Knapper Wahlausgang erhitzt die Gemüter

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Mexikos Regierungspartei PRI ist bei den Gouverneurswahlen im Estado de México nur knapp einer blamablen Niederlage entgangen. Von Wahlbetrug spricht der Linkspopulist López Obrador. Das knappe Ergebnis eröffnet einen Konflikt, der noch länger andauern dürfte.

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Mexikos Regierungspartei PRI ist bei den Gouverneurswahlen im Estado de México nur knapp einer blamablen Niederlage entgangen. Von Wahlbetrug spricht der Linkspopulist López Obrador. Das knappe Ergebnis eröffnet einen Konflikt, der noch länger andauern dürfte.

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Alles war bereit für den großen Auftritt in der Zentrale der Partei der "Institutionalisierten Revolution (PRI)" in Toluca im Bundesstaat Estado de México. Ein Zelt für Tausende Anhänger, geschmückt mit Fahnen in den Parteifarben; Speis und Trank, Dutzende Kellner und diverse Musikgruppen von Reggaeton bis zu Mariachis standen bereit zur großen Siegesfeier. Doch die geladenen Gäste tauchten einfach nicht auf. Und auch die Festivität selber wäre beinahe ins Wasser gefallen.

Zwar stellt die PRI auch künftig den Gouverneur im Bundesstaat Estado de México, doch der knappe Erfolg bei den Regionalwahlen am vergangenen Sonntag in dem wichtigen Bundesland schlug der Regierungspartei aufs Gemüt. Vor allem die Linke dürfte aus dem Urnengang Schwung für die im kommenden Jahr anstehenden Präsidentschaftswahlen mitnehmen.

50 Prozent Wahlbeteiligung

Nach Auszählung von 98 Prozent der Wahlzettel lag am Montag der Kandidat der PRI, Alfredo de Mazo, mit 33,7 Prozent der Stimmen knapp vor Delfina Gómez von der linken Partei "Nationale Erneuerungsbewegung". Gómez kam auf 30,8 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp über 50 Prozent. Ein amtliches Endergebnis wird erst erwartet. Und Streit über den Wahlausgang wird es noch länger geben

Daran ist die Wahlbehörde IEEM nicht unschuldig. Bereits kurz nach Schließung der Wahllokale am Sonntag erklärte sie nach einer ersten Hochrechnung de Mazo mit zwei Prozentpunkten Vorsprung zum Wahlsieger. Josefina Vázquez von der rechts-katholischen Partei "Nationale Aktion (PAN)" landete mit nur elf Prozent der Stimmen abgeschlagen auf dem vierten Platz; der Kandidat der sozialdemokratischen Partei der "Demokratischen Revolution (PRD)", Juan Zepeda, schnitt mit 18 Prozent dagegen viel besser ab als erwartet.

Statt der erforderlichen 1800 Wahlurnen hatte die IEEM wegen technischer Probleme für die Hochrechnung auf die Daten von nur 1270 Wahlurnen zurückgegriffen und machte sich und ihre Prognose damit angreifbar.

Trotz des noch keineswegs amtlichen Ergebnisses trat Alfredo de Mazo noch am Sonntagabend vor seine spärlich erschienenen Anhänger und erklärte sich zum Sieger. "Meine Regierung wird eine der Inklusion sein. Es ist der Moment, um für den Estado de México zu arbeiten, für die Einheit, für diejenigen, die uns unterstützt und für jene, die das nicht getan haben; alle sollen Gehör finden."

Nur wenig später reklamierte Delfina Gómez ebenfalls den Wahlsieg für sich. Ihr Parteichef Andrés Manuel López Obrador (kurz: "Amlo") wies die von der Wahlbehörde verbreiteten Zahlen zurück. "Die Informationen der IEEM entsprechen nicht der Realität. Wir werden Wahlbetrug nicht akzeptieren, Delfina Gómez hat gewonnen."

Das knappe Ergebnis eröffnet einen Konflikt, der andauern dürfte. "Wir werden verantwortungsvoll vorgehen. Wir rufen weder zur Konfrontation noch zu Gewalt", sagte López Obrador, erklärte aber auch, dass er das Ergebnis vom Sonntagabend nicht akzeptieren werde. "Dies ist ein abgekartetes Spiel im Stil der PRI."

Am Wahltag selbst gab es nur kleinere Unregelmäßigkeiten. Ingesamt wurden 539 Vorfälle gemeldet, in der Mehrzahl Fälle, bei denen Abstimmungswillige nicht in den Wählerlisten standen oder kein Ausweisdokument vorweisen konnten.

Lokalpolitiker verschwunden

Die wenigen schwerer wiegenden Vorfälle geschahen weit ab von den Wahlurnen. So wurden drei Morena-Lokalpolitiker von Polizisten festgenommen und entführt. Nur einer von ihnen war kurz darauf wieder aufgetaucht. Das Haus eines weiteren Politikers von Morena wurde von Unbekannten beschossen.

Beim Vorwurf Wahlbetrug werden Erinnerungen an die Präsidentschaftswahlen 2006 wach. Damals war López Obrador dem Kandidaten der PAN, Felipe Calderón, mit 0,58 Prozent der Stimmen unterlegen. Amlo lehnte das Ergebnis als manipuliert ab; Anhänger seiner damaligen Partei PRD besetzten, um eine Neuauszählung zu erreichen, monatelang eine der wichtigsten Verkehrsadern der Hauptstadt Mexiko-Stadt. Auch nach seiner Wahlniederlage 2012 gegen Mexikos Präsidenten Enrique Peña Nieto sprach Amlo von Wahlbetrug.

2018 stehen erneut Präsidentschaftswahlen am Plan. Nach derzeitigen Umfragen darf sich Amlo gute Chancen ausrechnen, doch noch mexikanischer Präsident zu werden. Es dürfte die letzte Gelegenheit für den 63-Jährigen sein.

Die Regionalwahlen vom Wochenende galten als Fingerzeig und Stimmungsbarometer. Der Estado de México hat als bevölkerungsreichstes Bundesland mit rund elf Millionen Wählern und als Heimatstaat von Präsident Peña Nieto besonderes symbolisches Gewicht. Die PRI stellt dort seit 87 Jahren den Gouverneur. Selbst eine knappe Niederlage können Morena und Amlo vor diesem Hintergrund als einen eigentlichen Sieg für sich verbuchen. Was an der Niederlage für Morena positiv sei: "Sie kann nicht dafür verantwortlich gemacht werden, den Bundestaat mit einer fragilen Organisation nicht regieren zu können", so Carlos Bravo, Analyst am Zentrum für wirtschaftswissenschaftliche Forschung und Lehre (CIDE), einer renommierten Hochschule. "Amlo hat der PRI in deren Hochburg mit seiner Partei ohne wirklicher lokaler Verankerung einen harten Kampf geliefert."

Machtkämpfe nicht ausgefochten

Geschickt hat sich López Obrador in den letzten Jahren als Verteidiger nationaler Interessen gegen die "Mafia an der Macht" inszeniert, womit er die Kaste um Präsidenten Nieto und dessen neoliberale Reformpolitik meint. Donald Trumps Wahlsieg und dessen anti-mexikanischer Diskurs verleihen Amlo zusätzlich Auftrieb und machen es ihm noch leichter, sich zum einzigen Verteidiger mexikanischer Interessen aufzuschwingen, zumal die Antwort der Regierung Nieto auf die Ausfälle Trumps sehr erratisch ausfiel.

Der knappe Sieg von de Mazo im Estado de México gibt der PRI zwar etwas Oberwasser, da sie eine ihrer Hochburgen verteidigen konnte. Gleichzeitig aber ist der Absturz bemerkenswert. Vor allem, wenn man in Betracht zieht, dass die PRI vor sechs Jahren noch 64 Prozent erreicht hat. Ein Sieg, der nach Niederlage schmeckt. "Nieto geht minimal gestärkt aus diesen Wahlen hervor, sollte aber hinsichtlich 2018 sehr besorgt sein. Heute Nacht kann er ruhig schlafen, ab morgen jedoch nicht mehr", so Bravo. Das Problem von López Obrador ist - es fehlen noch 12 Monate bis zur Präsidentschaftswahl.

Für ihn geht es nun vor allem darum, zum unangefochtenen Kandidaten der mexikanischen Linken zu werden. Dafür muss er die PRD dazu bringen, auf einen eigenen Präsidentschaftskandidaten zu verzichten. Zwar ist bereits jetzt ein großer Teil der PRD-Mitglieder dafür, eine Allianz mit Amlo nicht auszuschließen, aber das gute Abschneiden ihres Kandidaten im Estado de México dürfte der PRD neuen Auftrieb verleihen und damit in gewisser Weise der PRI in die Karten spielen. Und wer zuletzt lacht, lacht bekanntlich am besten.

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