Schwer getäuscht: Kim Jong Il mag ein schrulliger Kauz und ein unbarmherziger Despot sein, aber verrückt ist der nordkoreanische Diktator nicht. Mit seinem Atomwaffenprogramm hat Kim hoch gepokert - und letztlich gewonnen: keine us-Rede mehr von Schurkenstaat, keine us-Drohung mehr, das Land anzugreifen - stattdessen Öl und Wirtschafthilfe für Nordkoreas Versprechen, wieder dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten und seine atomare Aufrüstung zu beenden.
Mehr als diese Garantie für sein Regime wollte Kim nie erreichen. Dass er mit seiner Atommachtdrohung auch noch Japan und Südkorea gefügig machen und seit den 1990er-Jahren massive internationale Hilfslieferungen herausholen konnte, kommt als angenehmer Nebeneffekt dazu. Und sollte sich der Wind später einmal drehen und wieder gegen Kim wenden, wird dieser nicht zögern, und aufs Neue mit dem Bomben-Basteln beginnen.
Angesichts solcher Chuzpe muss den iranischen Politikern die Zornesröte ins Gesicht steigen. Denn wenn es stimmt, dass der Iran sein Atomprogramm nur für friedliche Zwecke nutzen will, ist die von der internationalen Gemeinschaft aufgestellte Drohkulisse eine Frechheit. Und wenn es nicht stimmt, und der Iran tatsächlich an der Bombe werkelt, dann ist es für Teheran trotzdem ärgerlich, dass es ihm im Gegensatz zu Pjöngjang nicht gelingt, den Spieß umzudrehen und vom Getriebenen zum Treiber zu werden.
Bei allem Engagement der Europäer können aber auch beim Iran - so wie bei Nordkorea - allein die usa diese Krise beenden: Denn solange Amerika den Iran nicht als voll akzeptiertes Mitglied der Staatengemeinschaft anerkennt und die iranische Sicherheit in einem gefährlichen Umfeld garantiert, solange ist es für Teheran eindeutig erfolgversprechender, auf die Kim-Methode zu setzen.
wolfgang.machreich@furche.at
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