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Digital In Arbeit

Kommt die zweite Schöpfung?

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Der Computer wird immer mehr zum Lebenspartner des Menschen - intelligent, selbstlernend und leistungsfähiger.

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Der Computer wird immer mehr zum Lebenspartner des Menschen - intelligent, selbstlernend und leistungsfähiger.

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Vor 25 Jahren begann ein Professor des Instituts für Elektronik und Computerwissenschaften der Universität Berkeley in Cali-fornien, eine seiner „fixen Ideen" auszubauen. L. A. Zadeh - so heißt jener Professor - war unzufrieden mit der einschränkenden, zweiwertigen Ja-Nein-Logik der modernen Technik und Mathematik. Bestimmte Zustände oder Abläufe der Naturwissenschaften, oder besser'unserer Welt im allgemeinen, ließen sich damit nicht korrekt und inhaltlich um-faßend darstellen. Speziell Problem-defmitionen über das Medium der Sprache konnten kaum in eine zweiwertige Logik, in der es nur die Möglichkeit wahr oder falsch gibt, übertragen werden. Unser Kommunikationsmedium Sprache wird durch die Vielfalt der subjktiven Interpretation, der inhaltlichen Elastizität ausgezeichnet. So kann man zum Beispiel sagen: „Das ist wahr; das ist sehr wahr; das ist mehr oder weniger wahr; das ist nicht sehr wahr; das ist nicht wahr."

Die Lösung des Rätsels war ein neuartiges, zum damaligen Zeitpunkt revolutionäres Logiksystem, mit dem sich Dinge oder Sachverhalte ähnlich wie in der Sprache darstellen heßen. Die sogenannte Fuzzy Logic - „fuzzy" heißt in diesem Zusammenhang soviel wie „unscharf" - war geboren.

Mit Hilfe der zur Umsetzung der Fuzzy Logic entwickelten PRUF-Sprache (Possibilistic Relational Universal Fuzzy) lassen sich Inhalte übersetzen, sodaß Maschinen plötzlich mit menschlich-ungenauen Denkabläufen und Handlungsinhal-ten „mithalten" können, sie „verstehen" die ungenauen, gestuften Aussagen unserer Welt. Die Umsetzung in eine Bedeutung lediglich repräsentierende mathematische „Kunst"-Sprache geschah auf die 1967 geäußerte Anregung eines akademischen Kollegen Zadehs, Professor Gel'fand.

Die Automaten, die mit solchen Puzzles ausgestattet sind, können mit Problemstellungen umgehen, die jede andere Maschine hoffnungslos überfordern würden. Ihre Fähigkeit, das „unscharfe" Denken des Menschen zu „verstehen" oder zumindest richtig zu interpretieren macht sie zu überlegenen, gleichsam „intelligenten" Partnern des Menschen.

VERGRÖSSERTES ElNSATZFELD

Die Puzzles finden heute ein sich immer mehr vergrößerndes Einsatz-feld vor. Die speziellen „Fähigkeiten" dieser neuartigen Denkstrickmuster werden beispielsweise in den Benutzeroberflächen moderner Steuerungssysteme eingesetzt. Die sprachliche Orientierung erweist sich hierbei als großer Vorteil, die Steuerung ist nicht mehr nur Sache von hochgezüchteten Professionals, durch die „dehnbare" Auffassungsgabe des Systems kann auch ein re-ativ „Unbewanderter" eine Steuerung übernehmen.

Die Fuzzy werden auch in den Schrifterkennungssystemen der, im letzten Winter auf den Markt gekommenen, Personal-Digital-Assistants (PDAs) verwendet. Die Schriftzeichen werden mittels Spezi-alstift direkt auf ein Eingabefeld mit der Hand geschrieben. Die Buchstaben, die naturgemäß einander nie ganz gleichen, werden vom Rechner eingelesen und „fuzzy" interpretiert. Über Näherungswerte „erkennt" das System die handschriftlichen Zeichen. So erscheint auch ein hingekritzeltes „D" als Schreibmaschinen - „D" auf der Anzeige des PDAs. Die ungenaue Handschrift wird plötzlich genau -„maschinenlesbar" - und entsprechend auch in einer anderen technologischen Umgebung weiter-bearbeitbar.

Die Systeme der Puzzles können und werden im Zusammenspiel mit sogenannten „neuronalen Netzwerken" die Technologie der Zukunft darstellen. Die selbstlernenden, sich selbst erweiternden und anpassenden neuronalen Systeme vergrößern die Fähigkeiten der Fuzzy-Umge-bung in beinahe beängstigende Bereiche.

Sind die derzeit noch im Einsatz befindlichen „Experten-Systeme" im planungsdiagnostischen Bereich (sie enthalten ja schließUch auch „nur" das Wissen eines einzigen Ex-)erten zu einem Thema) relativ un-lexibel, so kann mittels neuronaler Netzwerkstrukturen eine ganze Lawine von flexibel ausgelegtem Wissen losgelöst werden. Die „expert-sy-stems" werden heute in der Erstellung und Planung großer technischer Anlagen für recht unterschiedliche Bereiche, wie zum Beispiel Destillationsanlagen eingesetzt.

SELBSTFÜTTERUNG -

Gelangt das Experten-System mit der steigenden Komplexität einer Problemstellung recht rasch an seine (Leistungs-)Grenzen, so kann das neuronale Netz sich quasi selbst „füttern" - mit größerer Erfahrung steigt auch die „Kompetenz" des Programmnetzes. Ziel der neuronalen Strukturen ist hierbei die Herstellung möglichst realistischer Simulationen sogenannten „menschlichen" Denkens. ,Hier ergibt sich auch wieder eine Überleitung zu den Möglichkeiten der Puzzles. Denn die Unscharfe in der Definition ist nicht immer ein Nachteil. Wie der Mensch entscheidet das System menschlich, indem es Abstufungen erkennt und ausführt, und an den sich ihm stellenden Aufgaben in seiner Erfahrung und Kompetenz gleichsam „wächst".

Die Theorien der Puzzles und neuronalen Netze finden ihre Portsetzung auf dem Gebiet der sogenannten künstlichen Intelligenz (KI). Einstweilen noch an relativ einfachen mechanisch-logischen Objekten arbeitend, träumt der „Gum" dieser Fachrichtung des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA, Rodney Brooks von größeren Apparaturen, denen nicht nur einfache, aus dem Insektenreich entnommene Bewegungs und Reaktionsabläufe als Verhaltensmuster dienen.

Ist heute noch die Phonotaxis -die Maschine bewegt sich zu einer Schallquelle hin - die Höchstmarke der Leistungen kleiner Kl-Systeme, so körmen sich schon unsere Nachfahren auf selbstlernende Haushaltsroboter freuen, die den Toast „ein bißchen bräuner als sonst" machen und sich gleichzeitig auf die Suche nach einem im Wäscheberg im Badezimmer verlorengegangenen Pullover machen ...

„Intelligenz ist körperlich und situationsgebunden", meint Rodney Brooks.

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