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Linksfront in Dänemark

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Große Ereignisse werfen nicht nur Ihre Schatten voraus, sie können die Zeitgenossen auch zu sehr verschiedenartigen Deutungen verleiten. Das Emde März perfekt gewordene Abkommen über eine politische Zusammeinarbeit zwischen den Sozialdemokraten und der Sozialistischen Völkspartei Dänemarks macht davon keine Ausnahme. In der bürgerlichen Presse bezeichnet man den Tag des Abschlusses als den „teuersten Tag in der Geschichte Dänemarks“, in der Regierungspresse schreibt man dagegen vom wichtigsten politischen Ereignis seit Beginn dieses Jahrhunderts. Fest steht, daß dieses Abkommen für jeden einzelnen dänischen Bürger von großer wirtschaftlicher und politischer Bedeutung werden kann und daß mit ihm ein neuer Abschnitt in der politischen Geschichte Dänemarks beginnt!

Was ist nun das Ungewöhnliche an diesem Abkommen? Wir sind gezwungen, ein paar Jahre zurückzu-schauen. Von einem kurzen bürgerlichen Zwischenspiel abgesehen, regierten die Sozialdemokraten seit Ende des zweiten Weltkrieges mit Hilfe zweier kleiner liberaler Parteien. In der Periode vor den Wahlen, im November, konnte man sich gar nur auf die Stimmen zweier „Wilder“ im Parlament und der beiden grönländischen Abgeordneten stützen. Es war ein ständiger halsbrecherischer Balanceakt. In den Novemberwahlen mußte die Arbeiterpartei weitere Stimmein- und Mandatsverluste hinnehmen, während die Sozialistische Volkspartei von zehn auf zwanzig Mandate erhöhen konnte. Damit gab es im Folketing zum erstenmal eine sozialistische Majorität. Trotz intensiver Bemühungen gelang es Jens Otto Krag und seinen Parteifreunden nicht, eine der bürgerlichen Gruppen für eine Zusammenarbeit in der Regierung zu gewinnen. Doch auch mit den Volkssozialisten kam man zu keiner Einigkeit, da diese einen stufenweisen Abbau der Rüistungslasiten forderten; den jedoch Dänemark auf Grund seiner NATO-Verpflichtungen nicht durchführen kann. Krag war gezwungen, eine Minderheitsregierang zu bilden, die eioe lange Reihe von schweren Aufgaben bei einer denkbar sehwachen parlamentarischen Unterlage zu lösen hatte!

Von den Regierungsgeschäften und internationalen Verpflichtungen allzu sehr in Anspruch genommen, erkannte die Führung der Arbeiterpartei zu spät, daß sich die Sozialistische Volkspartei zu einem sehr ernstzunehmenden Gegner entwik-kelt hatte. Bei der vorletzten Parlamentswahl ging man so weit, den Zusammenbruch und das Verschwinden der SF vorauszusagen, doch Axel Larsen gewann in dieser Wahl mehr als 50.000 Stimmen; in der darauffolgenden Kommunalwahl eroberten die Linkssozialisten wichtige Bürgermeistersitze, und im November verdoppelte man seine Mandatszahl. Eine jüngst durchgeführte Meinungsbefragung ergab, daß sich dieser Trend immer noch hält. Die Sozialdemokraten sehen sich gezwungen, alle Kräfte darauf zu verwenden, den weiteren Vormarsch der Volkssozialisten auf Kosten der Sozialdemokratie zu verhindern. Mit der bisherigen starren Ablehnung jeder parlamentarischen und Regierungszusammenarbeit geht es nicht mehr. Die geplante Einführung einer Mehrwertsteuer von zehn Prozent ohne die Mitwirkung der Volkssozdalisten war undenkbar geworden, sofern man diesem Gegner nicht alle Wahltrümpfe in die Hand spielen wollte. Die dänischen Sozialdemokraten nahmen schweren Herzens zur Kenntnis, daß man die Opposition auf der Linken nicht mehr ignorieren kann. Den Sozialdemokraten Schwedens und Norwegens steht diese Entdeckung noch bevor!

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