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Kampf mit allen Mitteln der Technik
Alle Strategen sind sich einig: der Wahlausgang wird noch mehr als früher vom Fernsehen beeinflußt. Mehr als 20,000.000 Franzosen sehen täglich eine Sendung. Telegen zu sein ist daher die notwendige Voraussetzung, um mit Erfolg die verschiedenen Gegner zu überwinden. Nach jeder Sendung werden wissenschaftliche Sondierungen vorgenommen, die die Wirkung eines eben auf den Fernsehschirmen aufgetauchten Gesichtes abmessen.
Für den Wahlkampf teilte man die Sendezeiten zwischen den Parteien auf. 50 Prozent erhielten die Regierungsparteien, 50 Prozent die gesamte Opposition. Allerdings genießen die Regierungsparteien einen wesentlichen Vorteil: In den Nachrichtendiensten werden die Kundgebungen für die Regierung viel deutlicher gezeigt als Reportagen der Opposition.
Die Regierungspartei UNR beauftragte diesmal das Institut „Service et Methode“ mit der technischen Durchführung des Wahlkampfes. Am Rande sei vermerkt, daß dieses Büro aus Lecanuet während der Präsidentenwahl in wenigen Wochen einen nationalen Begriff geschaffen hat. „Service et Methode“ führte auch James Bond in die Vorstellungswelt der Franzosen ein. Michel Bongrand, der Gründer und Generaldirektor, bezeichnet seine Firma als das einzige Propagandainstitut Europas, das in keiner Weise mit einem gewöhnlichen Werbe- oder Public-Relations-Büro zu vergleichen ist. „Service et Methode“ spezialisierte sich auf psychopolitische Aktionen, welche die menschlichen Beziehungen in den Mittelpunkt stellen. Er führt verschiedene Elemente zusammen, wie die Technik der Information, die Werbung, um eine besondere Atmosphäre zu schaffen. Die Sprache muß eindeutig und verständlich sein.
So erzeugt der Wahlkampf eine vollendete Technisierung. Ein weiteres Mittel besteht darin, in wöchentlichen Sondierungen die öffentliche Meinung von einem Trend zu überzeugen. Diese Form wird in meisterlicher Weise von der SOFRES (Societe Franchise d'Enquetes par sondages) angeführt, die zur mächtigen Gruppe Metra gehört.
Natürlich können sich nur große Parteien solche vollendete Instrumente leisten. Darum finden zahlreiche klassische Methoden auch in diesem technisierten Werben ihre Verwendung. Drei Mittel stehen den Wahlmanagem zur Verfügung: die Versammlung, die Postsendung, der persönliche Kontakt.
Es ist in den Wahlversammlungen üblich, auch den politischen Gegnern das Wort zu erteilen. Diese Streitgespräche erfreuen sich durch die Fernsehsendung „Face ä Face“ größter Popularität. Solche öffentlichen Diskussionen setzen bedeutende Kenntnisse voraus. Die Kandidaten müssen unzählige Daten kennen, und niemand wird es wagen, zu oft seine Unterlagen zu konsultieren. Darüber hinaus bedarf es einer ruhigen Überzeugungskraft und einer ausgezeichneten Dialektik. Die Zuschauer beurteilen diese geistigen Ringkämpfe, die oft von großer Dramatik sind, wie ein bedeutendes sportliches Ereignis. Der Stimmengewinn oder -Verlust spiegelt dann die Begeisterung oder Enttäuschung wider.
Schließlich sei an den persönlichen Kontakt erinnert, der allerdings anders als in England bestimmte Gruppen von Personen anspricht. So werden mit den Gewerkschaftsvertretern, den Sprechern der Landwirtschaft, mit Referentinnen der Frauenverbände die Probleme des Bezirkes eingehend durchgesprochen. Der Kandidat muß in der Lage sein, sehr konkrete Vorschläge zu unterbreiten, wie den Bau einer Schule, eines Supermarkets oder einer Sporthalle. Die Probleme des Verkehrs, der Kampf gegen die steigende Jugendkriminalität verlanigen, daß sichere Lösungen unterbreitet werden.
Die Parteizentralen leisteten monatelang Vorarbeiten und schufen umfangreiche Unterlagen. Jeweils eine Gruppe von Wahlwerbern erhielt psychologischen Unterricht und mußte sogar die Atemtechnik erlernen. Auf die Patronanz bedeutender unpolitischer Persönlichkeiten wird großes Gewicht gelegt. Mendes-France mobilisierte zum Beispiel drei Nobelpreisträger, andere Kandidaten klopfen bei bekannten Ärzten an oder suchen die Hilfe besonders ausgezeichneter Widerstandskämpfer. Die Postwurfsendungen nehmen die gleichen Themen auf.
Politische Gehässigkeiten oder Skandalmärchen sind bisher unterlassen worden. Allerdings zeigt sich eine gewisse Schärfe der Diskussion, die besonders von den Regierungsparteien verwendet wird, aber sie liegt eher auf einer sachlichen Ebene. So handelt es sich um einen WaMkampf, der einer Industriegesellschaft in voller Entwicklung wesensgemäß ist.
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