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Kampf zwischen zwei konservativen Parteien

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Die einzige Hoffnung des 50jährigen konservativen Premierministers John Major, die britischen Unterhauswahlen am 1. Mai zu gewinnen, ist, einen äußerst häßlichen chauvinistischen Kampf gegen die Europäische Union zu führen. Majors konservative Partei ist so korrupt und so enorm unbeliebt, daß nur rabiater anti-europäischer Chauvinismus und Fremdenhaß diese Wahlen für sie gewinnen könnten - was John Major und seine Wahlkampfstrategen genau wissen.

So sagte Major auf einer im Fernsehen gesendeten Wahlkampf-Pressekonferenz, der 43jährige Laboür-Führer Tony Blair „hat die rote Fahne der Labour-Partei für die weiße Fahne der Kapitulation vor den Europäern eingetauscht". Auf einer Wahlversammlung nur für Konservative mit Eintrittskarten rief Major: „Blair will Großbritannien an Europa verraten!" Major erklärt immer wieder: „Um Großbritannien zu führen, muß man in Europa isoliert sein!" In seinem Wahlkampf ist britischer Isolationismus in Europa das Ideal. Denn laut Major und seiner konservativen Partei ist die Europäische Union eine Verschwörung gegen Großbritannien, durch die Helmut Kohl für Deutschland den Sieg über Großbritannien gewinnen würde, der Hitler versagt war.

Ein konservatives Wahlplakat zeigt Blair als satanische Figur mit roter Teufelsmaske. Da Blairs Medienberater ihn rigoros vor Medienvertretern abschirmen, sagte Major auf einer im Fernsehen gesendeten Pressekonferenz die verschrobenen Sätze, Blair werde von seinen Medienberatern behandelt, als ob er die Pest sei. In Anspielung auf den offiziellen Namen „Neue Labour-Partei" erklärte Major weiter, Blair sei „die neue Pest, der neue schwarze Tod".

Wie enorm gefährlich das anti-europäische Fremdenhaß-Potential ist, bewies eine Versammlung in einem großen Londoner Saal von über 7.000 Anhängern der neuen anti-europäischen Beferendum-Partei, die vom Pfund-Milliardär Sir James Goldsmith für etwa 20 Millionen Pfund gekauft wurde. Sir James Goldsmith, einer der reichsten Männer der Welt, ist nach Silvio Berlusconi der zweite Mann, der sich eine eigene politische Partei kaufte. Das britische Publikum gröhlte wie eine Nazi-Versammlung, als ein Sprecher auf der Tribüne -nicht Goldsmith - forderte, man möge dem konservativen Politiker Edward Heath, der als Premierminister Großbritannien in die Europäische Gemeinschaft brachte, dafür Elektroden an seine Geschlechtsorgane schrauben ... Die seriöse britische Tageszeitung „The Independent" berichtete unter Namensnennung des FllRCHE-Korrespondenten, daß dieser während der wirklich grauenhaften Versammlung zur „Independent" -Beporterin aus Goethes „Zauberlehrling" zitierte (was eigentlich Goldsmith gegolten hätte): „Die ich rief, die Geister, werd' ich nun nicht los!".

In der konservativen Partei tobt bereits ein bitterer offener Kampf um die Nachfolge John Majors als Parteiführer. Falls die konservative Partei am 1. Mai die Wahlen verliert, wird sie unter einem neuen Parteiführer zur Anti-Europa-Partei.

Dieser britische Wahlkampf ist ein Kampf zwischen zwei konservativen Parteien, denn Tony Blairs neue Labour-Partei ist - mit Ausnahme ihrer pro-europäischen Einstellung - genau so konservativ wie die konservative Partei. Blairs Partei ist weit rechts von der SPÖ, weit rechts von den deutschen Sozialdemokraten, und sehr weit rechts von der britischen liberalen Partei unter deren Parteiführer Paddy Ashdown, die nicht gewinnen kann. Die ÖVP steht heute sehr viel näher zu Blair als zu den britischen Konservativen. Tony Blair gibt sich ganz bewußt als neuer John F. Kennedy - doch die amerikanischen Demokraten sind links von ihm.

Auf Majors Wahlversammlungen, nur mit Eintrittskarten für treue Konservative, singen seine Anhänger das alte patriotische Lied an England: „Weiter noch und weiter mögen deine Grenzen vergrößert werden! Gott, der dich mächtig machte, möge dich noch mächtiger machen!"

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