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Was für ein rauschendes Fest! Am 11. Dezember vergangenen Jahres vereinigten sich die bekanntesten Stars und Sternchen aus Film und Fernsehen unter dem Firmament des sozialen Gewissens in St. Petersburg. Sharon Stone, Gerard Depardieu, Alain Delon, Kevin Costner und was der Planet sonst noch alles an Guten zu bieten hat. Sie alle waren eingeflogen aus allen wichtigen Städten des Erdenrunds - in Frack und Robe.

Der Anlass: eine Soiree mit Show einlagen zur Sammlung von Spenden für krebskranke Kinder. Wer hätte da Nein sagen können? Wer hätte da schon abgesagt? Der Hauptakt des Abends war aber nicht, Prominente ihr Sprücherl aufsagen zu lassen.

Der Premierminister Russlands sollte in Szene gesetzt werden. Putin kam also, klimperte eine Strophe eines russischen Volksliedchens am Klavier und sang dann in entzückendem Englisch den Gassenhauer "Blueberry Hill". Welches gütige Herz wäre da nicht vor Rührung zerflossen? Der kühle Russe mit dem brennenden Herz! Sharon Stone war die Erste, die sich erhob, um Applaus zu spenden und Putin Kusshändchen zuzuwerfen und sonstige Gesten der Begeisterung. Ihr folgte die gesamte Riege der Filmhelden aus den vergangenen 20 Jahren. Danach umarmte Putin noch ein putziges kleines Mädchen mit Goldlocken und sang ein Duett: Und wofür? Für krebskranke Kinder?

Der Preis der Einfalt

Ich behaupte, nein. Ich behaupte vielmehr, der einzige Zweck dieser Gala war es, Wladimir Putin als gütigen und von der Welt geliebten Herrscher darzustellen. Ich behaupte weiter, dass der russische Premier mit einem einzigen Telefonanruf bei einem seiner ihm treuen Oligarchen jene Millionensumme für krebskranke Kinder lukriert hätte, die am Ende der illustren Fete stand.

Und ich behaupte, dass sich all jene, die unter welchem Vorwand auch immer nach Moskau einfliegen lassen, um der herrschenden Nomenklatura zuzuklatschen, ihre Funktion als Diener eines halbdemokratischen Regimes erfüllen. Und endlich, dass sie nicht die guten Menschen sind, für die sie sich in solchen Momenten wohl auch selbst halten, sondern bestenfalls gutgläubige Zeitgenossen - von Eitelkeit und Dummheit wollen wir hier gar nicht reden.

Im Teddybären-Land

Inzwischen geht das ganz normale Leben im Lande des Präsidenten mit dem Teddybärenherzen seinen gewohnten Gang. Kritische Journalisten sind Freiwild, freie Medien ein böses Gerücht, unabhängige Gerichte sowieso: Michail Borissowitsch Chordorkowsky wurde in einer Farce von einem Prozess zu acht plus sechs Jahren Sibirien verurteilt. Der ehemalige Vizepremier Boris Nemzow, der gegen das Urteil demonstrierte, wurde zu fünfzehn Tagen Haft verurteilt. Es soll ihm wohl auch als Warnung dienen: Niemand, der gegen den Willen des Herrschers demonstriert, ist sicher.

Doch das System wirkt. Die Damen und Herren Stone, Depardieu und Co. sind ja beileibe nicht die Einzigen, die dem Charme Putins unterliegen. Der deutsche Kanzler Schröder ist ein Beispiel der Wandlungsfähigkeit eines Demokraten. Jetzt gibt er Putins Gasmann. Und was wird der Rest der EU wohl beim nächsten Gipfeltreffen EURussland an der russischen Politik kritisieren? Wir ahnen es. Männer wie Berlusconi werden die Speerspitze der Kritik bilden: Zugabe! Zugabe, Wladimir!

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