Manifest für soziale EU

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Der Streit ums Geld ist , wie in jeder Ehe, nur ein Symptom, nicht die Ursache der Krise. Dass die Briten an ihrem "Rabatt", die Franzosen an der hohen Agrarförderung festhalten, liegt nicht nur an nationalem Egoismus, sondern an der offenen Frage, wie es mit der eu insgesamt politisch weitergeht. Hatte man in Brüssel bislang geglaubt, Erweiterung und Vertiefung gleichzeitig betreiben zu können, so hat Tony Blair klar gemacht, dass seine Regierung, wie immer im Kielwasser der usa, nur eine Freihandelszone, keine politische Union will.

Wer aber eine politische Union will, kann sich nicht um die Frage des Wirtschaftskurses und der Beschäftigungspolitik herumschwindeln. Franzosen und Niederländer haben ja nicht gegen die Verfassung gestimmt, sondern gegen Arbeitslosigkeit, sinkende Reallöhne, steigende Unternehmensgewinne und vage Ängste vor der "Globalisierung". 20 Millionen Arbeitslose in Europa lassen viele am Projekt Europa zweifeln. "Nachdenkpausen" allein sind da zu wenig. Die politische Klasse Europas muss endlich eine Debatte über den politischen Kurs der eu eröffnen, sie muss den Mut haben, das europäische Gesellschaftsmodell als Kontrast zum us-Modell in seinen Grundzügen, als eine Art "Europäisches Manifest", auszuformulieren und eine gemeinsame Wirtschafts-und Sozialpolitik entwickeln, die dieses Modell modernisiert. Blairs Forderung nach neuen Prioritäten - Bildung, Wissenschaft und Forschung, Infrastruktur - sollte dabei nicht gering veranschlagt werden.

Wenn die politischen Eliten zu dieser Formulierung eines neuen Kurses nicht imstande sind, müsste eine europäische Öffentlichkeit - Publizisten, Wissenschaftler, Künstler - diese Debatte eröffnen. Das historische Projekt Europa darf nicht an der Unfähigkeit der politischen Klasse scheitern.

Die Autorin war orf-Redakteurin und Dokumentarfilmerin.

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