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IM SPIEGEL DER PRESSE

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„Im österreichischen Parlament wurde mit der Authebung des Stand- rechtes und der standrechtlich verhängten Todesstrafe ein historischer Akt gesetzt, der dem demokratischen Rechtsempfinden der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung Rechnung trägt. Obwohl es sich dabei mehr oder weniger nur um eine formale legistische Maßnahme handelte, hat ein Abgeordneter die Änderung dieses Verfassungsgesetzes ohne Übertreibung als ein „Jubiläumsgeschenk" zum 50. Jahrestag der Republik bezeichnet.

In der langen, wechselvollen Geschichte unseres Landes hat das Standrecht nur selten eine Rolle gespielt, zum letztenmal in jener unheilvollen Periode des Bruderzwistes, die damit endete, dal Österreich für sieben Jahre von der Landkarte verschwand. Unter diese Vergangenheit haben wir längst den Schlußstrich gezogen. Mit der Authebung des Standrechtes wurde jetzt auch das letzte Relikt liquidiert, das aus dieser Zeit in die Gegenwart herüberreichte. Die verantwortlichen Kräfte der Zweiten Republik haben damit aber nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Vergangenheit geleistet, sondern auch demonstriert, daß die Demokratie in unserem Lande nicht der Ausnahmegerichtsbarkeit bedarf, um ihre Existenz zu sichern. Man bekennt sich zu dem Grundsatz, daß mit Gewalt kein Recht gesetzt werden kann und daß die Demokratie nicht lebensfähig wäre, würde sie sich auf das Stand- recht als politisches Machtinstrument stützen.

Schließlich sollte aber auch nicht übersehen werden, daß gerade in einem Parlament, in dem die österreichische Volksparfei über die absolute Majorität verfügt, ein entscheidender Schritt zur Demokratisierung der Justiz gemacht wurde. Man erinnert sich bei dieser Gelegenheit der düsteren Prophezeiungen, durch die nach den letzten Wahlen das Bürgerkriegsgespenst an die Wand gemalt worden ist. Wenn es eines Beweises bedurft hätte, daß die ÖVP es mit der Demokratie ebenso ernst meint wie die anderen Parteien, dann ist er von ihren 85 Abgeordneten geliefert worden.

„ln letzter Zeit wird da und dort der Ruf nach einem „Sozialstopp', das heißt einer Eindämmung der sozialen Fortschritte laut, der dadurch bedingt sein soll, daß der Staatshaushalt die sozialen Lasten nicht mehr fragen könne. Das ist der falsche Weg! Gewiß hat die soziale Entwicklung auch ihre Schattenseiten, sie fördert die Bereitschaft, auch die eigene Verantwortung für das persönliche Wohl nur dem Staat aufzulasten. Sie brachte den Kampf der Gruppenegoismen auch im Bereich der sozial Schwachen. Überlappungen und Überschneidungen im System der sozialen Sicherheit bedingen Fehlausgaben und unnützen Aufwand, oft kommen bedeutende Mittel aus dem Eintopf des Sozialbudgets Menschen zu, die längst im Wohlstand leben und nur zusätzlich staatliche Taschengelder beziehen, während andere mit ihrem Sozialschilling kaum das Notwendigste zum Leben haben.

Jene, die so sehr nach Sozialsfopp rufen und sich auf Fehlentwicklungen berufen, sollten aber eher dazu gebracht werden, sich den Kopf über eine sinnvolle Neuordnung des Sozialsysfems zu zerbrechen.

Was wir brauchen, ist ein Sozialplan, der alle Sparten der sozialen Sicherheit und alle Schichten der Bevölkerung umfaßt und den Mut der

Politiker zu einer gerechteren Ordnung, die im kleinen unter Umständen belastet, im großen aber entlastet."

I Walter Ramina

„Pierre de Coubertin hat sich für den Spitzensport bei Olympischen Spielen entschieden: ,Damit hundert Körperkultur betreiben, müssen fünfzig Sport betreiben. Damit fünfzig Sport betreiben, müssen zwanzig sich einem speziellen Sportzweig widmen. Damit zwanzig sich einem speziellen Sportzweig widmen, müssen fünf erstaunliche Leistungen vollbringen/ Damit fünf erstaunliche Leistungen vollbringen, muß auch ein greiser lOC-Präsident den sogenannten Realitäten ins Auge blicken können. Andernfalls erzeugt die olympische Flamme, so wie vor diesen Spielen in Grenoble, mehr Ruf) als Feuer. Der Ruh wird bald das Feuer ersticken.

Und es wäre schade um die Olympischen Spiele gerade in unserer Zeit. Denn es gäbe für die olympische Bewegung viel lohnendere Ziele als die sture Bekämpfung von sogenannten Pseudoamateuren. Die leidlichen ,Eröffnungszeremonien' dieser zehnten Winterspiele in Frankreich führten diese Aufgabe einer Gesinnungskorrektur deutlich vor Augen."

Gerhard Zimmer

„Nafionalgesinnfe deutsche Heimatvertriebenen haben dem Bayerischen Rundfunk den Krieg erklärt. Bei der Intendanz und in der politischen Redaktion bündeln Sekretärinnen Stöl)e von Postkarten und Briefen, in denen die Verantwortlichen am Münchner Rundfunkplatz unter anderem des ,Meirvungsterror', der ,Hetze' und der ,Denunziation' bezichtigt werden.

Der Grund der Erregung ist eine Sendung unter dem Titel (Außerparlamentarische Kraftfelder der Politik — die Vertriebenenorgonisationen', die als Teil einer Serie im ersten Programm ausgestrahlt worden war. Darin hatte sich Bernt Engelmann, ehemals Redakteur beim Norddeutschen Rundfunk und Mitarbeiter der inzwischen eingestellten Zeitschrift Deutsches Panorama, kritisch mit den Vertriebenenverbänden befaßt sowie Einfluß und politische Vergangenheit führender Funktionäre unter die Lupe genommen. Das Ergebnis war die Warnung vor einem neuen Rechtsradikalismus in der Bundesrepublik, ,in dem unleugbare Verbindungen personeller und ideologischer Art zu maßgeblichen Vertriebenenfunktionä- ren bestehen'. Engelmann: ,Das Leid der Menschen, die nach dem Krieg ihre Heimat verlassen mußten, wird immer wieder heraufbeschworen, ohne daß gebührend erwähnt wird, was diesem Leid vorangegangen ist, nämlich die Gewaltherrschaft in den von Deutschland annektierten Gebieten."

Peter Progai

„ln China mehren sich Zeichen einer neuen Krise. Durch die Straßen Pekings patrouillieren starke Militär- slreifen mit aufgepflanztem Bajonett und automatischen Waffen. .Feinde schüren den reaktionären Anarchismus', so hieß es in einer Verlautbarung des städtischen Revolutions- komitees, um die neue ,Rofe Macht' zu stürzen. Jetzt hat der Parteivorsitzende Mao Tse-tung in einer Aufsehen erregenden Erklärung .Führer der Revolution' des Betrugs bezichtigt.

Wie fast immer bei den offiziellen Verlautbarungen in China werden keine Namen genannt. Wer sind die Feunde, die sich unter dem Deckmantel der Revolution in Maos proletarischem Hauptquartier gegenrevolutionär betätigen? Wie so off in China stehen die harten Beschuldigungen vage im Raum, ohne daß das Angriffsziel erkennbar ist. Aber es ist kaum noch zu bezweifeln, daß eine neue Säuberungswelle bevorstehf."

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