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„Kultur schlank” ist die Parole

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Durchleuchtung der Betriebe auf ihre Effizienz, Transparenz und Kostenwahrheit sind angestrebt. Durch Kunstsponsoring sollten neue Finanzierungsmöglichkeiten erschlossen werden.

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Durchleuchtung der Betriebe auf ihre Effizienz, Transparenz und Kostenwahrheit sind angestrebt. Durch Kunstsponsoring sollten neue Finanzierungsmöglichkeiten erschlossen werden.

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Die Vorstellung, daß es sich bei der Kunst- und Kulturszene um ein Schlaraffenland handelt, in dem einem die Subventionen nur so in den Mund fliegen, muß wohl endgültig zu den Akten gelegt werden.

Lange Jahre haben wir uns in Zeiten der wirtschaftlichen Prosperität daran gewöhnt, daß die öffentlichen Ausgaben für Kunst und Kultur fast selbstverständlich mitgewachsen sind. Und wenn man das Wien der neunziger mit dem der siebziger Jahre vergleicht, so sticht einem der Unterschied massiv ins Auge: In allen BeTeichen, vom Konzert bis zum Theater, vom Filmangebot bis zum exzentrischen Rockkonzert hat sich das Angebot vervielfacht. Und zwar so sehr, daß man wohl drei Menschenleben brauchte, um die gesamten Kultur-Events flächendeckend zu konsumieren.

War Wien in den Jahrzehnten nach dem Kriege kulturell eher „unterkapitalisiert”, so können wir heute wirklich von einer Urbanen Zone mit dichtem, sorgfältig gestaffeltem Veranstaltungsleben sprechen. Diese ausdifferenzierte Kunst- und Kulturszenerie unbeschädigt zu erhalten, muß vor allem in Zeiten der „Sparpakete” ein zentraler kulturpolitischer Auftrag sein.

Denn die allgemeine wirtschaftliche Lage sowie Indizien aus dem Ausland legen die Vermutung nahe, daß die Quelle mit den Kulturgeldern in Zukunft nur noch mäßig sprudeln wird: In Deutschland wurden die

Etats teilweise so dramatisch beschnitten, daß Infrastrukturen zusammengebrochen sind. Die Schließung des Schillertheaters vor zwei Jahren ist ja schon beinahe zu einem Symbol für ein Versagen der Kulturpolitik geworden.

Auch in Amerika mit seinen völlig anderen Rahmenbedingungen für Kulturförderungen wurde die ohnehin schon bescheidene öffentliche Kulturförderung durch das National Endowment of the Arts (NEA) noch um 30 Prozent gekürzt.Wien darf also, was Subventionen betrifft, weder Berlin noch New York werden. Es geht vielmehr darum, die Lasten der Kunstfinanzierung so zu verteilen, daß nicht die Qualität darunter leidet.

Kunstproduktionsstätten, sei es nun im Theater-oder Musikbereich, in Galerien oder Festivalbüros, neigen, das lehrt die Erfahrung, zur Verselbständigung und Expansion.

Geld nutzbringend einsetzen

„Kooperationen beginnen, sobald sie ins Leben gerufen sind, ein Eigenleben zu führen”, schreibt der Soziologe Gerhard Schulze. „Ihre Rationalität ist auf Überleben ausgerichtet; die Strategien, die sie hierfür einsetzen, - Legitimitätssicherung, informale Beziehungen, institutionelle Verfestigung, wirtschaftlicher Erfolg -sind in einem Fall mehr, im anderen weniger mit kulturpolitischen Zielen gekoppelt. Immer wieder setzen sie sich mit diesen Strategien auch gegen kulturpolitische Kontrollversuche durch.”

Gerade, wenn die Zeiten härter werden, muß die Politik jedoch in umso stärkerem Maße daruf achten, daß die zur Verfügung gestellten Gelder effektiv und nutzbringend eingesetzt werden, vor allem im Bereich der großen Theater- und Opernhäuser, mit ihren in Jahrzehnten und Jahrhunderten gewachsenen unflexiblen Administrationsstrukturen gibt es viele Möglichkeiten, Gelder einzusparen - durch eine effiziente Durchleuchtung der Betriebe mit der Absicht, Transparenz und Kostenwahrheit zu schaffen. Das alles ist in Wien längst passiert und hat, zum Beispiel bei den Vereinigten Bühnen, zu ganz erheblichen Einsparungen geführt, die dann wieder anderen Kulturprojekten zugute kommen. Auch die mutige kulturpolitische Entscheidung, das Ronacher zu privatisieren, war ein Schritt in die richtige Richtuns-

Denn ein langfristiges Überleben künstlerischer Institutionen ist nur dann gesichert, wenn die Betriebe Eigeninitiative entwickeln und, beispielsweise im Bereich des Sponsoring, Finanzierungsmöglichkeiten aufschließen, die in Osterreich bislang zuwenig genutzt werden. Hier ist die Kulturpolitik auch angehalten, durch das Angebot von Kursen und Informationsveranstaltungen den allgemeinen Bewußtseins- und Kenntnisstand zu heben.

Ein besonders schönes Beispiel für ein Sparprogramm, das nicht zu Qualitätsminderung, sondern, im Gegenteil, sogar zu einer, von Medien und Publikum gewürdigten Steigerung der Qualität geführt hat, war die Viennale 95: das Hauptprogramm wurde von rund 250 Filmen auf rund 150 reduziert, und das Rahmenprogramm so gestaltet, daß zwar der Eindruck von Glanz und Glamour, nicht jedoch der von Protz und Prasserei entstand.

Die Strategie, die von der Viennale gewährt wurde, scheint mir auch für andere Kulturbetriebe zukunftsweisend zu sein: Die Apparate sollen schlank und flexibel, die Programme großzügig aber nicht „larger than li-fe” sein.

Wenn es der Kulturpolitik gelingt, in Kooperation mit den Institutionen und Veranstaltern die Parole „Kultur schlank” zu verwirklichen, dann können wir einigermaßen beruhigt in die Zukunft blicken - auch wenn sich der Geldesel nicht mehr so streckt wie bisher.

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