Mitrovica Wahlkampf - © Foto: Darko Vojinovic / AP / picturedesk.com

Kosovo-Wahl: Fremde Mächte, fremde Interessen, eigenes Leid

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Die Wahlen in der ehemaligen Kriegsregion zeigen die Konstanten der Geschichte des Balkan: Exerzierplatz der Großmächte, Raum ungelöster Widersprüche und Hort nationaler Wahnideen.

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Die Wahlen in der ehemaligen Kriegsregion zeigen die Konstanten der Geschichte des Balkan: Exerzierplatz der Großmächte, Raum ungelöster Widersprüche und Hort nationaler Wahnideen.

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Der ebenso verdatterte wie verdrossene Blick von Aleksandar Vučić sollte im September des Vorjahres über Tage Stoff für Spott in den Sozialen Medien liefern: Der serbische Präsident neben dem Premier des Kosovos, Avdullah Hoti, und US-Präsident Trump, der gerade wieder einmal dabei ist, sich selbst zu loben. Ein Wirtschaftsabkommen hatte Trump die beiden verfeindeten Nachbarn unterzeichnen lassen. Für den bei Eigenlob nie sparsamen US-Präsidenten war das natürlich ein historischer Schritt.
Doch Trump hatte den beiden nicht nur ein Wirtschaftsabkommen mit ordentlich Nachdruck aufgenötigt, sondern hatte im ­allereigensten Interesse noch eine kleine Fußnote an den Vertrag angefügt – und in der verpflichtete sich Serbien, seine Botschaft in Israel nach Jerusalem zu verlegen. Ein politisch waghalsiger Schritt. Schließlich wird die Heilige Stadt nicht nur von Israel beansprucht, sondern auch von den Palästinensern. Die Botschaft dorthin zu übersiedeln, war quasi ein diplomatischer Gewaltakt. Trump hatte die US-Botschaft nach Jerusalem verlegen lassen, und da ihm kein europäischer Staat freiwillig dabei folgen wollte, wurde es jetzt eben den Serben in ein Wirtschaftsabkommen reindiktiert – natürlich ohne sie vorher zu fragen.

Ein kuriose Anekdote aus dem letzten Trump-Jahr, doch was sie auf groteske Weise widerspiegelt, ist der politische Umgang, den ausländische Großmächte seit Jahrhunderten und bis in die Gegenwart mit dem Balkan pflegen. Man verfolgt dort die eigenen Interessen, auch wenn sie oft gar nichts mit dem Balkan und seinen Menschen zu tun haben, nützt die Region als Spielfeld für Großmachtpolitik, benützt dabei nicht nur die uralten Konflikte, sondern heizt sie mutwillig an.

Zerbrechliche Grenzen

Staaten und ihre Grenzen sind auf dem von Krieg und Migration zerfurchten Balkan seit Jahrhunderten höchst zerbrechliche, aber auch explosive Gebilde. Ein Grund, warum nationalistische Wahnideen hier besonders oft und heftig hochkochten. Die Region war immer Durchfahrts­straße und Schlachtfeld für Großmächte, vom Osmanischen Reich über Russland, Österreich-Ungarn bis eben zu den USA.

Mit Bomben und später einer Besatzungstruppe wollte man 1999 den jugoslawischen Gewaltherrscher Slobodan Milošević davon abhalten, die albanische Bevölkerung im Kosovo zu unterdrücken, zu diskriminieren und letztlich zu vertreiben. Was daraus bis heute wurde, ist ein seltsam scheintotes Staatsgebilde, ein Protektorat des Westens, in das die EU viele Milliarden gesteckt hat und in dem die Menschen trotzdem keine Veränderung spüren. Junge Leute, das hört man von Experten, die die Entwicklung des Kosovos seit langem verfolgen, haben nur eine Perspektive: Raus hier. Geblieben dagegen sind, und das seit mehr als 20 Jahren, ausländische Soldaten, Richter und Staatsanwälte und dutzende Hilfsorganisationen. Doch auch sie haben nichts daran ändern können, dass das Land bis heute das ärmste auf dem Westbalkan ist.
Dazu kommt, dass der Kosovo seit Ende des Krieges von einer politischen Elite geführt wird, die sich beim Staatsaufbau vor allem selbst bereichert hat. Und diese Elite hat es auch im Vorfeld dieser Wahlen geschafft, sich den Machterhalt zu sichern. Der einzigen politischen Figur, die tatsächlich grundlegende Änderungen im Land anpeilte, hat man sich mithilfe eines recht fadenscheinigen juristischen Tricks entledigt: Der im Vorjahr als Premierminister zurückgetretene Albin Kurti ist von den nun anstehenden Wahlen ausgeschlossen worden. Die USA, die Kurti lange Zeit unterstützt hatten, haben ihn fallengelassen, auch weil er sich dem politischen Druck, sich mit Serbien auszusöhnen, widersetzt hatte.

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