
Macron gegen Le Pen: Bienvenue Teuerungs-Wahlkampf
Das Ringen um das Präsidentenamt in Frankreich spiegelt relativ exakt die Sorgen der Europäer wider - Inflation und Energiekrise. Emmanuel Macrons Vorsprung schrumpfte zuletzt, nun versucht er, die Kriegskarte zu spielen.
Das Ringen um das Präsidentenamt in Frankreich spiegelt relativ exakt die Sorgen der Europäer wider - Inflation und Energiekrise. Emmanuel Macrons Vorsprung schrumpfte zuletzt, nun versucht er, die Kriegskarte zu spielen.
Unter Frankreichs Rechtsrechten ist Eric Zemmour in den vergangenen Tagen der einzige gewesen, der Rückschläge einstecken musste. In Aix-en-Provence wollte der Scharfmacher wider Frankreichs Immigranten in einem Fußballtrainingszentrum des Weltfußballers Zinedine Zidane ein kleines Match inszenieren – gleichsam nach dem Motto „nationalsportlich in die Präsidentschaft“. Doch als er schon in Kniestrümpfen und Dress am Rasen stand, gellte plötzlich ein Pfiff aus einer Trillerpfeife. Noureddine Zidane, Bruder des Weltfußballers, stürmte den Rasen und rief: „Werft sie raus, werft sie alle raus!“ Den Rest besorgten Zidanes Mitarbeiter und Sicherheitspersonal.
Ein vollkommen perplexer Zemmour ließ dann vor laufender Kamera seiner Enttäuschung freien Lauf: „Wir haben nicht das Recht, hier zu spielen? Das sagt wohl alles!“ Zidane sagte dann doch noch etwas mehr: Dass sein Klub nicht der Tummelplatz für Rechtsextreme sei.
Zemmour liegt auch in den Umfragen derzeit abgeschlagen mit elf Prozent an der vierten bzw. fünften Stelle. Dabei ist der Journalist immer seinen Botschaften treu geblieben. „Ihr gehört nicht hierher“, rief er bei seiner Wahlgroßveranstaltung am Pariser Trocadero in Richtung Immigranten. Vermutlich liegt es aber auch gerade an dieser Kontinuität, dass der Umfrageschwund (minus fünf Prozent seit Februar) bei Zemmour so drastisch ausfällt: Es ist durchaus möglich nämlich, dass Fremdenfeindlichkeit gerade nicht so hoch im Kurs steht bei den Wählern.
National in Front
Im Ganzen gesehen, liegt nämlich die Rechte erstaunlich gut im Rennen. Vor allem die jahrelange Kumpanei der größten rechtsextremen Partei, des Front National, mit dem Kriegstreiber Vladimir Putin scheint nichts an ihrer Beliebtheit zu ändern. Ein ganz ähnliches Phänomen ist ja auch zuletzt in Ungarn und Serbien zu beobachten gewesen, wo am vergangenen Wochenende jeweils prononcierte Befürworter Putins und seiner Diktatur, Viktor Orbán und Alexsandar Vučić, die Wahlen gewannen.
Auffällig ist freilich, dass in allen drei Ländern die traditionelle Fremdenfeindlichkeit in den Wahlkämpfen nur eine Nebenrolle spielte. Viktor Orbán etwa punktete zuletzt im Rennen mit einer massiven Zuschusserhöhung für Pensionisten. Und auch Marine Le Pen, die Chefin der Rechtsextremen, tourt mit einem für ihre Verhältnisse beinahe weichen Programm durch Frankreich. Ihr Slogan, beinahe wie in Ungarn: Soziale Absicherung und Teuerungsausgleich.
Der Kampf gegen die Inflation scheint nun überall in Europa angekommen zu sein. War es schon im Rahmen der Pandemie eine von den Zentralbanken kaum zu kontrollierende Teuerung bis fünf Prozent gewesen, tut nun der Ukrainekrieg ein Übriges. Wie auch die Notenbanken und die EZB hat die regierende Politik dafür wenig Handhabe. Das ist schlecht für alle Regierenden und ein Glück für alle Parteien, die sich in Opposition befinden.
Frankreich macht da keine Ausnahme. Der noch vor wenigen Wochen haushohe Favorit, Präsident Emmanuel Macron, hat seinen Vorsprung auf Marine Le Pen bis auf fünf Prozent eingebüßt. Das wäre weniger als die Hälfte des ursprünglich aus Umfragen errechneten Vorteils von 12 Prozent. Während das im ersten Wahlgang noch geringe Bedeutung hat, könnte es für den alles entscheidenden zweiten Wahlgang dramatische Auswirkungen haben. Denn wenn es nach Umfragen der Denkfabrik Fondapol geht, ist der Frust der Franzosen über die Regierung nach zwei Jahren Pandemie so groß wie selten zuvor. Darunter leidet das gesamte politische Establishment, indem gerade gemäßigte Wähler die Stimmabgabe verweigern und zu Hause bleiben.
80 Prozent der Wähler haben laut Fondapol kein Vertrauen mehr in die Politik. 40 Prozent fühlen sich überhaupt keiner Bewegung mehr verbunden. Wenn es also eine Bewegung in Frankreich gibt, so geht die entweder gänzlich weg von der Politik oder nach rechts. 26 Prozent wollen gar nicht zur Wahl. 46 Prozent der Franzosen haben nach Fondpol angekündigt, einen extrem rechten oder einen konservativ-rechten Kandidaten zu wählen.
Wie sich das für Macron ausgehen soll? Immerhin hat der Präsident seinen Wahlkampf als letzter aller Kandidaten eröffnet. Und zwar gleich mit der Hauptkundgebung. Was die Anhänger seiner Bewegung „La republique en Marche“ zu hören bekamen, hätten sie auch bei der Schlusskundgebung von Le Pen hören können: Schluss mit der Teuerung! Das verkündet auch der Präsident und bereitet ein massives Entlastungspaket vor.
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