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IM SPIEGEL DER PRESSE

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Klerikalismus bleibt Klerikalismus, ganz gleich, ob das kirchliche Lehramt oder christliche Laien, von einem fragwürdigen „Verchristlichungsenthu- siasmus" getragen, durch kollektive oder gesetzgeberische Maßnahmen den Staat und die Gesellschaft den christlichen Ordnungsvorstellungen unterwerfen oder die beiden Bereiche der zeitlichen Ordnung der Juristik- tion des christlichen Elements im Staate unterstellen wollten. Man kann wohl politische, soziale und kulturelle Programme aufsteilen, die vom Evangelium inspiriert Sind, aber das Programm selbst darf man nicht als ein christliches Programm deklarieren. Nicht bloß den Gottesstaat des Mittelalters, auch den sogenannten „christlichen Staat", den christliche Politiker und Parteien auf Grund vergangener christlicher Ordnungsvorsteilungen herbeiführen wollten, müssen wir entschieden ablehnen. Auch sogenannte „christliche Grundsätze" für das politische Leben im Sinn des Vokabulars der KA sind nirgends im Evangelium zu finden. Wir haben auch nicht die Aufgabe, solche zu erstellen und dafür die ganzen Energien aufzuwenden, überlassen wir die Erstellung christlich inspirierter Imperative in der Politik jenen, die dafür eher zuständig sind als die KA. Wie Pius XII. sagte, muß die Kirche zuerst den Menschen suchen. Hier liegen auch die Aufgaben jener, die sich dem kirchlichen Apostolat widmen. Eine Arbeitsteilung muß stattfinden. Man kann nicht in der KA stehen und sich dauernd mif politischen Fragen beschäftigen. Wenn man das Will, muß man in die Partei gehen, ein politisches Mandat übernehmen

(Ham Rosnak: „KA und Politik — Aul- teilung des Reiches Goffes auf Erden )

Natürlich ist die SPÖ an ihrem Elend In erster Linie selber schuld. Wenn Pitfermann und Waldbrunner, wie kürzlich vor Parlamentsredakteuren, über das schlechte Presseecho klagen, dann ist das nur ein Versuch, die Wahrheit auf den Kopf zu stellen. Die SPÖ wurde in diesen Wochen nicht schlecht, sondern viel zu gut, viel zu schonend, ja von einigen Wiener Zeitungen geradezu zartfühlend behandelt. In Wahrheit bot die sozialistische Opposition bis heute ein Bild des Jammers. Wenn sich die Presse mit der Kritik zurückhält, dann wohl nur deshalb, weil die Schwierigkeiten, denen sich die SPÖ gegenübersieht, nur allzu bekannt sind

Auf die fehlenden Alternativen zur Regierungspolitik haben wir schon hingewiesen. Gravierender noch ist der schlechte Stil der Opposition. Die SPÖ leidef so wie andere politische Gruppen an einem österreichischen, ja vor allem Wienerischen Erbübel: Es fehlt ihr die gesunde Härte. Sie fällt von einem Extrem ins andere, sie ist entweder zu weich und zu lendenlahm, wie gerade jetzt in diesen Wochen. Oder sie fällt gleich ins andere Extrem der radikalen Phrasen und des 'hysterischen Geschreis, wie beispielsweise in den Habsburg-Krisen der vergangenen Jahre, Entweder weich oder gleich gehässig, einen dritten Weg scheint es nicht zu geben.

(Kurt Vorhofer: „Eine traurige Opposition")

Neues Österreich

Antisemitismus und Neonazismus in ausgeprägter, militanter, organisierter Form haben heute auch in Österreich nur kleine Minderheiten, die sattsam bekannten Sekten der Unbelehrbaren, auf ihr „Banner’ geschrieben. Die Bereitschaft, Auswüchse des Antisemitismus und des Neonazismus zu dulden, ihnen vielfach sogar Beifall zu zollen, „Vergangenes vergangen sein" zu lassen, wenn es sich um Blufverbrechen der Nazischergen, es aber zu glorifizieren, wenn es sich um taten" der Wehrmacht handelt, ja selbst um „Errungenschaften des Führers", wie den Aufobahnbau und die Beseitigung der Arbeitslosigkeit (durch Kriegsrüstung), ist — unter- und auch oberschwellig — in Österreich weit mehr vorhanden. Das ist die eigentliche, die große, ungeheuerliche Affäre Österreichs, die uns der NBC-Film vorenthält: die Unfähigkeit, geschichtliche Fakten und Zusammenhänge zu begreifen und daraus auch nur bescheidenste Lehren zu ziehen; die Unfähigkeit, über den eigenen, noch dazu durch das Brett eines dumm-dreisten, feigen Opportunismus vernagelten Horizonts hinauszusehen.

(Anfon Fellner: „Die größere Affäre”)

Mit dar Ausstellung einat Reisepasses für Dr. Otto Habsburg-Lothringen auf gesicherter gesetzlicher Basis wäre vielleicht eine Chance gegeben gewesen, den mit sozialistischen Ressentiments aufgepäppelten Streitfall beizulegen und endlich zu viel wichti

geren politischen Fragen überzugehen. Leider hat der frischgebak- kene Innenminister der ÖVP, wenn auch sicher ohne schlechte Absicht, den Sozialisten neue Munition für eine Wiederbelebung der Auseinandersetzungen geliefert.

Obwohl Minister Hetzenauer seit voriger Woche ein Gutachten des Verfassungsdienstes erhalten hatte, in dem sowohl die Zuständigkeit des Innenministeriums wie auch die Unbedenklichkeit hinsichtlich der Habsburg-Bestimmungen des Staafs- verfrages bescheinigt wurden, gab er noch am Dienstag auf die Frage eines sozialistischen Abgeordnete im Budgetausschuß des Nationalrates ausweichende Antworten und erwähnte nicht einmal dieses Gutachten. Außerdem sprach der Minister von einer Entscheidung „in den nächsten Tagen" nach weiteren Beamtenbesprechungen. Tatsächlich fiel diese Entscheidung noch am selben Abend. Der dafür angeführte „Druck der Öffentlichkeit" war wohl schon am Nachmittag erkennbar.

Dazu kommt die von den Sozialisten zu Recht kritisierte Nichtinformation der Opposition durch die Regierung. Es wäre nicht nur ein Akt von Courtoisie, sondern auch politisch klug gewesen, die Sozialisten zugleich mit dem Habsburg-Anwalt über die Entscheidung zu informieren. Tatsächlich erfuhr die SPÖ, daß Otto Habsburg einen Paß erhalten wird, durch die Austria Presse Agentur. Natürlich gibt es keine gesetzliche Notwendigkeit für eine solche Information, aber in SWIfragen sollte man eben den Politiker vom bloß verwaltenden Beamten unterscheiden können. Hat sich der eine nur nach der Aktenlage und seinen Dienstvorschriften zu riditen, so soll der Politiker wissen, wo es eines Mehr bedarf, um möglicherweise ein späteres Noch-Mehr zu verhindern.

(no: „Mifjglückfer Stil")

DIE ZEIT

Otto Habsburg ist zwar Österreicher, doch ist es ein Irrtum anzunehmen, er gehöre Österreich allein und könne nur als Österreicher gesehen werden. Rechtlich ist die Sache klar. Historisch (und politisch) aber „gehört" Otto Habsburg auch den Ungarn, den Kroaten, den Slowenen und Tschechen. Budapest, Prag und Agram werden ihn nun gewiß nicht für sich reklamieren, aber sie werden auf jeden Schritt, den Habsburg tut, nicht anders reagieren als seinerzeit Horthy in Ungarn und die habsburg-hysterischen Herren.in den Staaten der kleinen Entente „Ich darf wohl auch für mich das Recht zu geistiger Entwicklung in Anspruch nehmen", schrieb Otto Habsburg einmal in der „Furche", Auf diese Entwicklung hoffen alle, die dem Kommenden nicht ohne Unbehagen entgegensehen. Von Wien aus ist vieles, was in Pöcking nah sein mag, sehr fern — nah aber ist vor allem jener europäische Osten, in dem viele jener Fermente — in alten und neuen Formen — weif erwirken, die dem Habsburger vertraut sein sollten.

(Claus Gafferer: „Kein Bruderzwist ums Haus Habsburg )

Die Presse

Jetzt ist es soweit. Der Wettbewerb für ein neues Wahrzeichen an Stelle der abgebrochenen Rauchfangkehrerkirche ist ausgeschrieben. Wie die Kirche aus mehr als fragwürdigen Gründen (wie sich jetzt herausstellt) so schnell weg mußte, so muß jetzt ebenso schnell Ersatz geschaffen werden. Wer gezweifelt hatte, daß man für dieses Vorhaben eine Jury zusammenbringen wird, der hat sich gründlich getäuscht, Natürlich kann man der Meinung sein, daß dieser Wettbewerb nichts mehr mit dem Abbruch der Kirche zu tun hat und daß man eben eine der Situation entsprechende Entscheidung treffen muß. Anderseits akzeptieren aber die Juroren und Teilnehmer an diesem Wettbewerb direkt die Methoden, die Vorgangsweisen, die für Wien so charakteristisch sind und die man unter keinen Umständen tolerieren darf. Die Taktik nämlich, daß die Öffentlichkeit lautend vor Tatsachen gestellt wird, die „eben" nicht mehr zu ändern sind.

War der Abbruch der Rauchfangkehrerkirche ein Skandal, so ist der daraus entstandene Wettbewerb eine Verlegenheit. Das Ergebnis wird beweisen, ob diese nicht noch größer Wird. Selten wurde unter den Architekten ein Wettbewerb mit so viel Ironie diskutiert, und immer wieder taucht der Vorschlag auf, die alten Pläne der Florianikirche neu einzureichen. Von ernsthaften Vorschlägen (soweit dieser nicht ernst zu nehmen ist) hört man nichts. Dieser Wettbewerb teilt die Architektenschaft wieder einmal in zwei Lager, denn es ist nicht nur eine prinzipielle Entscheidung, ob man daran teilnehmen soll oder nicht, sondern auch eine Gewissensfrage. Eigentlich wäre es zu erwarten, daß man in solchen Fällen einmütig reagiert.

(Friedrich Achleitner: „Eine Cewissensfrage )

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