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MASSNAHMEN

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Die hochentwickelten Länder haben dies übrigens für sich schon begriffen, und sie bemühen sich, durch geeignete Maßnahmen innerhalb ihrer Wirtschaft das Gleichgewicht herzustellen, das der sich selbst überlassene freie Wettbewerb zu stören droht. So stützen sie oft ihre Landwirtschaft mit Zuwendungen, deren Aufbringung, sie den bessergestellten Wirtschaftssektoren zuweisen. Um ferner ihre gegenseitigen Handelsbeziehungen vor allem innerhalb eines gemeinsamen Marktes zu stützen, bemüht sich ihre Finanz-, Steuer- und Sozialpolitik, den unter ungünstigen Wettbewerbsbedingungen stehenden Industrien in etwa vergleichbare Chancen zu schaffen.

Man darf hier nicht zweierlei Maß und Gewicht anwenden. Was von der Volkswirtschaft gilt, was man unter den hochentwickelten Ländern gelten läßt, gilt auch von den Handelsbeziehungen zwischen den reichen and armen Ländern. Ohne den freien Markt abzuschaffen, rite man doch seinen Wettbewerb in den Grenzen halten, die ihn gerecht und sozial, also menschlich macher Im Austausch zwischen entwickelten und unterentwickelten Wirtschaften sind die Situationen zu verschieden und die wahren Freiheiten zu ungleich. Die soziale Gerechtigkeit fordert, daß der internationale Warenaustausch, um menschlich und sittlich zu sein, zwischen Partnern geschehe, die wenigstens eine gewisse Gleichheit der Chancen haben. Diese selbst ist ein Fernziel. Um sie zu erreichen, sollte jetzt eine wirkliche Gleichheit im Gespräch und bei Verhandlungen geschaffen werden. Auch hier könnten sich internationale Verträge mit einem genügend weiten Spielraum als nützlich erweisen; sie könnten allgemeine Normen und gewisse Preise regeln, könnten gewisse Produktionen sichern, gewisse sich im Aufbau befindliche Industrien stützen. Wer sähe nicht, daß ein solch gemeinsames Bemühen um eine größere Gerechtigkeit in den Handelsbeziehungen zwischen den Völkern1 den Entwicklungsländern positiv helfen würde? Eine solche Hilfe hätte nicht nur unmittelbare, sondern auch dauernde Wirkungen.

Die Hindernisse, die zu überwinden sind:

Noch andere Hindernisse stellen sich dem Aufbau einer gerechteren und nach dem Prinzip einer allgemeinen Solidarität geordneten Welt entgegen: der Nationalismus und der Rassenwahn. Es ist verständlich, daß die Völker, die erst jüngst ihre politische Unabhängigkeit erlangt haben, eifersüchtig auf ihre noch zerbrechliche nationale Einheit bedacht sind und sich bemühen, sie zu schützen. Es ist ebenfalls normal, daß die Völker einer alten Kultur stolz sind auf das Erbe, das ihnen die Geschichte überliefert hat. Aber diese berechtigten Gefühle müssen doch erhöht werden durch eine Liebe, die alle Glieder der Menschheitsfamilie umfaßt. Der Nationalismus schneidet die Völker von ihrem wahren Gut ab. Er wirkt sich dort besonders schädlich aus, wo die Schwäche der Volkswirtschaften vielmehr das Zusammentun von Anstrengungen, Erkenntnissen und finanziellen Mitteln fordert, um die Entwicklungsprogramme zu verwirklichen und den wirtschaftlichen und kulturellen Austausch zu fördern.

Der Rassenwahn ist keineswegs Pachtgut der jungen Völker, wo er sich ab und zu unter den Rivalitäten der Stammesverbände und der politischen Parteien verbirgt, zum großen Schaden der Gerechtigkeit und zur Gefahr für den inneren Frieden. Während der Kolonialzeit wütete er oft zwischen den Kolonisatoren und den Eingeborenen. Er verhinderte so ein fruchtbares gegenseitiges Verständnis und stapelte als Folge vieler Ungerechtigkeiten ein gehöriges Maß an Groll auf. Und noch immer verhindert er die Zusammenarbeit zwischen den Entwicklungsländern; ist ein Ferment der Trennung und des Hasses inmitten der Staaten, wenn sich unter Mißachtung der unaufgebbaren Rechte der menschlichen Person die einzelnen und die Familien ihrer Rasse oder Hautfarbe wegen ungerecht einer Ausnahmeregelung unterworfen sehen.

Diese Situation voll dunkler Drohungen für die Zukunft bedrückt uns zutiefst. Wir hegen jedoch die Hoffnung: schließlich wird sich doch die immer stärker spürbare Notwendigkeit einer Zusammenarbeit, der immer wacher werdenden Sinne für Solidarität über alles Unverständnis und allen Egoismus durchsetzen. Wir hoffen, daß die Entwicklungsländer ihre Nachbarschaft dazu nutzen werden, um in Gebieten, die über die Grenzen reichen, gemeinsame Entwicklungszonen zu schaffen: gemeinsame Programme aufstellen, die Investitionen koordinieren, die Produktion verteilen, den Austausch organisieren. Wir hoffen auch, daß die multilateralen und internationalen Organisationen durch die notwendige Um-organisation Wege finden, die es den Entwicklungsländern möglich macht, aus den Engpässen, in denen sie sind, herauszukommen und in Treue zu ihrem Wesen selbst die Mittel zu ihrem sozialen und menschlichen Fortschritt zu finden.

Wir müssen erreichen, daß eine immer wirksamer werdende weltweite Solidarität es allen Völkern erlaubt, ihr Geschick selbst in die Hand zu nehmen. Die Vergangenheit war zu oft von den Gewalttaten der Völker gegeneinander gekennzeichnet. Möge der Tag kommen, wo die internationalen Beziehungen von gegenseitiger Achtung und Freundschaft geprägt sind, von gegenseitiger Zusammenarbeit, von gemeinsamem Aufstieg, für den sich jeder verantwortlich fühlt. Die jungen und schwachen Völker fordern ihren Anteil am Aufbau einer besseren Welt, in der die Rechte und die Berufung eines jeden mehr geachtet werden. Dieses Verlangen ist berechtigt, jeder muß es hören und darauf antworten.

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