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IM SPIEGEL DER PRESSE

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Die neue Regierung wurde von einer Partei gebildet, in deren Führung viele gläubige Katholiken maßgeblich tätig sind. Auch in der Regierung sind sehr viele Persönlichkeiten, die durch ihre Teilnahme an katholischen Organisationen geformt wurden und die ihrerseits diese mitformen geholfen haben. Das ist für viele von uns ein Grund der Freude und Befriedigung

Die gegenwärtigen und wohl die nächsten vier Jahre andauernden Verhältnisse bergen aber auch für die katholische Sache mancherlei Gefahren. So müßte es unzweifelhaft auch einen schweren Rückschlag für unsere Sache bringen, wenn das Regierungsteam die in es gesetzten Erwartungen nicht erfüllte. Aber davon abgesehen, wäre es sehr bedenklich, wenn Katholiken jetzt in eine Art „Triumphalis- mus verfielen, sich als Katholiken, als Sieger fühlten und sich als solche aufführfen. Denn im letzten Wahlkampf haben nicht die „Christlichen" über die „anderen” gesiegt. Wir haben das immer erklärt, man sollte daher auch nicht hinterher das Ergebnis in dieser Weise umdeuten. Gewiß geschieht das nicht ausdrücklich, aber in unserem geheimen Denken könnte es leicht zu dieser Umdeutung kommen, und deshalb sei gewarnt.

Ebenso übel wäre es, wenn es wieder zu der einst verhängnisvollen Gleichsetzung von „christlich" und „bürgerlich" käme. Wenn sich auch die Klassenunterschiede und Standes- grenzen so weif verschoben und verwischt hoben, daß die alten Bezeichnungen vielfach ihre Bedeutung verloren haben, so könnten gerade solche anachronistische Vereinfachungen nicht geringen Schaden anrichfen.

Denn es bleibt bei dem, was kirchliche Persönlichkeiten schon so oft erklärt haben: Christentum und Kirche sind nicht das Monopol einer Partei. Daß die Kirche sich aus der Parteipolitik zurückgezogen hat, daß der Klerus nicht mehr aktiv am politischen Geschehen feilnimmt, daß der Sozialist neben dem ÖVP-Mann an der Kommunionbank knien kann, daß die Kirche sich nicht einer Partei verschreiben, sondern das Gewissen der Öffentlichkeit sein will, daran hat sich auch in der neuen Situation nichts geändert.

(„Verlangt Ist: Das Gesellenstück der Demokratie")

Es war nur eine Geste, als Verkehrsminister Dipl.-Ing. Dr. Weiß beim großen Zapfenstreich am Samstagabend auf dem Wiener Heldenplatz den ehemaligen Außenminister Doktor Kreisky mit Zustimmung des Bundeskanzlers von der zweiten Reihe in die Reihe der Ehrengäste vorholte. Sicher nur eine kleine Geste und doch auch eine Demonstration: Erne Demonstration des Respekts vor einem politischen Gegner.

Die ersten entscheidenden Jahre der fruchtbaren Koalitionspolitik wurden in Österreich von Männern geprägt, die bei aller Erbitterung, mit der sie sich oft bekämpften, in den meisten Fällen dem politischen Gegner als Menschen die Achtung nidit versagten. Eine wesentliche Ursache des Niedergangs der Politik in der zweiten Phase der Koalition war sicher auch rn der Tatsache zu suchen, daß dieser persönliche Kontakt, diese Achtung vor der Person des politischen Gegners, immer weiter in den Hintergrund rückte.

Wenn sich hier im Zeichen der neuen Konstellation eine Änderung anbahnfe, wäre das nur zu begrüßen. Wir hoffen jedenfalls, daß wir auch in Zukunft noch öfter von solchen kleinen Gesten berichten können, Gesten, die erkennen lassen, daß man im Gegner auch den politischen Partner sieht; Gesten, die dem, der sie macht, so wenig „kosten“, deren Wirkung auf das politische Klima unseres Landes aber nicht unterschätzt werden darf.

(Wiku: „Eine Geste”)

Nach den deutschen Illustrierten, nach der „Neuen Bildposf“ will nun auch das monatlich erscheinende deutsche Organ „Mann in der Zeit“ eine öste r re i cha usgabe hera usbri ng en.

Das ist ihr gutes Recht. Fraglich bleibt allerdings, ob österreichische Stellen und österreichische Verlage — man sprach zuletzt vom Wiener Domverlag — gut beraten sind, hierbei ihre helfende Hand und ihre Organisation zur Verfügung zu stellen.

Das Wort vom „Europa der Vaterländer" de Gaulles hat, vielfach anders als in der Betrachtungsweise des französischen Staatschefs, sehr wohl seine Berechtigung. Ein uniformes Europa wäre ein Greuel. Und

diese Uniformiertheit kann unterschiedliche Ursachen haben, nicht zuletzt in der öden Gleichförmigkeit vieler Illustrierter, aber auch in einer der Demokratie wenig zuträglichen Pressekonzentration. Diese Gefahr ist rn Deutschland ausgesprochen akut; in Österreich zeichnen sich ähnliche Gefahrenmomente ab.

Es gibt weitere Gründe, die Bedenken auslösen: Wenn wir auch nicht in die Hysterie eines „kalten Anschlusses" verfallen, sondern glauben, daß das österreichische Selbstbewußtsein und Staatsbewußtsein in den letzten Jahren sichtbar gestiegen sind, so gibt es auch mancherlei düstere Wolken und Gefahrenmomente: daß weifeTeile Oberösterreichs überwiegend das Deutsche Fernsehen sehen oder überhaupt nur das deutsche empfangen können. Diese schon vorhandenen Tendezen nunmehr auch auf dem Gebiet der Presse, auch der katho- lichen Presse, zu verstärken, kann nicht im Interesse Österreichs — und auch kaum im wohlverstandenen deutschen Interesse und vermutlich auch nicht im katholischen Interesse — liegen. Auch im rnnerkafholischen Bereich ist man gegen die Gefahren von Uniformierung und Konformismus keineswegs gefeit.

Niemand will um Österreich chinesische Mauern errichten; niemand will einen lebendigen Kontakt und Zeitungaustausch verhindern. Österreich braucht aber auch nicht als Enfwick- lungsgebiet auf dem Sektor Presse angesehen werden. Bei mehr Takt und Fingerspitzengefühl hätte man diese österreichische Bedenken auch in Deutschland vorausahnen können.

Jedes Land In Europa hat seine Geschichte des Antisemitismus und daher auch seine Tradition darin. Eine traurige Tradition, gewiß, aber eine nicht hinwegzuleugnende. In Österreich geht dieser allgemeine, nur als latente Gefühlsposition vorhandene Antisemitismus auf katholische Wurzeln zurück, und er ist heute unter den Anhängern aller Parteien vorhanden. Es ist keineswegs so, daß eine unserer Parteien sagen könnte, es gebe ihn überall sonst, nur nicht bei ihr. Jede Partei sollte da zunächst vor ihrer eigenen Türe kehren und dann erst beim anderen den Besen schwingen. Auch für die Sozialisten gilt das. In ihren Reihen, insbesondere in gewissen Ländern, kann der Antisemitismus zur unüberwindlichen Karrierenbarriere werden.

Die VP wird künftig mehr auf jene Kräfte achten müssen, die immer wieder antisemitische Dispositionen in der Bevölkerung für parteipolitische Zwecke auszunützen versuchen. Es sind das zumeist gar keine profilierten Antisemiten, sondern nur Leute, die einfach von der Voraussetzung ausgehen, im Wahlkampf sei eben alles erlaubt, was parteipolitischen Nutzen verspricht. Nun, diesen Leuten wird man bei ähnlichen Versuchen künftig sehr schnell und überzeugend klarmachen müssen, daß kein noch so schöner Zweck dieses Mittel heiligen kann.

Die Demokratie ist in Österreich noch sehr jung. Ihre erste „Feuerprobe" haben wir Älteren in beklemmend trauriger Erinnerung. So befürchte ich zunehmende Komplikationen, sich steigernde Zuspitzungen im innenpolitischen Getriebe und ein Heißlaufen, das nur schädliche Wirkungen nach sich ziehen kann. In solchen Situationen ist das Abgleiten politischer Hitzköpfe von der Demokratie zu demagogischen Exaltationen stets naheliegend. Der große Staatsmann Dr. Karl Renner hat auf solche potentiellen Exzesse aus der Opposition heraus oft hingewiesen. Mit der ganzen Besorgtheit meines Patriofenherzens sehe ich einer solchen etwaigen Zukunft entgegen.

Die Problematik, vor der Österreichs neue Regierung und das neugewählte, nunmehr in seine verfassungsmäßigen Urrechte wieder zurückkehrende Parlament steht, ist überaus gewichtig und schwierig. Ich kann nur andeufen: eine Reform des Wahlrechts, die nicht nur größere Gerechtigkeit bringen, sondern auch der Bedeutung der Persönlichkeit des Mandatars erhöht Rechnung fragen soll. (Hier liegt bei uns — seien wir ehrlich! — vieles im argent Nicht der „Apparat", sondern die Persönlichkeit soll sich durchsetzen I)

SH modus in rebus I Maß in allen Dingen ist das Gebot der Zeit! . . , Ich bin glücklich, zu sehen, daß der ÖGB eine beruhigend klare Linie geht, mit ihm aber auch — und beides konstatiere ich mit vielen Freunden mit ehrlicher Freude — der Sozialpartner auf der anderen Seite.(Ernst Köret: „Zukunft von Volk und Heimat")

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