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Kidnapper sollen mit dem Tode büßen

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Der Nuntius hat es ihm angeboten: Doch Bischof Romulo will keine andere Diözese. Er teilt mit seinen Gläubigen die Angst.

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Der Nuntius hat es ihm angeboten: Doch Bischof Romulo will keine andere Diözese. Er teilt mit seinen Gläubigen die Angst.

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Anläßlich des katholischen Weltjugendtages wird sich der Papst vom 12. bis 16. Jänner in der philippinischen Hauptstadt Manila aufhalten. Die Philippinen sind das einzige asiatische Land mit einer katholischen Mehrheit. Doch gibt es in den südlichen Provinzen eine beachtliche islamische Minderheit. Dort führen seit Jahrzehnten moslemische Rebellen einen erbitterten Kampf um Unabhängigkeit beziehungsweise Autonomie von der Zentralregierung in Manila. Bombenanschläge und Überfälle auf Kirchen und' Moscheen, Entführungen und Erschießungen gehören mittlerweile zum Alltag. Im Juni des Vorjahres erreichte die Terrorwelle moslemischer Fanatiker mit der Entführung und Erschießung von 16 vorwiegend christlichen Geiseln einen vorläufigen Höhepunkt. Bischof Romulo de la Cruz von Isabela hat mit dem Religionskrieg, den Morddrohungen und der Angst leben gelernt.

diefurche: Was sind die Hintergründe fiir die angespannte Situation in Ihrer Diözese?

Bischof Romulo de la Cruz: Für die unruhige Situation gibt es meiner Meinung nach zwei Gründe. Zum einen gibt es Gruppen, die versuchen, die Gespräche, die es zwischen der Regierung und den moslemischen Rebellen der Nationalen Moro Befreiungsfront (MNLF) gibt, zu sabotieren. Dazu kommen wirtschaftliche Gründe. Manche haben einfach nicht genug zu essen, sie hungern und deshalb kidnappen sie andere Menschen, um zu Geld zu kommen. Tatsächlich gibt es ein paar selbsternannte Führer, die gerne die Kontrolle über Mindanao und Basilan übernehmen würden. Sie setzen alles daran, die Lage zu destabilisieren, in der Hoffnung, die Christen könnten resignieren und aufgeben. Die moslemischen Rebellen der Nationalen Moro Befreiungsfront zum Beispiel wollen das Gebiet von Zamboanga und Basilan als Teil einer autonomen Region verwaltet sehen. Die Christen ihrerseits haben aber kein gesteigertes Interesse daran, Teil einer autonomen Region zu sein.

diefurche: Handelt es sich bei den Auseinandersetzungen auch um einen religiösen Konflikt1 Bischof Romulo: Ich glaube, daß hinter den Auseinandersetzungen keine religiösen Motive stehen. Wir hatten viele moslemische Mitarbeiter in unserem Programm, die mit uns jahrelang ganz ausgezeichnet zusammengearbeitet haben. Sie hatten keinerlei Befürchtungen, daß wir sie bekehren wollten. Wir orientieren uns in der pastoralen Arbeit nicht an der Religionszugehörigkeit, sondern an den Nöten und Bedürfnissen der Menschen. So sind 30 Prozent der Schüler an unseren Schulen in Basilan Moslems. Mit ihnen gibt es überhaupt keine Schwierigkeiten, wir arbeiten sehr gut zusammen.

diefurche: Fürchten Sie um die Sicherheit der Ordensleute und Priester in Ihrer Diözese?

Bischof Romulo: Angst habe ich immer aufgrund meiner Verantwortung für meine Mitarbeiter. In der Vergangenheit bin ich davon ausgegangen, daß nur ausländische Missionare gekidnappt werden. Als aber ein Priester meiner Diözese entführt wurde, mußte ich zur Kenntnis nehmen, daß niemand sicher ist. Wir sind sehr vorsichtig geworden, wenn wir in der Diözese unterwegs sind, fahren aber mit unseren Aktivitäten fort. Entführungen, wie wir sie ja in der Vergangenheit schon mehrmals hatten, kosten viel Nerven und Energien.

diefurche: In welcher Weise erhalten Sie in dieser schwierigen und gefährlichen Situation Unterstützung durch die Regierung? Bischof Romulo: Ich bin mit der Unterstützung seitens der Regierung und des Militärs ganz zufrieden. Sie sind uns gegenüber ganz offen und ehrlich und gestehen auch ihre eigene Hilflosigkeit im Kampf gegen den Terrorismus ein. Es handelt sich tatsächlich um blanken Terrorismus. Terroristische Aktionen gibt es aber überall auf der Welt. Deshalb können uns die Soldaten auch keine lOOprozentige Sicherheit garantieren. Beeindruckt hat mich in der gegenwärtigen Situation die Feststellung unserer Laienmitarbeiter, die meinten, daß wir uns im Falle einer Entführung nicht um sie, sondern um ihre Familien sorgen sollten.

diefurche: Wie notwendig halten Sie die starke Militärpräsenz? bischof romulo: Für uns in Basilan ist die Anwesenheit des Militärs absolut notwendig. Die Menschen in Manila verstehen unsere Haltung nicht, aber es ist tatsächlich so, daß die Präsenz der Soldaten eine relative Sicherheit garantiert. Wir brauchen die Soldaten zu unserem Schutz.

diefurche: Beeinträchtigen die Terroraktionen Ihre Arbeit als Bischof? Bischof Romulo: Ich lasse mich nicht beeinträchtigen. Ich fahre nach wie vor in der Diözese herum, besuche Pfarren und - bestärke die Gläubigen, in dieser schwierigen Situation nicht aufzugeben. Freilich werde ich von den verantwortlichen Stellen immer eindringlich zur Vorsicht gemahnt. Sie haben mir auch Polizeischutz zur Verfügung gestellt. Es würde allen Verantwortlichen großes Kopfzerbrechen bereiten, würde einer von uns entführt werden.

dieFurche: Sie haben in einem in der „kathpress” wiedergegebenen Interview fiir die Kidnapper die Todesstrafe „ohne Wenn und Aber” gefordert

Bischof Romulo: Das ist richtig. Nicht richtig war aber die Meldung, ich hätte zur Jagd auf die Kidnapper aufgerufen, um sie dann hinzurichten. Wenn ich die Todesstrafe für die Kidnapper fordere, dann ist das im Einvernehmen mit der gegenwärtigen Gesetzeslage. Es gibt meiner Meinung nach Umstände, die unter bestimmten Voraussetzungen die Anwendung der Todesstrafe als gerechtfertigt erscheinen lassen. Ich persönlich bin aufgrund der besonderen Umstände in meiner Diözese für die Todesstrafe.

diefurche: Damit stellen Sie sich gegen die offizielle Linie der Bischofskonferenz

bischof romulo: Trotz der offiziellen Linie haben die einzelnen Bischöfe auch das Recht auf eine eigene Meinung. Die Bischofskonferenz wird das aushalten.

diefurche: Welchen Wahlspruch haben Sie als Bischof gewählt' Bischof Romulo: Mein Motto lautet: Crescere in plebem suam - in seinem Volk zu wachsen. Ich möchte mit meinen Gläubigen aus Basilan wachsen und reifen. Ich möchte wachsen in meinem Glauben, in meiner Geduld, in meiner Dialogfähigkeit und in vielen anderen Tugenden. Ich wünsche mir, daß mich die Frauen und Männer in meinem Wachstum begleiten und unterstützen. Als mir daher der Nuntius aufgrund der gefährlichen Situation in meiner Diözese einen Ortswechsel vorgeschlagen hat, habe ich abgelehnt. Ich laufe vor den Problemen nicht davon. Ich möchte bei den Menschen meiner Diözese sein. Wenn mich der Papst in eine andere Diözese versetzte, würde ich selbstverständlich gehorchen. Ich selbst werde aber von mir aus keine derartige Initiative ergreifen.

diefurche: Was sind die größten Herausforderungen in Ihrer Diözese? Bischof Romulo: Abgesehen von den terroristischen Übergriffen stellt die Armut in weiten Kreisen der moslemischen Bevölkerung die größte Herausforderung für uns dar. Wir haben viele Anstrengungen unternommen, den Armen wirksame Hilfe zukommen zu lassen. Unter den Christen gibt es ein dichtes Netz von Nachbarschafts- und Verwandtenhilfe. Dieses ist bei den Moslems nicht so stark ausgeprägt. Deshalb haben wir auch bei verschiedenen Organisationen in Europa um Unterstützung angesucht. Wir haben verschiedene Hilfsprogramme laufen, die von der Kirche initiiert wurden. Es sind die Moslems, die uns um Hilfe bitten.

diefurche: Muß sich die Kirche auch in politischen Angelegenheiten zu Wort melden'

bischof romulo: Als Kirche müssen wir uns auch in der Politik engagieren, da wir als Christen auch Bürger sind, die in ihrem Staat ihre Aufgaben und Verantwortung wahrzunehmen haben. Davon sprechen auch die Dokumente des Zweiten Vatika-nums. Wir ermutigen die Menschen, ihre Verantwortung wahrzunehmen. Laien haben aus einem christlichen Verständnis heraus in der Politik in besonderer Weise Verantwortung zu übernehmen. Staat und Kirche müssen auf dem Gebiet der Entwicklung zusammenarbeiten. Wir als Kirche haben ein dichtes Kontaktnetz, das auch dem Staat in seinem Einsatz für das Gemeinwohl wertvolle Dienste leisten kann. Von aktiver Teilnahme an politischen Geschäften sollte sich die Kirche aber unbedingt fernhalten.

diefurche: Die Kirche der Philippinen hat wiederholt die Option für die Armen proklamiert bischof romulo: Viele Diözesen haben den festen Willen, diese Option für die Armut auch in der konkreten Arbeit umzusetzen. Dabei kommt es immer wieder zu Schwierigkeiten. Wir beten darum, daß diese Bemühungen und der Einsatz noch verstärkt werden. In meinem Leben als Bischof achte ich beispielsweise auch immer genau darauf, daß meine eigene Lebensweise nicht im Widerspruch zur Option für die Armen steht. So würde ich mich meiner Meinung nach als Bischof unglaubwürdig machen, würde ich mit dem teuersten Auto herumfahren, während die Menschen meiner Diözese ums nackte Überleben kämpfen. Die Option für die Armen bedeutet auch immer ein kritisches In-Frage-Stellen der eigenen Lebensweise.

diefurche: Welchen Weg wird die philippinische Kirche auf ihrem Gang in das nächste Jahrtausend nehmen? bischof romulo: Bei der Zweiten Plenarversammlung der philippinischen Kirche im Feber 1991 gab es den großen Ruf nach Entwicklung christlicher Basisgemeinden. In der Vergangenheit war es üblich, daß sich die Kirche für die Menschen einsetzte. Nun ist man aber dazu übergegangen, die Basisgemeinden selbst so gut zu organisieren, daß sie in der Lage sind, für sich selbst zu kämpfen und Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen. In dieser Hinsicht ist in vielen Teilen der philippinischen Kirche einiges in Bewegung geraten. Meiner Meinung nach könnte in Richtung Selbstbestimmung der Basisgemeinden noch mehr getan werden. Darüberhinaus müßte auch der Dialog mit den Moslems noch forciert werden. Wenn christliche Basisgemeinden gut organisiert sind und effektiv arbeiten, dann kommt das der ganzen Kirche zugute.

Das Interview mit

Bischof Romulo de la Cruz von Isabela führte Matthias Kapeller in Manila.

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