Marshall - © Foto: picturedesk.com / brandstaetter images / Votava

Marshallplan – einmalig oder wiederholbar?

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Die vor 75 Jahren in Kraft getretene Wiederaufbauhilfe war eine Erfolgsgeschichte, weil amerikanische Unterstützung und europäisches Know-how zusammenpassten. Funktioniert das Modell auch heute in der Ukraine?

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Die vor 75 Jahren in Kraft getretene Wiederaufbauhilfe war eine Erfolgsgeschichte, weil amerikanische Unterstützung und europäisches Know-how zusammenpassten. Funktioniert das Modell auch heute in der Ukraine?

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Der Marshallplan gilt als das Modell für groß angelegten Wiederaufbau schlechthin. Viele Experten sagen aber, dass der Plan, der von 1948 bis 1952 einen guten Teil des wirtschaftlichen Wiederaufbaus Europas finanziert hat, nicht wiederholbar sei. So meinte der damalige Zeitzeuge und frühere deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt: „Die Marshall-Hilfe war erfolgreich, weil Europa ein gestandenes unternehmerisches Erbe besaß, ein grundlegendes Verständnis für Business, einen hohen Ausbildungsgrad sowie eine hohe Kapazität im Ingenieurswesen.“ Daraus zog er den Schluss: „Sollten diese Voraussetzungen nicht erfüllt sein, kann kein Marshallplan Erfolg haben.“

Dieser Einschätzung schließen sich heute viele an: Für den langjährigen Washington-Korrespondenten Robert Donovan war der Marshallplan (offiziell „European Recovery Program“, ERP) das „Produkt einer seltenen Kombination von Umständen gewesen, nämlich des großen Reichtums Amerikas, der produktiven Fertigkeiten und Naturschätze Europas und der genialen Führungen auf beiden Seiten des Atlantiks“. Diese Meinung teilt auch Eric Frey, wirtschaftspolitischer Kommentator des Standard: Die Europäer, so seine Einschätzung, hätten damals die notwendigen Fähigkeiten mitgebracht, die eine „rasche wirtschaftliche Erholung“ ermöglichten.

Wiederaufbau Richtung EU

Trotz solcher Bedenken wird ein Marshallplan für eine wirtschaftliche Rekonstruktion der Ukraine nach dem Ende des Krieges gefordert – wohl auch, weil die Ukraine die genannten Voraussetzungen mitzubringen scheint. So besteht Heather Conley, Präsidentin des Think Tanks „German Marshall Fund of the United States“ (GMF), darauf, die Planungen für eine Rekonstruktion der Ukraine jetzt in Angriff zu nehmen– auch um dem ukrainischen Volk Hoffnung zu geben. Ins gleiche Horn stieß vor einem Jahr der US-Ökonom Barry Eichengreen, der im britischen Guardian einen Marshallplan für die Ukraine verlangte. Für Megan Greene, Wirtschaftswissenschafterin an der Harvard Kennedy School und Kommentatorin der Financial Times, beruht Europas langfristige Sicherheit auf dem Wiederaufbau der Ukraine.

Neben dem GMF legten auch namhafte Ökonomen der Londoner Denkfabrik „Centre for Economic Policy Research“ (CEPR) einen Plan für den wirtschaftlichen Wiederaufbau der Ukraine vor. Mit der Ankündigung, der Wiederaufbau der Ukraine sei „eine Generationenaufgabe, mit der man jetzt beginnen müsse“, unterstützen auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz einen „Marshallplan für die Ukraine“. Von privaten und staatlichen Investoren sollte die Anschubfinanzierung großer Wiederaufbauprojekte unter höchsten Transparenz-Standards erfolgen. Zur Verbreitung ihres Vorhabens veröffentlichen die beiden einen Kommentar in europäischen Zeitungen. Darin heißt es: Neben akuter Hilfe „müssen wir aber bereits heute an den Wiederaufbau des Landes denken, auch wenn Frieden noch weit weg scheint. Den Aufbau zerstörter Wohngebäude, Schulen, Straßen, Brücken, der Infrastruktur und der Energieversorgung, all das müssen wir jetzt angehen, damit das Land rasch wieder auf die Beine kommt.“

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