aber das Burgenland ebenso wie vorher der demokratischen Freiheit erfreut. Die Burgenländer dürfen also mit ihrem toleranten und gemäßigten Landesvater zufrieden sein.

Wenn auch die sozialistische Propaganda Pittermann mit Bögl in der wahlpolitischen Auseinandersetzung auf eine Stufe stellt und damit den Vorwurf der Linksanfälligkeit von seiten der ÖVP nicht nur pariert, sondern sogar als gegenstandslos abtut, so läßt doch der ganze Vergleich auf Grund der Fakten für die Burgenländer manches zu wünschen übrig. Bögl hat bei den letzten Landtagswahlen in der Öffentlichkeit und in einer feierlichen Erklärung vor dem Landesparteivorstand die Wahlhilfe der Kommunisten zurückgewiesen und dabei freimütig festgestellt, daß die SPÖ jede Unterstützung seitens der Feinde der Demokratie mit Entschiedenheit ablehne. Pittermann ist diese Erklärung der österreichischen Öffentlichkeit schuldig geblieben, erklärt man in politischen Kreisen des Landes. Gerade hier liegt der Unterschied zwischen Bögl und Pittermann. Freilich wird auch gesagt, daß der sozialistische Landeshauptmann bei diesen Nationalratswahlen 1966 noch nicht die Wahlempfehlung der Kommunisten für die SPÖ zurückgewiesen hat. Inzwischen dürfte sich der Pragmatismus nicht bloß in der Löwelstraße, sondern auch in der Eisenstädter Permayerstraße durchgesetzt haben. Was heute Pittermann opportun ist, das akzeptiert auch Landeshauptmann Bögl, damit die Partei mit Pittermann und durch Pittermann ihre Ziele endlich erreichen kann. So rasch ändert man Haltungen. Worauf man vor zwei Jahren stolz war und was man früher als notwendige Demonstration gegen den Kommunismus ansa-h, nämlich eine klare Unterscheidung zwischen den Totengräbern der Demokratie und den demokratischen Sozialisten, das ist heute im Hinblick auf die macht- politischen Überlegungen nicht mehr unbedingt für den demokratischen Sozialismus erforderlich.

„Alleingang” eines Landesrates

Weit davon entfernt, die rote Katze auszugraben, muß man die nicht unbegründete Frage stellen: Österreichischer Sozialismus, wohin mag dich der Weg führen, den du seit kurzer Zeit eingeschlagen hast? Zugunsten einer fragwürdigen machtpolitischen Zukunft darf der österreichische Sozialismus nicht seine Gegenwart und seine Vergangenheit verraten, die ihn glaubwürdig machten. Es ist auffallend, daß seit kurzer Zeit das Landesorgan der SPÖ, die „Burgenländische Freiheit”, keinen Angriff gegen die Kommunisten startet und auch niemals zu den Vorwürfen der ÖVP hinsichtlich der Wahlempfehlung der Kommunisten Stellung nahm.

Ein einziger Mann bildete nach dem Landesorgan der kommunistischen Partei „Freies Burgenland” eine Ausnahme, nämlich Landesrat Kery. Dieser, so schreibt die KP-Zei- tung, hält es offenbar für notwendig, die von der ÖVP und allen anderen Reaktionären geforderte Distanzierung vollziehen zu müssen. Er hilft damit der ÖVP, sagt das KP-Organ. Sie hebt den moralischen Zeigefinger und erklärt dabei: „So geht es nicht, Herr Landesrat.” Wegen seiner antikommunistischen Haltung ist Landesrat Kery in diesem Wahlkampf ebenso bekanntgeworden wie Doktor Günther Nenning, von dem man in jeder Wahlversammlung spricht. Selbst Sozialisten auf der unteren Ebene der Partei loben und anerkennen den Freimut von Dr. Nenning.

Kreise innerhalb und außerhalb der SPÖ des Burgenlandes fürchten, daß sich die Bundes-SPÖ in die Rolle des ideologischen Zauberlehrlings hineinmanövriert, so daß sie eines Tages gezwungen sein wird, zu bekennen: „Die ich rief, die Geister, werde ich nun nicht los!” Ein Sozialismus ohne konsequente Demokraten muß sich heute oder morgen pervertieren, ganz gleich, ob er an die Macht kommt oder nicht. Was der Partei in dieser Situation des Stürmens und Drängens zur Macht fehlt, ist der Rat und das Wort der Sozialdemokraten alter Schule. Und hier setzt die Sorge vieler Sozialdemokraten ein, die sich von jeher mit dem Wort Sozialismus nicht befreunden konnten, sei es aus demokratischen, religiösen, humanitärbürgerlichen oder wirtschaftlichen Motiven. Daher wäre die SPÖ gut beraten gewesen, besonders im Burgenland, wenn sie gegen die Wahlhilfe der Kommunisten ohne Rücksicht auf den Wahlausgang und das Stimmenpotential der Kommunisten aufgetreten wäre und souverän ihre Anbiederung und Wahlhilfe zurückgewiesen hätte.

Vorsicht bei Prognosen

Es soll hier keine Prognose gegeben werden, aber sicher dürfte sein, daß die SPÖ die Stimmen, die sie durch die Kommunisten auf der einen Seite gewinnt, auf der anderen Seite wieder verliert. Nicht nur unter den Stammwählern der SPÖ, auch unter den Randwählem herrscht Unruhe über die Taktik der Parteiführung in der Frage der Wahlunterstützung durch die Kommunisten. Die Überschaubarkeit der Dörfer und die intensive Wahlkampfführung der ÖVP, die man nicht einfach mit der Wiedererweckung der roten Katze abtun kann, tragen dazu bei, daß die Wahltaktik von Pittermann nicht nur an dem Biertisch, sondern auch im Dorftratsch der Frauen diskutiert wird. Ob sich diese Wahlstimmung auch beim Urnengahg direkt auswirken wird, darüber ist man eher skeptisch, zumal gerade im Burgenland die SPÖ in den letzten Jahren ihre Parteidisziplin verstärkt hat. Interessant wird sein, ob sich das große Heer der burgenländischen Bauarbeiter der Parteidisziplin fügt oder ihr Herz für Olah neu entdeckt.

Nicht uneigennütziger Geburtshelfer

In den letzten Tagen ist in Eisenstadt eine Wahlbombe geplatzt, die sich für die SPÖ kaum gut auswirken wird. Prominente Funktionäre der Landespartei haben die Gründung der Liberalen Partei unterstützt. Zu ihnen gehören der Sohn des Landeshauptmannes Bögl, der Vizepräsident des burgenländischen Landtages und frühere Landesrat Knotzer, Landtagsabgeordneter Parise und andere bekannte sozialistische Funktionäre. Eine politische Partei hört dann auf, seriös und politisch zuverlässig zu sein, wenn ihre eigenen Funktionäre, und noch dazu aus den Reihen der Prominenz, ihre Unterschrift für die Gründung einer anderen Partei hergeben. Es heißt, daß die burgenländische SPÖ größtes Interesse hätte, die ÖVP im Burgenland bei dieser Wahl zu schwächen, um auch nach dem 6. März behaupten zu können, daß die sozialistische Mehrheit im Burgenland unbestritten ist.

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