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„Hindernis” Menschenrechte

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Eine Kampagne der internationalen Menschenrechtsorganisation nimmt die sich verschlechternde humanitäre Lage in der Türkei ins Visier.

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Eine Kampagne der internationalen Menschenrechtsorganisation nimmt die sich verschlechternde humanitäre Lage in der Türkei ins Visier.

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Anfang Oktober saß Sanar Yur-datapan noch als Gast von „am-nesty international” im Wiener Cafe Griensteidl: der türkische Komponist und Liedermacher nahm an der Präsentation der weltweiten ai-Kampagne gegen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei teil. Nur zweieinhalb Wochen später erreichte die Redaktionen - wie zur Bestätigung der Notwendigkeit dieser Kampagne - ein Fax: „ai fordert sofortige Freilassung von Sanar Yurdatapan”. Der Künstler und Menschenrechtsaktivist, Sprecher der „Initiative für Meinungsfreiheit”, war am Dienstag vergangener Woche in Istanbul verhaftet worden. Vorgeworfen wurde ihm, eine in einem verbotenen kurdischen Sender ausgestrahlte Dokumentation über ermordete kurdische Journalisten produziert zu haben. Der offizielle Vorwurf lautet „Unterstützung von Mitgliedern einer bewaffneten Organisation” - gemeint ist, wie so oft in solchen Fällen, die Kurdische Arbeiterpartei PKK.

Die Beschuldigungen Yurdatapans liegen ganz auf der generellen Linie des Vorgehens der türkischen Führung: unter dem Vorwand des Kampfes gegen den Terrorismus kommt es immer wieder zu gravierenden Verstößen gegen humanitäre Prinzipien. „Wir werden den Terrorismus besiegen, aber Demokratie und Menschenrechte behindern uns dabei”, zitiert der Türkei-Bericht von „amnesty” den Stellvertretenden Stabschef der türkischen Streitkräfte, „amnesty international” dreht das

Terrorismusargument unT: die Führung in Ankara sei es, die für „Terror im Namen der Staatssicherheit” verantwortlich sei.

Der Generalsekretär von ai-Öster-reich, Robert Francan, wies zum Auftakt der Kampagne daraufhin, daß es jedoch keineswegs nur im Südosten des Landes - also den Kurdengebieten - zu einer Verschärfung der Menschenrechtslage gekommen sei, vielmehr gelte das für alle 'Feile des Landes.

Immer wieder erweist sich dabei nach Meinung von Beobachtern und Journalisten, daß die eigentlichen

Drahtzieher des Terrors nicht die Politiker in Zivil, sondern die Militärs sind. Doch die „Täter in Uniform” würden vom Staat gedeckt und kämen straffrei davon, so Francan.

Als Land an der Grenze zwischen Orient und Okzident kommt der Türkei eine Sonderstellung zu, die ihr in der Vergangenheit immer wieder politisches Wohlwollen sicherte. Aus US-Sicht ist es besonders die Rolle als östlichstes NATO-Land, die die Türkei strategisch bedeutsam macht. Einzig dem gemeinsamen Eingebun-den-Sein von Athen und Ankara in die Verteidigungsallianz ist es wohl zu verdanken, daß der türkisch-griechische Urkonflikt weitgehendst im

Zaum gehalten werden konnte. Darüberhinaus sah der Westen in der Türkei stets auch im politischen und kulturellen Sinn eine Brücke zur islamischen Welt. Dieses Argument fiel auch bei der Diskussion der Europäischen Union über die Zollunion mit der Türkei stark ins Gewicht, hat aber durch eine nunmehr islamistisch geprägte Regierung an Bedeutung verloren. Dennoch bestehen durch eben-diese Zollunion sehr wohl Möglichkeiten auf europäischer Ebene, Ankara in Fragen der Menschenrechte sehr genau auf die Finger zu schauen.

Bis dato ortet Generalsekretär Francan freilich vor allem „halbherzige Kritik der EU, die ohne Konsequenzen bleibt”. Aber das ist im Umgang des Westens mit anderen „kritischen” Ländern nicht anders.

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