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Keine Angst vor Europa!

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Soll man mehr darum kämpfen, wie das Geld heißt, als darum, welchen Wert es besitzt?

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Soll man mehr darum kämpfen, wie das Geld heißt, als darum, welchen Wert es besitzt?

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Je näher Europa zusammenrückt, umso mehr scheinen die Ängste und Vorbehalte gegenüber allen Vorgängen zu wachsen, die mit diesem Prozeß zu tun haben. Die Diskussion über die Einführung des Euro, die derzeit von Skandinavien bis Sizilien, insbesondere aber bei unserem Nachbarn Deutschland läuft, ist dafür nur ein beredtes Symptom. Muß man aber nicht immer wieder daran erinnern, daß die Integration Europas unser ganzes Leben betrifft und nicht nur das Zahlungsmittel, selbst wenn es stimmt, daß Geld die Welt regiert?

Noch vor wenigen Jahren war die politische, wirtschaftliche und militärische Einheit Europas für viele ein Wunschtraum: offene Grenzen, daher ' keine Zollkontrollen; eine einheitliche Währung, daher kein Geldwechseln mehr für Urlaubs- oder Geschäftsreisen; keine Aggression mehr zwischen Osten und Westen, daher kein Bedarf mehr für eine allgemeine Wehrpflicht. Haben nicht die meisten von uns diesen Traum mitgeträumt?

Heute ist Europa fast so weit, wie einst erträumt wurde, aber sind die Menschen deshalb wirklich glücklich und zufrieden? Daß die Realisierung dieses Traums mit Schwierigkeiten einhergehen würde, war abzusehen, aber wären wir nicht früher eher bereit gewesen, dafür noch mehr Opfer zu bringen als jene, die uns heute so schwer fallen (wir sind übrigens nach neuesten Meldungen nur der kleinste Nettozahler der EU)? Ist hier ein Sinneswandel eingetreten, oder haben wir insgeheim ohnedies nie ein Europa ohne Grenzen gewollt? Woher kommt es, daß nicht nur in Österreich viele seit dem EU-Beitritt der europäischen Einigung skeptischer denn je gegenüberstehen?

Kein Zweifel: Ein Teil dieses Unmuts ist verständlich. Zu EUphorisch hat man den Menschen die positiven Auswir kungen des EU-Beitrittes ausgemalt, zu ernüchternd waren kurz darauf die Sparpakete. Diese wären zwar ohnehin früher oder später fällig gewesen (die letzlich am wenigsten bestreitbare ökonomische Weisheit besagt, daß man auf die Dauer nicht mehr Geld ausgeben kann als man einnimmt), aber nicht zu Unrecht sieht man in den Konvergenzkriterien von Maastricht die Ursache dafür, daß diese Sparpakete so rasch und hart durch -gezogen werden mußten. Ist deshalb Europa schuld an unseren Staatsschulden, oxiej sind es nicht doch jene Regierungen, die es in den letzten 27 Jahren so weit kommen ließen?

Faktum ist, daß Österreich nun gute Aussichten hat, von Anfang an der Europäischen Währungsunion anzugehören. Würde man diese Chance nicht wahrnehmen, müßten sich die Österreicher, die auch gerade deswegen so rasch die Sparpakete schlucken mußten, in Anlehnung an einen alten Witz mit Recht jene Frage stellen, die da auf I lochdeutsch lautet: Wozu haben wir die Kröte verspeist?

Natürlich war die EÜ-Ab-stimmung auch eine Vorentscheidung in Richtung Währungsunion. Das Volksbegehren der FPÖ für eine Volksabstimmung über die Einführung des Euro ist zwar die legitime Ausübung eines demokratischen Rechtes, zu erklären ist es aber letztlich nicht durch die Sachlage, sondern allenfalls als parteipolitisches Werben um Enttäuschte der EU-Abstimmung. Geht es nämlich mit rechten Dingen zu, so müßte Jörg Haider damit einen noch größeren Flop erleiden als seinerzeit beim Anti-Ausländer-Volksbegehren. Dabei ist es grundsätzlich absolut notwendig und richtig, sich Sorgen darüber zu machen, welche Kompetenzen einem Land in der EU bleiben, wo es seine Identität und Originalität bewahren kann und muß.

Eine Abstimmung über die Einführung des Euro mag manchen als geeignetes Mittel erscheinen, Protest zum Prozeß der europäischen Integration zu äußern, sinnvoll ist sie nicht, weil sich Österreich aus guten G/ünden währungspolitisch immer an der D-Mark orientiert hat. Wenn die Währungsunion zustandekommt, ist Deutschland sicher dabei, und Österreich sollte keinesfalls riskieren, draußen zu bleiben. Schließlich kann es doch nicht darum gehen, wie man die Währung nennt (und Schilling hat sie bei uns auch nicht immer geheißen), sondern darum, was das Geld wert ist. Der Finanzsprecher von Österreichs Grünen, Alexander Van der Bellen, erteilte jüngst Befürchtungen, Sparbücher könnten an Wert verlieren, glaubwürdig eine Absage und nannte, trotz einiger berechtigter Einwände, die Währungsunion „grundsätzlich ein vernünftiges Projekt”.

Wenn wir Euro-Payer sind, sind wir aber noch lange nicht Europäer. Geld und Wirtschaft einen Europa noch nicht, sie können nur Mittel zum Zweck sein. Die Einigung Europas wurde ja nicht deshalb angestrebt, um sich den „ Ederer-'I ausender” pro Monat zu ersparen, sondern um den Frieden auf diesem Kontinent zu sichern. Der Weg wurde über die Wirtschaft gesucht, weil man - mit Recht -annahm, bei genügend wirtschaftlicher Verflechtung zwischen den Staaten werde ein künftiger Krieg zwischen diesen zunehmend sinnlos und unwahrscheinlich. Heute aber sind die wirtschaftlichen Interessen, Wachstum und Profit, nicht mehr nur Mittel zum Zweck, sondern bereits das primäre Ziel maßgeblicher Euro-Technokraten.

Die Gefahr dabei ist, daß multinationale Konzerne die Herrschaft übernehmen, daß zwar der Friede zwischen den Ländern, aber keineswegs der soziale Friede in den einzelnen Regionen gesichert ist. Dessen Erhaltung sollte aber heute un -bedingt das vorrangige Anliegen sein. Deshalb hätte man längst, zugleich mit dem Euro, auch eine Harmonisierung der Steuer- und Sozialsysteme vorantreiben, diesbezügliche Konfliktpotentiale, vor allem die Arbeitslosigkeit, so weit wie möglich reduzieren müssen.

Aber auch angesichts der Erkenntnis, daß die EU manches nicht einfacher, sondern schwieriger gemacht hat, ist Angst vor einem geeinten Europa nicht angebracht. Auch das war und ist ja das Motiv vieler Europa- Befürworter: Wenn manche negative Tendenzen, auch solche, die bisher sogar durch die EU verschärft und beschleunigt wurden, überhaupt noch in den Griff zu bringen sind, dann nur mehr auf kontinentaler, nicht mehr auf einzelstaatlicher Ebene. Europa wird seine Probleme entweder gemeinsam lösen -oder es wird sie gar nicht lösen.

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