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Köpfe rollen nach oben

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Wer nach den .Urnengängen des letzten halben Jahres in Niederösterreich schon „Köpfe rollen“ sah, sollte recht behalten: Doch nicht der politische Scharfrichter erledigte sein Amt — die „Köpfe rollten“ ausnahmslos nach oben. An der Spitze der „Beförderten“ steht zweifelsohne Innenminister Rösch, dar sich bei den Sozialisten als Wehrexperte und -planer und bei den Niederösterreichern als Gesundheitshüter bekanntgemacht hatte. Den Platz des Alleskönners als Landesrat für das Gesundheits- und Fürsorgewesen nimmt die im vergangenen Herbst erst zur zweiten Landtagspräsidentin gekürte Anni Kömer ein, auf deren Agenden demnächst der SP-Abgeordnete Franz Binder angelobt werden wird. Ahnlich bewegt gibt sich auch die niederösterreichische Volkspartei: Der VP-Abgeordnete Maus wird nunmehr Vizepräsident der niederösterreichischen Landes-Landwirtschafts-kammer und verzichtet dadurch auf seinen Abgeordnetensitz im Landtag. Seine Nachfolge tritt der derzeitige Bundesrat Steinbock an, dessen Platz vom „Milchpräsidenten“ Eder eingenommen wird. Das aber sind die Probleme personalpolitischer Natur, die relativ einfach für Niederösterreich zu lösen sind. Wesentlich mehr Schwierigkeiten gibt es mit ehemaligen Ministern, die man auf Nationalratssitze gehoben hatte: Noch vor dem 1. März bemühten sich die „schwarzen“ Niederösterreicher um die Kandidatur von Koren und Mock, in der Hoffnung, daß diese nach der geschlagenen Wahlschlacht wiederum zu Ministerehren kommen würden und somit zusätzliche Männer in die Bundespolitik eingeschleust werden könnten. Denn man rechnete fest damit, daß Koren und Mock auf ihre Abgeordnetensitze im Nationalrat bei einem Ministeramt verzichten würden. Nun wurde aber diesen Überlegungen ein roter Strich durch die Rechnung gemacht. 1

Dafür revanchierte sich Landeshauptmann Maurer bei Dr. Kreisky mit einem langen Forderungskatalog. Vor allem im Straßenbau — Weiterführung der Südautobahn, Schnellstraße St. Pölten—Krems — und im Schulbau werden die Niederösterreicher der Minderheitsregierung Kreisky ständig in den Ohren liegen: Krems braucht eine neue Handelsakademie,' Mistelbach ein musisch-pädagogisches Gymnasium und Bildungsanstalten für Kindergärtnerinnen werden in St. Pölten und Mistelbach dringend benötigt. Um die Abwanderung aus den Grenzgebieten in einem erträglichen Rahmen zu halten — so Maurer —, müßte der beschleunigte Ausbau des Schnellbahnnetzes, in die Räume Wiener Neustadt und St. Pölten in Angriff genommen werden. Auch den Wasserstraßen wäre erhöhtes Augenmerk zuzuwenden, insbesondere der Stromstrecke Krems— Klosterneuburg, die den Erfordernissen jetzt schon kaum entspricht. Die Soziallsten ihrerseits bedrängen Maurer in Fragen, die noch aus der Zeit der VP-Alleinregderung stammen: Es ist dies die geplante Fusion der ÖMV mit den Stickstoffwerken. Der erwartete Einnahmeentgang^ hat die Sozialisten im Landtag, aber auch ÖVP-Bürgermeister im Erdölgebiet ganz gehörig aufgeregt. Die sozialistische Fraktion will nun von Landeshauptmann Maurer wissen, was er gegen die geplante Fusion unternommen hat. Es wird an Maurer liegen, die geschicktesten Argumente zu finden — denn die Entscheidung ob Fusion oder nicht, liegt gar nicht in seiner Kompetenz. Harte Auseinandersetzungen sind im Landtag im Laufe der Frühjahrssitzungen aber noch vor allem zu den Fragen der Gemeindezusammenlegungen — solche sind, wie aus gut informierten Kreisen verlautet, wiederum geplant — und der Krankenanstalten sowie deren Erhaltung zu erwarten. Nicht zuletzt wird aber das bundespolitische Klima darüber entscheiden, wie sich die Fronten auf Landesebene versteifen oder aufweichen.

Niederösterreich hat aber noch auf einem weiteren Gebiet in diesem Jahr eine echte Neuigkeit zu melden: Als erste aktive Abgeordnete erwartet die Noch-Weltrekordhalterin im Fünfkampf der Damen, Liese Prokop, erneut Nachwuchs. Sie selbst versichert, ebenso wie der VP-Klub, daß die im August bevorstehenden Mutterfreuden keineswegs ihre politische Arbeit beeinflussen oder gar hemmen werden. Wie vor dem Landtagswahlkampf angekündigt, wird sich Prokop nun mehr — nolens volens, möchte man sagen — familienpolitischen Fragen zuwenden.

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