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Israels Nach wähl winter

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Die Wahlen ins israelische Parlament, die Siebente Knesset, am 28. Oktober waren die ruhigsten seit der Staatsgründung. Die Resultate brachten wenig Überraschungen. Der Wahlbloek der Arbeiterpartei (mit Golda Meir, Mosche Dajan, Abba Eban, Jigal Alon, Pinchas Sapir) zusammen mit der linkssozialistischen Mapam verlor fünf Mandate und konnte nur 58 Sitze erringen. Die Mandate der verbündeten arabischen und Drusen-Parteien retten dlie Gruppe vor dem Verlust der absoluten Mehrheit. Der rechte Wahlblock Gachal aus der rechtsradikalen Cherut-Partei und der Liberalen Partei erhielt 27 Sitze, einen mehr als bei den vorhergehenden Wahlen, eroberte aber auch die vier Mandate zurück, die er während der letzten Knessetperiode durch eine Absplitterung verloren hatte. Ein überraschender Erfolg war der Liste Ben Gurions beschieden. Der Grand Old Man weigerte sich seinerzeit, mit Mosche Dajan und Schimon Peres in die Vereinigte Arbeiterpartei zurückzukehren und führte eine Liste mit fast unbekannten Persönlichkeiten an. Der gemäßigte Uri Awneri sowie die gemäßigte jüdisch-kommunistische Partei erhielten den Knessetsitz, den sie auch bisher innehatten, wieder. Der Versuch einer Gruppe vom Intellektuellen und Universitätsprofessoren, eine gemäßigte Friedensliste aufzustellen, war erfolglos. Ähnlich erging es einer Liste mit faschistischer Tendenz, die eine Evakuierung der arabischen Bevölkerung propagierte.

Die arabisch-kommunistische Partei erhielt drei (möglicherweise vier) Mandate bei ziemlich unveränderter Stimmenzahl. Man hatte befürchtet, daß mehr Araber aus Protest gegen den Staat diese Partei wählen würden.

Aufsehen erregte die Stimmenabgabe der 5000 Einwohner Ost-

Jerusalems, die bis vor zweieinhalb Jahren unter jordanischer Herrschaft standen und nach dem Sechs- tagekrieg dem jüdischen Jerusalem angegliedert wurden. Die traditionellen Führer Ost-Jerusalems,

Günstlinge König Husseins, die vornehmen Familien angehören, haben wenig Kontakt mit dem Volk. Sie haben diesmal versucht, die Ost- Jerusalemer davon abzuhalten, an den Jerusalemer Stadtratswahlen teilzunehmen. Überraschenderweise Ohne Erfolg. Vor den Wahlurnen stou- ten sich die Wähler. Fast alle Ost- Jerusalemer wählten Bürgermeister Teddy Kollek, der sich sehr für sie eingesetzt und aus diesem Grund seine jüdischen Koalitionspartner oft verärgert hatte.

Kein Verzicht

Man nimmt an, daß im nächsten Kabinett 22 oder 23 Minister sitzen werden, ähnlich wie im jetzigen. Von ihnem werden 14 dem Block der Arbeiterparteien — Maarach — angehören. Wenn es zu einer großen Koalition kommen sollte, wird der rechte Gachal-Block fünf Minister erhalten, die Religiös-Nationale Partei zwei und die Unabhängigen Liberalen einen. Doch ist dies alles zur Zeit nur Theorie. Gachal will diesmal Forderungen stellen und nicht nur durch zwei Minister ohne Portefeuille in der Regierung vertreten sein, wie bisher. Listenführer Menachem Begin erklärte sofort nach den Wahlen, daß der Gachal- block nur an der Regierung teilnehmen wird, wenn diese sich verpflichtet, auf keinen Fußbreit von Israel und den besetzten Gebieten zu verzichten.

Differenzen zwischen Gachal und dem Maarach bestehen jedoch nicht nur in der Außenpolitik (ein Teil der Maarach-Listenführer befürwortet ebenfalls ein Groß-Israel), sondern auch auf wirtschaftlichem Gebiet. Maarach ist ein Verfechter der Histadrut-Untemehmen, großer Werke, die sich im Besitz des allgemeinen Gewerkschaftsverbandes befinden. Hingegen will sich Gachal für Privatinitiative auf allen Gebieten einsetzen.

Innerhalb des Maarach sind General Pfjähf sein Koüege ‘Schimon Peres und Generfci Jigal Alon für die Beibehaltung der großen Koalition mit Gachal. Der starke Generalsekretär der Arbeiterpartei, Pinchas Sapir, ist hingegen ein entschiedener Widersacher des Bündnisses. Frau Golda Meir, die auch die kommende Regierung bilden wird, hait sich noch nicht endgültig entschieden.

Der Arbeiterblock Maarach könnte mit seinen traditionellen Partnern auch ohne Gachal eine Regierung aufstellen. Solch eine Koalition ohne Gachal könnte 78 bis 80 Mandate von insgesamt 120 für sich buchen. Maarach könnte eventuell sogar allein regieren, aber auch mit den Unabhängigen Liberalen eine Koalition aufstellen, die mit 55 bis 66 Mandaten freilich auf schwachen Füßen stünde.

Friedensverhandlungen stehen nicht vor der Türe, die arabischen Staaten sind weiterhin nicht bereit, mit Israel zu verhandeln. Die Diskussionen über Rückgabe oder Nicht-Rückgabe der besetzten Gebiete sind daher zur Zeit rein akademisch.

Im Gegensatz hierzu müssen in kürzester Zeit weittragende wirtschaftliche Beschlüsse gefaßt werden. Der Sechstagekrieg und die jetzigen Spannungen an den Grenzen fordern nicht nur Menschenopfer, sondern auch große Geldmittel. Man nimmt an, daß sich das kommende Staatsbudget auf zehn Milliarden Israel- Pfund belaufen wird, etwas mehr als drei Milliarden Dollar, von denen vierzig Prozent für Sicherheitszwecke ausgegeben werden sollen. Die israelische Zahlungsbilanz wird dadurch derart überfordert, daß ein Defizit vom 850 Millionen Dollar für das nächste Jahr zu erwarten ist. Golda Meir versuchte von Präsident Nixon eine langfristige Anleihe von einer Milliarde Dollar zu erhalten. Nixon zeigte sich aber nur wenig gewillt, diesem Wunsch nachzukommen. Der israielliisöhe Bürger zahlt bereits die höchsten Steuern der Welt. Eine starke Opposition könnte in dieser Hinsicht der Regierung das Leben sehr schwer machen. Die unabhängige Presse sowie der Mann auf der Straße neigen ohnehin zu einer breiten Koalition.

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