dürre - © Foto: imago / zuma Press

Klimakrise: Millionen indische Migranten

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Dass im Vorjahr 18.000 indische Migranten in Österreich registriert wurden, sorgte für Irritation. Doch das sei nichts im Vergleich zur indischen Binnenwanderung, meint Migrationsforscherin Paula Banerjee. Ein Gespräch über Klimaschäden und die prekäre Lage der Frauen.

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Dass im Vorjahr 18.000 indische Migranten in Österreich registriert wurden, sorgte für Irritation. Doch das sei nichts im Vergleich zur indischen Binnenwanderung, meint Migrationsforscherin Paula Banerjee. Ein Gespräch über Klimaschäden und die prekäre Lage der Frauen.

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Die indische Wissenschafterin Paula Banerjee wurde durch ihre Forschungsarbeiten über Frauen in Grenzgebieten und das Thema „Frauen und erzwungene Migration“ international bekannt. Sie ist Professorin an der Abteilung für Süd- und Südostasienstudien an der Universität Kolkata und Senior Researcher zu Migration und Zwangsmigration bei der „Calcutta Research Group“. Auf Einladung des Wiener Instituts für Entwicklung und Zusammenarbeit (VIDC) war sie in Wien und hat mit der FURCHE über die Probleme gesprochen, die in Indien aufgrund des Klimawandels entstehen – und die Konsequenzen, die zu ziehen sind.

DIE FURCHE: In Österreich sorgt man sich, dass der Wintertourismus unter dem Klimawandel leidet. Wie sieht man die Klimakrise in Indien?

Paula Banerjee: Sie ist eine Herausforderung für die Ressourcen, für die Gesundheit, für Gerechtigkeit und Frieden. Die Auswirkungen sind schon deshalb enorm, weil Indien eine riesige Bevölkerung hat. Allein 34 Millionen laufen Gefahr, wegen der enormen Hitze von ihrem Zuhause wegziehen zu müssen. Ich komme aus der Region Bengalen, die gleich neben Bangladesch liegt. Bengalen ist die Reiskammer Südasiens. Durch die große Hitze vergangenen Sommer ist die Reisernte zu 90 Prozent im Wachstum beeinträchtigt worden. Und als im Oktober die Zeit der Ernte kam, wurden wir von einem gewaltigen Zyklon und Überschwemmungen überzogen. Das heißt, dass nur die Reichen sich Reis von guter Qualität leisten können. Man kann das Inflation nennen, aber es ist weit mehr als das für Menschen, deren Einkommen mit ihrer Leistung nicht mithält. Gleichzeitig ist es eine Genderfrage, denn wenn es zu Hause eine Schüssel Reis gibt, dann bekommen die Männer und die Buben etwas zu essen, und für die Frauen bleibt nichts übrig.

DIE FURCHE: Ist das ein innenpolitisches Problem Indiens oder ein internationales?

Banerjee: Natürlich ist das ein internationales Problem. Es ist nie ein inneres sozialpolitisches. Klimawandel ist im gängigen, auf Wachstum orientierten Entwicklungsparadigma angelegt. Auch die Frage der Ungerechtigkeit ist ein internationales Problem. Bei der Klimakonferenz COP in Ägypten wurde über die Klimaschäden debattiert. Österreich hat 40 Millionen Euro für die Reparatur dieser Klimaschäden zugesagt, nächstes Jahr werden es 60 Millionen sein. Aber das ist keine milde Gabe, es ist eine Reparationszahlung. Wir haben ein Recht darauf. Ganz egal, ob wir vom Norden oder vom globalen Süden sprechen: Bei den Armen bekommen immer die Frauen am wenigsten zu essen. Die armen Gemeinschaften in der Bronx sind genauso betroffen wie die armen Gemeinschaften in Indien.

DIE FURCHE: Wenn Sie von Ernteschäden in Bengalen sprechen: Sind das zyklische Phänomene oder permanente Schäden, die den Betroffenen kein Leben mehr ermöglichen?

Banerjee: Einige werden auswandern, aber nicht viele. Es ist seltsam, dass international die Auswirkungen des Klimawandels auf den Süden immer in Zusammenhang mit Migrationsströmen in den Norden gesehen werden. Dabei ist der Norden selten das Ziel von Wanderbewegungen. Wenn das Leben in einer Region nicht mehr möglich ist, so ist das nicht nur dem Klimawandel zuzuschreiben, sondern auch dem Entwicklungsparadigma, das diesen Ländern aufgezwungen wird. Dieses Paradigma hat in gewisser Weise mit dem Kapitalismus zu tun. Die Industrien, deren CO₂-Emissionen den Klimawandel mit verschulden, werden privilegiert. Man muss das immer zusammen denken. Man versucht, das zu trennen und jedes Problem in eine eigene Schublade zu stecken, um zu zeigen, dass das nichts miteinander zu tun hat.

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