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Kontrollierte Freigabe von Marihuana und Coca

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Die Ehre, von den USA als Schlachtfeld im Feldzug gegen den Drogenkonsum in Nordamerika auserkoren zu sein, verwickelt Kolumbien immer stärker in unlösbare Widersprüche. Allein der Gewaltpegel hat eine Intensität erreicht, der anderswo zum Zusammenbruch der Gesellschaft führen würde. Nur die Stoa der Kolumbianer fängt die Dichte der Gewalttaten ab. Pro Jahr sterben in dem südamerikanischen Land (33 Millionen Einwohner) an die 30.000 Menschen eines Gewalttodes - verursacht zum geringsten Teil durch „normale“ Kriminalität, sondern mehrheitlich von Polizei, Armee, Guerilla, Drogenmafia oder paramilitärischen Gruppen. Allein die Polizei verzeichnete in den letzten drei Jahren in ihren Reihen 2.900 Tote.

Nachdem in der vergangenen Re- ffierunff von Präsident Cesar Gaviria Generalstaatsanwalt Gustavo de Greiff das Problem an der Wurzel zu packen suchte (siehe FURCHE 24/1994), für persönlichen Marihuana-Drogenkonsum Straffreiheit dekretierte und für die Legalisierung des Drogenkonsums bei flankierenden Maßnahmen eintrat (was in Washington als Affront verstanden wurde; de Greiff wurde inzwischen ehrenvoll als kolumbianischer Botschafter nach Mexiko abgeschoben), sind es in der seit August amtierenden Regierung von Präsident Samper einzelne Priester, die den Ruf nach Legalisierung aufnehmen.

In der Vorhut dieser Debatte, die in Kolumbien Mut erfordert, steht der Bischof der östlichen Llano-Provinz Guaviare, Belarmino Correa, dessen Tätigkeitsbereich von Drogenbauem, Drogenhändlern und Guerilleros durchsetzt und von den Drogengeschäften völlig korrumpiert ist. Noch deutlicher ist die Stimme des Salesianerpriesters Bernardo Hoyos zu hören, derzeit Bürgermeister der wichtigen karibischen Hafenstadt Barranquilla.

Pater Hoyos, bärtig und meist in einem bunten Sporthemd amtierend, hat sich früher um das Slumviertel Don Bosco gekümmert, wo er die Einwohner zur Selbsthilfe animierte und gegen die korrupte Stadtverwaltung Leistungen für seine Gemeinde herausholte. Dabei wurde er derart bekannt, daß 1992 die Ex-Guerilleros der M-19-Bewe- gung, inzwischen als politische Partei aus dem Untergrund gekommen und legalisiert, ihn als Kandidaten aufstellten. Pater Hoyos gewann die Bürgermeisterwahlen haushoch. Mit Bedauern registrieren die Wähler, daß die Verfassung seine Wiederwahl als Bürgermeister im Oktober nicht zuläßt. Auch Pater Hoyos, mit Tuchfühlung zu den Drogenproblemen, tritt inzwischen für die Legalisierung ein.

Bischof Correa und Pater Hoyos sehen kein anderes Mittel, um die von der Flut der Schwarzdollars genährte Korruption unter Kontrolle zu bringen, als die Mafias durch die kontrollierte Freigabe von Marihuana und Coca zu entmachten.

Solche vernünftigen Stimmen erreichen freilich weder die Regierung noch Washington. Im Gegenteil: Präsident Samper mußte sich gegenüber Washington verpflichten, den Feldzug gegen die Drogen zu intensivieren. Das hat zur Folge, daß der Budgetanteil von Militär und Polizei sich vervielfältigt und heuer bereits 16 Prozent des Gesamtbudgets verschlingt.

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