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HAROLD HOLT / MARS UND JAMES BOND

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Der Österreicher, umbrandet von den Wogen des eigenen Wahlkampfes, hat davon kaum Notiz genommen. Überhaupt: das Interesse für Fragen, die außerhalb des engsten Bereiches unserer Nachbarn liegen, ist hierzulande minimal — vorsichtig ausgedrückt.

Und so wurde der Abgang eines Politikers, der 16 Jahre lang an der Spitze seines Landes gestanden ist, kaum vermerkt: Vor kurzem nämlich hat sich Sir Robert Menzies von der politischen Bühne zurückgezogen, auf der er — mit Ausnahme General Francos — länger agiert hat als irgendein gegenwärtiger Amtskollege. Was Sir Robert für den Kontinent getan hat, wäre wohl eines eigenen Artikels wert: denn nicht nur in der Politik wurde das Land gänzlich „umgekrempelt", sondern es wurden auch das Dezimalsystem und der Dollar eingeführt, äußerliche Beweise dafür, daß Australien heute eher amerikanisch denn britisch orientiert ist. Der Schock des zweiten Weltkrieges, als Großbritannien seine eigenen Sorgen hatte und plötzlich japanische Kriegsschiffe vor der Küste kreuzten, liegt den Australiern eben immer noch spürbar in den Knochen …

Nachfolger dieses Sir zu werden ist keine Aufgabe, um die man einen Politiker beneiden könnte. Die Liberale Partei (wie die Konservativen in Australien heißen) hat dem bisherigen Finanzminister Harold Holt diese Nachfolge übertragen. Die dümmlichen Ausflüsse der dümmlichen Jämes-Bond-Weile haben jetzt auch schon höchste Politik erreicht: Alles, was in der Welt zunächst über Holt bekannt wurde, war der ausgewalzte Vergleich mit dem bekannten Traumidol pickeliger Jünglinge. (Wie dieses gerne, pflegt Holt der waidmännischen Lust am liebsten unter Wasser, verkleidet als Froschmann, ausgerüstet mit der Harpune). Eifrige Tratschkolumnisten (oder geschickte Reklameleute vom Film) sind deshalb nicht wenig stolz darauf, festgestellt zu haben, daß Holt im Familienkreis den Spitznamen 007 trägt. Und während Sir Robert sich nicht ungern in „Landes- vater“-Pose photographieren ließ, zieht sein Nachfolger Lichtbilder vor, die ihn auf einem schnellen Motorboot mit seinen drei hübschen Stieftöchtern zeigen.

Wäre dies alles, was er tut, wäre es zuwenig, um die Zügel eines ganzen Kontinents in die Hand zu nehmen. Doch der 57 jährige Rechtsanwalt, Sohn eines Theatermannes, ist ein erfahrener Politiker, der bereits 1939 zum erstenmal einen Ministerposten bekleidet hat. Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsfragen gehören zu seinem Spezialgebiet, über sein außenpolitisches Konzept ist hingegen wenig bekannt, was den „Daily Telegraph“ zum besorgten Kommentar veranlagte: „Er ist England weniger ergeben, seine Beziehungen zu England werden mehr auf Berechnung als auf Gefühl beruhen."

Auch die Revision der Einwanderungspolitik ist längst fällig: In den 37 Jahren seiner parlamentarischen Tätigkeit hatte Robert Menzies eisern am Grundsatz vom „Weißen Australien“ festgehalten. Der Grundsatz gilt freilich auch heute noch, nur wurde er durch die australische Handelsentwicklung so ausgehöhlt, daß er zweifellos in den nächsten Jahren verschwinden müssen wird. Längst nicht mehr geht heute — wie vor 1939 — fast die Hälfte des gesamten Exports nach England, sondern auf Grund eines Exportvertrages von 1957 ist nun Japan Hauptabnehmer für Australiens Produkte. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Waren geht ferner nach Indien und Pakistan, auch das Chinageschäft wächst langsam, aber stetig. Und das „Weiße Australien" wird sich diesen handelspolitischen Realitäten wohl oder übel beugen müssen.

Die Koalition der Liberalen mit der kleinen Country Party soll aufrecht bleiben, doch wird abzuwarten sein, ob die Wahlen im Dezember 1966 Holts Politik rechtfertigen werden. Natürlich fehlt ihm noch die Autorität seines Vorgängers, doch kommen bereits heute schwere Entscheidungen auf ihn zu. Sollten die Friedensbemühungen in Vietnam erfolglos bleiben, dann wird Australien wohl seine Truppen in Vietnam verstärken müssen; keine leichte Aufgabe für einen „neuen Mann“, dies seinen Bürgern verständlich zu machen. Der Besuch des britischen Verteidigungsministers Healy, der dieser Tage in Canberra eintrifft, hat ebenfalls bedeutungsvolle militärische Gründe, geht es doch in den Gesprächen um einen großen Stützpunkt im Norden des Kontinents, der das heute bereits strategisch wertlose Singapur ab- lösen und von Großbritannien, Australien und den USA gemeinsam unterhalten werden soll.

Der Premierwechsel in Australien steht also durchaus im Zeichen des Mars …

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