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Jahr der meisten neuen Typen

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Wahrscheinlich niemals zuvor wurden von den europäischen Automobilfabriken so zahlreiche neue Typen wie für das Jahr 1962 geschaffen. Brachte schon die Internationale Autmobilaus- stellung Frankfurt eine Fülle von Neuerscheinungen, die vor allem aus dem mitteleuropäischen Raum stammen, so stand der Pariser Salon, vor allem aber die Londoner Motor Show nicht nach. Es handelt sich vielfach um außerordentlich interessante Neuschaffungen, wenn auch die überwiegende Zahl der neuen Modelle doch vor allem Weiterentwicklungen sind. Man sollte ihnen allerdings die gebührende Anerkennung nicht schuldig bleiben, bringen sie dem Käufer doch mitunter mehr als eine Neukonstruktion, die sich im praktischen Betrieb noch nicht bewähren konnte, wie sorgfältig sie auch bereits erprobt worden sein mag. Allgemein ist die Steigerung des Komforts und die Beachtung der Sicherheitsmaßnahmen für die Insassen. Der Kleinstwagen tritt überall in den Hintergrund, während d’er Kleinwagen gleichfalls vermindert forciert wird, obwohl es einige interessante neue Schöpfungen gibt. Allerdings erfuhr die Steigerung des Komforts in dieser Klasse überall größte Beachtung. Er gewinnt nicht nur durch seine Billigkeit in Preis und Erhaltung immer noch an Bedeutung, sondern in vielen Fällen wird auf ihn bereits wegen der Verkehrsmisere in den Städten zurückgegriffen, auch wenn man sich einen größeren Wagen ohne weiteres leisten könnte. Auffallend war die Vielzahl an neuen Sportwagen oder doch zumindest sportlichen Fahrzeugen, und dies auf allen drei genannten Ausstellungen. Die heute trotz aller Klagen doch schon recht autogerechten Überlandstraßen in ganz Europa lassen den schnellen Wagen immer erstrebenswerter erscheinen.

Die drei großen Herbstmotorschauen überzeugten von dem Wohlstand, auf den Europa heute wieder hinweisen kann, aber vielleicht auch machten sie die ersten Maßnahmen deutlich, die die Automobilindustrie im einzelnen gegen die — allerdings noch am fernen Horizont — drohende Übersättigung des Marktes ergriffen hat.

Deutschland: BMW — VW — Opel Vielleicht der interessanteste deutsche Wagen der IAA Frankfurt war der völlig neue BMW 1500. Diese neue Konstruktion, von der man nur hoffen kann, daß sie all das hält, was sie verspricht, wurde von der bewährten Automobilfabrik BMW mit einem 1,5-Liter-Motor ausgestattet, der 75 PS bei 5 500 U/min. leistet und darüber hinaus über eine hervorragende Elastizität verfügen soll. Mit einem Drehmoment von 12 mkg liegt er an der Spitze ähnlicher Typen. Das Fahrzeug kann von 25 knv’h im direkten Gang bis auf die Höchstgeschwindigkeit von etwa 150 km/h ruckfrei beschleunigt werden. Als einziger deutscher Tourensportwagen °?iner Klasse besitzt der BMW 1500 eine oben- 1 /egende Nockenwelle und V-förmig hängende Ventile. Der dadurch erreichte günstige Verbren- nungsraum, die „Wirbelwanne” und die Steilheit des Ventiltriebes, sind die Voraussetzungen für hohe Leistung, Betriebssicherheit bei hohen Drehzahlen sowie geringen Verbrauch. Das mit Porsche-Synchronisierung in allen Gängen sperrsynchronisierte Vierganggetriebe wird mit der handlichen Mittelschaltung ausgerüstet, die dreh- elastische Kupplung hydraulisch betätigt.

Über die äußere Sicherheit führt das Werk an: vorbildliche Sichtverhältnisse, spurtreue Lenkung, einwandfreie Bodenhaftung durch „zwanglose” Federung mit hochwirksamer Dämpfung, fadingfreie Bremsen, verwindungssteifer Aufbau mit hoher Formfestigkeit in allen Richtungen. Bezüglich der inneren Sicherheit ging man von dem Prinzip aus: Aus gutem Grund ist alles rund.

Die sorgfältige Konstruktion sowie das elegante und schnittige Äußere dieser neuen Type lassen einen Erfolg nicht zweifelhaft erscheinen. *

In Frankfurt wurde auch erstmals der bereits vorher vieldiskutierte neue VW 1500 der Öffentlichkeit vorgestellt. Dieses mit einem luftgekühlten 1493-ccm-Heckmotot ausgestattete Fahrzeug der Mittelklasse kann auf zahlreiche neue Konstruktionsdetails hinweisen. So erreichte man durch eine neue Motoranordnung mehr Platz im Heckteil, den man als Kofferraum gestaltete.

Motor, Getriebe und Hinterachse wurden verblockt in einem Fahrschemel gelagert, der durch Gummifederelemente vom Hauptrahmen isoliert ist. Man erzielte dadurch günstigere Ausbau- und somit Reparaturmöglichkeiten einerseits und eine Isolierung des Wagenaufbaues gegen die Schwingungen der Antriebsaggregate sowie der Fabr- bahngeräusche anderseits. Neu ist auch die Abfederung der Vorderachse. Besonders lange Drehfederstäbe enden nicht in Fahrgestellmitte, sondern wurden gekreuzt gelagert und reichen von einem Lenker zum anderen. Die hierdurch erreichte Progressivität soll hervorragend sein.

Das neue VW-Modell soll bezüglich Komfort sehr gut ausgestattet sein und wird im übrigen beweisen müssen, ob es die Popularität des normalen VW erreichen kann.

Die Leistung beträgt 45 PS bei 3 800 U/min., die Höchst- und Dauergeschwindigkeit wird mit 125 km/h, der Kraftstoffverbrauch mit 8,4 Liter auf 100 km angegeben. Die Steigfähigkeit beträgt im ersten Gang 45,5 Prozent. Die Länge mißt 4225 mm, Breite 1605 mm, Höhe 1475 mm. Das zulässige Gesamtgewicht wird mit 1250 kg angegeben.

Der VW 1200 wurde anläßlich der IAA Frankfurt mit 25 Verbesserungen herausgebracht und wird nur noch in dieser Form geliefert. LInter anderem sind neu: die vordere Getriebeaufhängung, eine Benzinuhr, die pneumatische Scheibenwaschanlage, Verlängerung der Sitzgleitschienen, Erweiterung der Verstellbereiche der Vordersitzrückenlehnen, Heizluftdiisen im hinteren Fußraum, Türfeststeller usw. Vier weitere Teile wurden wartungsfrei, und zwar: der Kupplungszug, das Kupplungs- und Bremspedal, die Spurstangen und die Handbremsseile. Weiter wurde die Pedalübersetzung verringert, der Schalthebel griffgerechter gestaltet und die Betriebssicherheit durch etliche konstruktive Details und Materialveränderungen erhöht.

Opel hielt Wort und brachte keine Änderung der Modelle Rekord und Kapitän, schuf jedoch ein Sondermodell zum Opel Rekord, das Opel- Rekord-Coupė. Diese neue Type stellt eine Bereicherung des Opel-Programms dar und entspricht gleichzeitig einem vielfach geäußerten Wunsch des Publikums.’

Äußerlich zeigt sich der Unterschied zur Limousine beim neuen Coupe vor allem in der oberen Karosseriepartie. Die Gesamthöhe wurde sichtlich geringer, ohne allerdings den Raum über den Vordersitzen zu beschneiden. Der erforderliche Ausgleich wurde durch eine Veränderung der Sitzhöhe erreicht. Über den Hintersitzen fällt das Dach flach ab. Die Vordersitze sind nicht nur verschiebbar, sondern auch mit umlegbaren Rückenlehnen ausgestattet. Veränderungen an den Hintersitzen ließen einen größeren Gepäckraum erreichen. Zur serienmäßigen Ausstattung zählen Frischluftheizung, Rückfahrleuchten, Lichthupe, Scheibenwascher, gepolsterte Sonnenblenden, Handgriff neben dem Handschuhkasten, Doppeltonsignalhorn, Deckenbespannung aus Kunstleder, Velourteppiche auf dem Wagenboden usw.

Der Vierzylinder-Kurzhub-Motor mit 1,7 Liter Hubraum verdichtet in seiner Sonderausführung für das Coupe 8:1 und leistet 66 PS bei 4300U/min. Das Drehmoment beträgt 13.53mkg im Bereich von 1900—2500 U/min. Als Höchstgeschwindigkeit werden 140 km/h angegeben.

Frankreich: Renault R4 und R4L

Zusammen mit anderen interessanten Neuheiten brachte Frankreich die beiden interessanten neuen Typen der Firma Renault, nämlich R 4 und R 4 L. Beide Fahrzeuge weisen gleiche Abmessungen auf, nur handelt es sich beim R 4 um eine viertürige Limousine mit vier Seitenfenstern,’während der R4L sechs Seitenfenster sowie eine luxuriösere Ausstattung besitzt. Es handelt sich hier um typisch französische Konstruktionen insofern, als den Schöpfern dieser neuen Modelle nicht nur etwas eingefallen ist, sondern sie sich etwas gedacht haben, bevor sie noch an die Ausarbeitung geschritten sind. Man hat sich ehrlich bemüht, das dem modernen Menschen immer noch zuviel Zeit und Aufmerksamkeit abverlangende Automobil so anspruchslos und genügsam wie derzeit überhaupt möglich zu gestalten. Die daraus resultierenden Neuerungen darf man teilweise als zumindest sehr überraschend, wenn nicht revolutionierend ansprechen.

Diese beiden an und für sich billigen Fahrzeuge, deren 750-ccm-Renault-Motor bei lebendiger Fahrweise nur etwa 6,5 Liter-Kraftstoff auf 100 km verbraucht, konnten auf diese Weise noch kostensparender gestaltet werden. So erübrigt sich etwa für die ganze Lebensdauer eines solchen Fahrzeuges das Abschmieren, was durch Montage von Gummilagern an den meisten Gelenken des Fahrzeuges sowie hermetisches Abschließen aller anderen Lager erreicht wurde. Aber auch das Kühlsystem ist in sich vollkommen abgeschlossen. Nach Einfüllen einer Spezialmischung in der Fabrik, die allen klimatischen Anforderungen entspricht, wird das Kühlsystem verschlossen und verplombt, Kühlwasser nachfüllen, Frostschutzmittel, Rückstände im Kühler entfernen usw. entfallen hier. Die Wartung der neuen Renault-Modelle beschränkt sich ausschließlich auf die Kontrolle des Reifendrucks, Motorölwechsel alle 5000 km (2 Liter), Getriebeölwechsel alle 10.000 bis 15.000 km fo,7 Liter) und Kontrolle der Batterie sowie der Bremsflüssigkeit.

Darüber hinaus erweisen sich die beiden neuen Renault-Typen bei eventuellen Reparaturen insofern als besonders billig, als sie quasi im Baukastensystem zusammengebaut sind. In wenigen Sekunden ist etwa jede der fünf Türen oder die Motorhaube ausgewechselt. Ebenso verhält es sich unter der Motorhaube. Kolben und Lauf- büchsel können ohne Ausbau der Maschine ausgewechselt werden, womit also die Reparaturkosten auch bei größeren Arbeiten auf ein Minimum beschränkt werden.

Die neuen Typen eignen sich insbesondere für die Familie bzw. einen kleinen Betrieb. Die äußere Form der R-4-Typen ist dementsprechend nicht besonders elegant, das Innere jedoch bietet etliche Vorteile, indem die Bodenplatte vollkommen eben sowie für ausreichende Bewegungsfreiheit gesorgt ist und die beiden hinteren Sitze herausnehmbar sind. Der größere Laderaum kann eine Nutzlast von 250 kg auf nehmen.

Ein bekannter Fachmann der französischen Automobilindustrie bezeichnete diese neuen Fahrzeuge als „Autos von höchster Realität”.

Vorläufig wird der bewährte 4 CV weitergebaut. In Österreich werden die neuen R-4- Modelle erst im Frühsommer nächsten Jahres erhältlich sein.

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