Lohn-Dumping bleibt Realität

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nach der Arbeitsmarktöffnung 2011 suchten osteuropäer in Österreich ihr Glück. Vor allem bei Entsendungen entstehen Probleme für die heimische Wirtschaft.

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nach der Arbeitsmarktöffnung 2011 suchten osteuropäer in Österreich ihr Glück. Vor allem bei Entsendungen entstehen Probleme für die heimische Wirtschaft.

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Alte Wunden heilen nicht: Noch immer hegt ein Viertel aller Österreicher Vorbehalte gegen die Freizügigkeit in der EU. In diesem Sinne war der 1. Mai 2011 ein Stichtag. Nach sieben Jahren der Übergangsfristen öffnete Österreich die metaphorischen Tore für Arbeitnehmer aus Osteuropa. Menschen aus acht Ländern, die bei der Osterweiterung im Jahr 2004 der EU beigetreten waren, konnten die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit genießen und ohne spezielle Erlaubnis in Österreich arbeiten. Die Öffnung rief nicht nur Wohlwollen hervor; die Angst vor einem Ansturm auf den Arbeitsmarkt und steigender Arbeitslosigkeit griff um sich. Denn das West-Ost-Gefälle lebt - damals wie heute. Im letzten Jahr verdienten österreichische Angestellte etwa viermal so viel wie ihre Kollegen in Ungarn.

Strafen schwer umsetzbar

Es wundert also kaum, dass es 2011 tatsächlich einen spürbaren Andrang von osteuropäischen Arbeitskräften gab. Während Anfang 2011 noch rund 88.500 Personen aus den Erweiterungsstaaten von 2004 in Österreich arbeiteten, waren es 2016 knapp doppelt so viele. Viele wohnen nicht hier, sondern pendeln zum Arbeiten über die Grenze. 14.700 Ungarn pendelten 2015 allein ins Burgenland.

Befürchtet hatte man mit der Arbeitsmarktöffnung auch die Einfuhr von Billiglöhnen. Um das zu verhindern, wurde ein Gesetz verabschiedet, das hohe Verwaltungsstrafen für diejenigen vorsieht, die weniger Lohn zahlen, als der Kollektivvertrag vorsieht. Lohndumping gibt es -laut Josef Muchitsch, dem Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft Bau-Holz -dennoch. Illegales Lohndumping würde stattfinden, da viele Osteuropäer bereit wären, billiger zu arbeiten.

Vor allem kritisiert er die Entsenderichtlinie der EU, die zum Tragen kommt, wenn eine Firma Arbeiter in ein anderes Land schickt. Derzeit müssten dabei die Lohnnebenkosten des Entsendestaates gezahlt werden, diese sind in Osteuropa meist niedriger als in Österreich "Hier wird EU-Recht missbraucht, um legal billigere Arbeitskräfte am österreichischen Markt anbieten zu können", meint Muchitsch. Österreichische Firmen könnten da nicht mithalten. Über eine Änderung der Entsenderichtlinie wird auch auf EU-Ebene immer wieder diskutiert.

Martin Gleitsmann von der Wirtschaftskammer hingegen warnt vor einer Verschärfung der Entsenderichtlinie: "Auch Österreich ist ein Entsendestaat. Wir sollten der heimischen Wirtschaft nicht schaden." Doch er sieht ebenfalls Probleme beim "Hinüberarbeiten" von ausländischen Firmen nach Österreich. Dabei würden nicht nur bei der Entlohnung Gesetze verletzt; bei einer Kontrolle sei festgestellt worden, dass viele Arbeiter nicht angemeldet waren. Der Strafvollzug gestalte sich bei ausländischen Betrieben schwierig. Unter dem dichten Netz an Gesetzen und den hohen Strafen würden deshalb vor allem heimische Betriebe leiden. Statt neue Gesetze zu erlassen, müsse man bestehende so umsetzen, dass problematische Betriebe gestraft würden.

Wettbewerb unter Zuwanderern

Dass es in Österreich osteuropäische Arbeitnehmer gibt, hat keinesfalls nur negative Seiten. Gleitsmann zufolge seien diese oft hochqualifiziert, da sie sonst am Arbeitsmarkt nicht mithalten könnten. Für viele Berufe werden Ausländer gesucht; auf der Mangelberufsliste des Sozialministeriums finden sich beispielsweise Fräser, Techniker für Maschinenbau und Krankenpfleger.

Doch haben Ausländer Schuld an der Arbeitslosigkeit in Österreich? Eher zeichnet sich ein Wettbewerb unter Einwanderern ab. Laut Muchitsch hätten junge EU-Bürger zwar zuweilen älteren, nicht mehr ganz gesunden Österreichern Jobs streitig gemacht, aber auch bereits integrierten Zuwanderern. "Wir haben erlebt, dass junge, gut ausgebildete Zuwanderer ältere, schlechter qualifizierte verdrängen", erzählt auch Gleitsmann.

Unsicher ist, wie viele osteuropäische Arbeiter in Zukunft ins Land kommen werden. Laut dem Kienbaum-Vergütungsreport von 2016 wird die Lohnschere zwischen Österreich und Osteuropa offen bleiben: In den meisten Nachbarländern im Osten würden die Gehälter gleich stark steigen wie in Österreich. Eine Studie der Immobilien-Beratungsfirma Colliers International zeichnet ein positiveres Bild. Mehr Menschen würden in die Erweiterungsländer zurückkehren als abwandern. Gründe seien steigende Löhne, sinkende Arbeitslosigkeit und relativ geringe Lebenskosten. Tschechien hat mit drei Prozent die niedrigste Arbeitslosenrate im Europaraum.

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