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Katholiken im Rampenlicht der Konferenz

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Vor allem aber war es Pater Roberto Tucci, der die Aufmerksamkeit auf sich zog. In einem viel beachteten Hauptreferat trat er für engere Beziehungen zwischen Rom und dem ökumenischen Rat ein. Ursprünglich hätte offenbar Professor Hans Küng sprechen sollen, der für seine ökumenische Ausrichtung bekannt ist und vielleicht charismatischer zum Thema hätte reden können. Indem aber der eher kritische Herausgeber der berühmten Jesuitenzeitschrift „La Civilta Cattolica“ das Referat übernahm, gewannen die Aussagen an Gewicht. Tucci sprach „in tiefer Bewegung und im Bewußtsein großer Verantwortung“. Katholiken stehen nicht mehr als gleichgültige oder neugierige Zuschauer und erst recht nicht als strenge Richter, sondern als Partner der ökumenischen Bewegung im Kreis. Seine Formulierungen verrie ten ein dynamisches Verständnis einer gemeinsamen Bewegung auf die Einheit hin. Die Erkenntnis der stetigen Reinigung und Erneuerung der Kirche spricht seines Erachtens dafür, daß ein gewisser Immobilismus der katholischen Kirche im Verständnis des ökumenismus überwunden ist. Er sieht die Lösung nicht im Sieg einer Kirche über die andere, sondern „nur durch den Sieg Christi über unsere Spaltungen und durch unsere Bekehrung zu Christus“. Er gab offen zu, die heikle Frage der vollen Mitgliedschaft werfe freilich mancherlei Probleme auf, wohl weniger solche ekklesiologischer, als vielmehr solche psychologischer und praktischer Art. Die Gemeinsame Arbeitsgruppe Rom-Genf spricht deshalb in ihrem zweiten Bericht die Überzeugung aus, „daß zum gegenwärtigen Zeitpunkt die gemeinsame Sache der christlichen Einheit nicht gefördert würde, wenn die römisch- katholische Kirche dem ökumenischen Rat der Kirchen beitreten würde“. Der Redner ermutigte jedoch, jetzt schon in aller Nüchem- heit die Vor- und Nachteile der Mitgliedschaft sorgfältig zu prüfen. Eine Nichtzugehörigkeit der römisch- katholischen Kirche besitzt auf die Dauer negative Auswirkungen auf die ganze ökumenische Bewegung. In zwei Pressekonferenzen hatte man stark den Eindruck, daß Tucci den jetzigen Zeitpunkt eines Beitritts entschieden xu. früh erachtet, obwohl vom ökumenisehen Rat der Kirchen aus für einen Beitritt nichts im Wege steht. Obwohl er in seinem Referat viele offizielle Zitate brachte, sprach er selbstverständlich in eigener Verantwortung. In einer Pressekonferenz zog er es vor, sich nicht übersetzen zu lassen, sondern er gab vielmehr die Antwort selber noch einmal in der anderen Sprache, die dann freilich wieder eine etwas andere Färbung gewann. Man hatte den Eindruck, er wolle sich nicht auf besimmte Formulierungen festiegen.

Thomas F. Stransky CSP vom Sekretariat für die Einheit und Lukas Vischer, Leiter, des Sekretariats für Glauben und Kirchenverfas-

ung in Genf, zeigen im neuesten Heft der „ökumenischen Rundschau“ 1968 3 beziehungsweise in „The Ecu- menical Review“ 1968 3 eine bestimmtere Sicht der Dinge. Die von Vischer vorgeschlagene Möglichkeit des Beitritts einzelner Bischofssynoden zum ökumenischen Rat der Kirchen, was sich wohl am leichtesten verwirklichen ließe, verwarf Tucci.

Progressive Katholizität

Zum großen Erstaunen vieler Protestanten und Katholiken hatte der ökumenische Rat der Kirchen das Problem der Katholizität in Sektion I mit dem Titel „Der Heilige Geist und die Katholizität der Kirche“ offiziell ins Programm aufgenommen. Gerade unter den römisch-katholischen Teilnehmern war das Interesse für diese Sektion groß. Die römisch-katholische Kirche stellte mit einigem Erstaunen1 fest, daß hier auch außerhalb ihrer Kirche von Katholizität gesprochen wird. Vor allem die Reformierten hatten auf die Aufnahme dieses Themas tendiert. Der Text hält fest: „Die Kirche ist in allen ihren Elementen und in allen Aspekten ihres Lebens und vor allem in ihrem Gottesdienst katholisch und sollte in ihnen katholisch sein.“ Damit wird sehr deutlich, daß auch die nichtrömisch-katholischen Kirchen keinesfalls auf Katholizität verzichten. Es tut wohl gut, wieder einmal daran erinnert zu werden, daß die Reformatoren an der Katholizität der Kirche eindeutig festhielten. Sie nennen deshalb die Kirche Roms nicht „katholisch“, sondern „papistisch“. Auch neuere protestantische Dogmatiker setzen sich in ihren Werken mit der Katholizität auseinander. Das Aufhorchen über das Thema war hauptsächlich auf den deutschsprachigen Raum beschränkt. Im deutschen Glaubensbekenntnis wird das Wort „katholisch“ übersetzt mit „allgemein“ oder „allumfassend“. Die anderssprachigen Glaubensbekenntnisse behielten in der Regel das Wort „katholisch“ bei. Dem deutschsprachigen Protestanten mochte deshalb das Wort — nicht aber die Sache — etwas entschwunden sein. Da die Reformationskirchen ebenfallls katholisch sind, erklärt sich, daß die meisten Konfessionen die Kirche Roms nicht einfach als katholische, sondern genauer als römisch-katholisch bezeichnen. Die Führung des Namens „katholisch“ in der Selbstbezedchnung ist natürlich noch kein Beweis für tatsächlich vorhandene Katholizität, auch ein Sektionsbericht gibt dafür noch keine Gewähr, anderseits darf man durch das Fehlen des Wortes nicht auf einen Mangel an Katholizität schließen. Der genannte Sektionsbericht dürfte gerade für das Gespräch mit der römisch-katholischen Kirche ein wesentliches Hilfsmittel für eine Periode progressiver, dynamischer Katholizität sein.

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