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Kräfte der Aufkläriung gegen jene der Vorurteile

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Die FPÖ erwartet ein Duell Vranitzky-Haider; die Liberalen sehen einen Wettstreit zwischen Strukturkonservativen und Fortschrittlichen.

Bei der Vranitzky-SPÖ geht‘s ans Eingemachte. Die sind erstmals ernsthaft angeschlagen. Das, was bisher durch die straffe Organisation und die Befehlsgewalt Vranitzkys zugedeckt wurde, bricht nun erstmals auf“ – FPÖ-Gene-ralsekretär Herbert Scheibner ist mit den Ergebnissén der Landtagswahlen vom 13. März und der Ausgangslage für die Nationalratswahl im Oktober nicht unzufrieden. Gelassen bewertet er im FURCHE-Gespräch auch die Ankündigung der SPÖ-Spitze, man werde „den Leuten noch deutlicher als bisher klar machen, wofür die FPÖ eigentlich steht“. Scheibner: „Das ist genau das, was die Bürger nicht wollen. Nämlich das die eine Partei mit der anderen streitet. Die Leute wollen vielmehr die Lösung ihrer Probleme. Und das sind nicht die Eigeninteressen der Parteien.“

Für die kommende Wahlauseinandersetzung erwartet der FPÖ-„General“ daher eine Polarisierung auf das Duell Vranitzky-Haider, bei dem ÖVP-Obmann Erhard Busek keine Rolle spielt: „Danach wird es wohl eine Neuauflage der geschwächten großen Koalition geben. Unsere Perspektive ist der Bundeskanzler nach der Wahl 1998.“

Trotz des Aufwärtstrends („wichtig ist, daß wir in Summe weiter zulegen konnten“) ortet Scheibner auch einige Wermutstropfen: „In Tirol ist es uns nicht gelungen, das gesamte Wählerpotential auszuschöpfen.“ (Wahlziel der FPÖ war es, die SPÖ zu überholen und die absolute ÖVP-Mehrheit zu brechen.) Dies sei auch auf eigene Fehler zurückzuführen, gesteht sich Scheibner selbstkritisch ein: „Bei der zunehmenden Personalisierung in der Wahlauseinandersetzung war es nicht klug, mit Dillersberger und Lugger einen Landtagsund einen Landeshauptmann – Spitzenkandidaten zu bringen.“

„Nicht glücklich“ ist Scheibner hingegen mit der in seiner Partei neuerdings wieder kontro-versiell geführten Debatte über die Haltung der Freiheitlichen zum EU-Beitritt. Speziell die – mehr oder, weniger deutlichen – Pro-EU-Wortmeldungen von Europa-Sprecher Peter Kaprai, Wirtschaftssprecher Erich Schreiner und seinem Generalsekretärs-Kompagnon Karl-Heinz Grasser sind für ihn „voreilige Aussagen, die eigentlich nicht mit dem nach wie vor gültigen Parteitagsbeschluß in Einklang zu bringen sind – nämlich Ja zur EU nur dann, wenn das Verhandlungsergebnis gut ist. Und das Verhandlungsergebnis ist nicht gut.“ Dennoch sei beim EU-Sonderparteitag am 8. April „alles möglich. Es kann ja jeder Delegierte jeden Antrag einbringen.“ Denkbar sei eine klare Festlegung der Partei – pro oder kontra EU-Beitritt – ebenso wie eine Freigabe: „Das Verhalten bei der Abstimmung ist ohnehin eine persönliche Gewissensentscheidung.“

Kein parteiinternes Problem mit der EU-Linie hat hingegen der Klubobmann des Liberalen Forums, Friedhelm Frischenschlager – vielleicht gerade deswegen wollen die Liberalen die EU-Frage als Hauptthema auf ihre (Wahlkampf-)Fah-nen heften: „Österreich muß sich öffnen, die Gesellschaft muß offener werden. Und mit dem EU-Beitritt haben wir dazu alle Chancen, Reformen durchzuführen, die rein innerstaatlich wohl nie zustande kämen.“ Bei allen anderen Parteien gebe es genau aus diesem Grund Widerstände gegen den EU-Beitritt, analysiert Frischenschlager im FURCHE-Inter-view: „Das betrifft die Kammern und die Sozialpartnerschaft ebenso wie geschützte Bereiche der Wirtschaft oder die Landwirtschaft.“

Anhand der EU-Frage – aber nicht nur an dieser – zeige sich eine Kluft, die durch das Land gehe, meint Frischenschlager: „Es gibt einen geistigen Graben zwischen den Kräften der Aufklärung und jenen der Vorurteile. Genauso gibt es eine klare Trennlinie zwischen Strukturkonservativen und Fortschrittlichen, die quer durch Parteien und Institutionen geht.“ Zu den „Kräften der Vorurteile“ zählt der Parlamentarier etwa FPÖ-Chef Haider; zu den Strukturkonservativen Teile der

ÖVP, vor allem aber den Bundes-kanzler: „Wenn sich ein Zug in Bewegung setzt, steigt Vranitzky als Letzter auf den letzten Waggon auf und geht dann langsam bis zur Lokomotive vor, um sich dann an die Spitze zu setzen.“ Dies sei etwa in der Europa-Frage deutlich geworden: „Kreisky stand immer für Offenheit und Veränderung, Vranitzky steht für das Gegenteil.“

Frischenschlagers Analyse der Landtagswahlen als Ausgangspunkt für die Nationalratswahl im Oktober fällt zwiespältig aus: „Die Ergebnisse in Salzburg oder auch in Innsbruck geben Anlaß zur Hoffnung. Aber eines hat sich gezeigt: auch wir können nicht automatisch mit einem Zuwachs durch die mobilen Wechselwähler rechnen, sondern müssen darum kämpfen.“

Gefragt sei daher ein professioneller und solider Wahlkampf: „Wir müssen für Weltoffenheit stehen, gegen den Krenn-Haider-Mief Aber wir haben auch die kritischsten Wähler: eine blöde Aussage oder auch nur ein Stilfehler kann uns entscheidende Wähler kosten!“

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