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Immer noch ,Heer im Schatten der Parteien'

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Einigen Trost bietet ihm ein neuer, von Saurer entwickelter Schützenpanzerwagen, dessen Motor ein Alles-fresser ist und Dieselöl ebenso verdaut wie alle möglichen Benzine. Dieses Wundervehikel kann bis zur nächsten Füllung 700 Straßenkilometer zurücklegen, während sein Pendant in der Armee der USA es nur auf 150 Kilometer bringt. Mitlachers größtes Problem ist natürlich die finanzielle Bedeckung der gesamten Erfordernisse des Heeres, mit den derzeit sowenig ausreichenden Mitteln. Seiner Meinung nach müßte der Anteil der Landesverteidigung am Staatsbudget mindestens siebeneinhalb Prozent an Stelle der jetzigen vier Prozent ausmachen. Allein für die Instandhaltung der Ausrüstung bedürfte es einer Verdoppelung des hierfür zur Verfügung stehenden Postens. Noch ärger aber ist, daß die von den Alliierten gegebenen Hilfslieferungen, insbesondere die Panzer (die sehr kurzlebig sind), nahezu aufgebraucht sind, und große Anschaffungen ausstehen. Und unser Parlament wird sehr sorgfältig die neue Budgetplanung der Landesverteidigung untersuchen müssen — und zwar weniger vom Finanziellen her (das besorgt schon der Finanzminister), sondern vom Gesichtspunkt der strategischen Erfordernisse und Möglichkeiten, entsprechend der gesamten Konzeption unserer Landesverteidigung überhaupt. Womit sich die Frage erhebt: Haben wir eine solche Gesamtkonzeption? Die Antwort ist schlicht und einfach: nein. Von woher denn auch?

Der Minister weiß viel Vernünftiges zu dem Thema zu sagen, aber er kann mitsamt seinen militärischen Mitarbeitern keine allumfassende Konzeption erstellen Das ist Sache der ganzen Regierung mit dem Bundeskanzler an der Spitze und dem Vizekanzler gleich hinterdrein. Nur die

Regierung kann all die nichtmilitärischen, aber wegen ihrer Vielfalt viel entscheidenderen Voraussetzungen und Möglichkeiten unserer nationalen Verteidigung bestimmen. So weiß nur sie, wieviel Bereitschaft zur Verteidigung und welcher Art von der Bevölkerung erwartet werden kann. Wir können das aber von der Regierung nur unter den Voraussetzungen einer gewissen Sinnesänderung zum Besseren erwarten. In den sieben Jahren, in denen der österreichische Staat wieder die volle Kontrolle über dieses Land ausübt, ist kein Politiker — die beiden bisherigen Heeresminister eingeschlossen — vor das Parlament mit einem die ganze Bevölkerung betreffenden Verteidigungskonzept getreten. Einer der bei der Bevölkerung liegenden Gründe wurde schon geschildert. Wo denn aber, wenn nicht in der Landesverteidigung, muß man von den Politikern ein Vorangehen erwarten? Sie haben aber der Verteidigungsunlust nur zu gerne

nachgegeben — aus kurzsichtigem, ja falschem Unwillen, Geld für den endgültigen Zweck unserer Existenzsicherung auszugeben. Ein anderer Grund liegt darin, daß bei der anderen Regierungspartei Unklarheit, Unent-schiedenheit und Vorurteile zur Verteidigungsfrage sich mit der spießerischsten Verteidigungsunlust der Spießer treffen. Und die führenden Militärs haben sich in all das gefügt.

Einer von ihnen sagte unlängst: „Was sollen wir denn tun? Die Armee ist nur ein Teil der Nation und mit den gleichen Schwächen und Ressentiments aus der Vergangenheit belastet wie alle anderen.“ Das stimmt und stimmt auch nicht. Freilich wurde unsere nationale Entwicklung von 1914 bis 1945 — wenn man will, sogar bis 1955 — sechsmal zutiefst und kraß unterbrochen. Freilich hat diese immer wiederkehrende Diskontinuität unsere nationale Geschlossenheit zerklüftet. Es geht jedoch darum, auch jene Unterbrechungen mit in unsere gemeinsame Geschichtlichkeit einzuschließen. Und so sagte denn jener hohe Militär auch schließlich: „Ja, es stimmt, die Schutzbündler vom Februar 1934 gehören ebenso zu uns wie ein jeder, der eine Überzeugung hat und für sie einsteht. Auch sie gehören zu einer Tradition, der man sich als Österreicher nicht zu schämen braucht. Ich werde zu unseren Offizieren davon sprechen.“

Nach 1938 kam jedoch eine ganz andere Zeit. Wer immer in ihr eine von der herrschenden abweichende Meinung vertrat, unterzeichnete damit sein Todesurteil. Die österreichische Tradition, die unseren jungen und alten Soldaten vorgestellt werden soll, wurde von allen gebildet, die — auf welche Weise auch immer — dafür gekämpft haben, daß Österreich war, ebenso wie von jenen, die sich geopfert oder die mitgeholfen haben, daß es wieder auferstand. Ihre Motive und Meinungen mögen von den unseren abweichen, es kommt niemandem zu, den anderen in den Rahmen seiner eigenen Meinung zu spannen. So einer war der einzige Österreicher unter den Hingerichteten des 20. Juli 1944, der Generalstäbler Bernardis, in seiner Jugend einst ein überzeugter Nationalsozialist. Ihn hat, was er unter Nationalsozialismus verstand: Verantwortungsgefühl und mutiges Eintreten für das mißbrauchte und in seiner biologischen Existenz bedrohte Volk, dazu veranlaßt, gegen die Weiterführung eines verlorenen Krieges aufzutreten. Dafür gab e r sein Leben her. Wir brauchen es, daß sich unser Heer stärker als bisher zu Männern wie Bernardis und anderen Einsamen, die als Österreicher den „Befehl des Gewissens“ befolgten, bekennt, damit das Zwielicht weiche, das unsere Verteidigungsfähigkeit und -bereitschaft trübt. Die österreichische Armee hat einmal den Maria-Theresien-Orden jenen verliehen, die nicht nur militärische Tapferkeit schlechthin, sondern auch das bewiesen, was man bei uns leider noch immer Zivil courage nennen muß. Man sollte den Orden wieder einführen und ihn nicht nur Militärs, sondern auch Politikern geben, die politischen Mut beweisen.

In einem Artikel in der nächsten Nummer der ,,Furche“ sollen weitere Fragen unseres Ministeriums für Landesverteidigung behandelt werden.

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