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Ausgerechnet die Fun-Partei FDP sieht sich in eine handfeste Antisemitismus-Debatte verstrickt.

Er oder ich", sagte der Kanzler (was er später abschwächte): Stoiber oder Schröder, Naturweiß gegen (gerichtlich bestätigtes) Naturbrünett. 18 Prozent, sagt FDP-Chef Guido Westerwelle - die will er bei den Bundestagswahlen im Herbst erreichen, was einer Fast-Verdreifachung des Ergebnisses von 1998 gleichkäme. So sieht politische Programmatik heutzutage aus.

Zu ergänzen ist, dass die FDP das Prinzip, nach dem Politik funktioniert, besser verstanden hat als die Konkurrenz: Wer die angepeilten Stimmenanteile als zentrale message bietet, treibt den Showcharakter des Polit-Geschäfts auf die Spitze; die Karikatur zeigt die Realität klarer als das bloße Abbild.

Erfunden hat das "Projekt 18" Jürgen Möllemann, Chef der nordrheinwestfälischen Liberalen und Westerwelles Vize. Vor einem Jahr noch hatte Westerwelle die Idee belächelt, jetzt lässt er sich den 18er in seine Schuhsohlen eingravieren, posiert neben der aufgeblasenen Ziffer und steigt als erster Kanzlerkandidat seiner Partei gegen Schröder und Stoiber in den Ring.

Ein Spiegel-Cover im Mai 2000 war der "Generation Ich" gewidmet. Anlass dafür war das damals überraschend gute Abschneiden der FDP bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen (NRW): Der Erfolg der Liberalen, namentlich ihrer Galionsfigur Jürgen Möllemann, wurde vom Spiegel als Triumph der Spaß-Gesellschaft interpretiert, die - so die These - mit dem Konservativismus der Großeltern genausowenig am Hut habe, wie mit dem Moralismus der Achtundsechziger-Eliten.

Wiewohl erst zwei Jahre her, ist vieles davon schon überholt: Möllemann sieht neben dem frischfröhlichjungdynamischen Westerwelle irgendwie alt aus, der Erfinder hat seinen Meister und den noch besseren Vermarkter gefunden, die "Revolution" hat auch hier ihr Kind gefressen.

Doch Möllemann steht plötzlich wieder über Deutschlands Grenzen hinaus im Blickpunkt des öffentlichen Interesses. Ein ehemaliger Grün-Abgeordneter im Düsseldorfer Landtag syrischer Herkunft, Jamal Karsli, suchte Unterschlupf in der Landes-FDP und wurde dort von Möllemann, nebenbei auch Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft, mit offenen Armen empfangen. Antiisraelische Äußerungen Karslis mit antisemitischen Untertönen, die man noch deutlicher hörte, weil Karsli sie ausgerechnet gegenüber dem Rechtsaußen-Blatt Junge Freiheit abgab, sorgten für Aufregung, Möllemanns Verteidigung für Karsli in ähnlichem Tonfall nicht minder. Westerwelle entschied nach einigem Zögern, dass für Karsli in der FDP kein Platz sei.

Seither ist Feuer am Dach. Zum einen herrscht Wahlkampf, da sind Totschlagargumente wohlfeil; zum anderen ist die Grenze zwischen Israel-Kritik und Antisemitismus tatsächlich eine sehr feine. Dass Karsli, wie er selbst sagt, "völlig auf Seiten der Palästinenser" steht, nimmt nicht wunder. Dass er diese seine Parteinahme unter Verwendung von Vokabeln wie "zionistischer Lobby" gerade einem weit rechtsstehenden Organ anvertraut, ist mehr als problematisch. Möllemann hat zur Deeskalation nichts beigetragen, statt dessen hat er in einem Zeitungsgastkommentar den europaweiten Vormarsch der Rechtspopulisten als "Emanzipation der Demokraten" gefeiert. Nun gibt es an der simplen moralisierenden Antifa-Rhetorik, mit der diesem Phänomen begegnet wird, gewiss genug zu kritisieren - aber "Emanzipation der Demokraten"? Noch dazu in diesem Kontext? Was sollte das sonst sein, als Öl ins Feuer gießen?

Der politische Gegner lässt das willkommene Spiel naturgemäß nicht aus: So einfach hat man es nicht alle Tage, dass man mit besorgter Miene über "antijüdische Tiraden", der Behauptung der Regierungsunfähigkeit der FDP und der Rede von "übelstem Gebräu" sicher auf der richtigen Seite steht. Die Unionsparteien sind verwirrt und beeilen sich, zu Möllemann auf Distanz zu gehen - auf Versuche zur Klärung und Beruhigung wartet man vergebens.

Man muss auch fragen, ob die Reaktionen des Zentralrats der Juden in Deutschland als angemessen zu bezeichnen sind. Selbst die Zeit ortete bei Michel Friedman, Vizepräsident des Zentralrats und CDU-Politiker, einen "gnadenlosen Tonfall". Möllemann konterte, die Äußerungen Friedmans seien geeignet, "antisemitische Ressentiments" zu wecken. Wiederum - jedenfalls in der konkreten Situation - eine Äußerung hart an der Schmerzgrenze; doch wenn Zentralrats-Präsident Paul Spiegel von der "größten Beleidigung" der Juden in Deutschland "nach dem Holocaust" spricht, so ist man auch hier über die Wortwahl irritiert.

Über die Tagespolitik hinaus ist besonders die Tatsache bemerkenswert, dass ausgerechnet die sich mit Westerwelle endgültig als Spaßtruppe profilierende FDP in einer solchen Auseinandersetzung wiederfindet. Wären die Begleittöne nicht so unerfreulich, das Thema so ernst, man möchte es mit Schadenfreude registrieren: Das ganze so sorgfältig-professionell aufgebaute Image droht zu zerbröseln, die Lustigkeit wirkt plötzlich seltsam angestrengt. Als unverbrüchlicher Optimist könnte man gar zum erleichterten Schluss kommen: 18 allein ist doch zu wenig, die Inhalte holen die Politik doch wieder ein.

Oder sind es nur zwei Seiten der selben Medaille? Ist die Inhaltsleere das Vakuum, in das Ungeist aller Art leicht eindringt? Und wer hält hier dagegen: Er oder ich?

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