"Mehr Einstiegshilfen für die Flüchtlinge"

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Erhalten Flüchtlinge in Österreich genug Hilfe, wenn es um die Grundrechte Wohnen, Bildung und Arbeit geht? Was die Politik leisten sollte und was nicht, erörtert der Integrationsexperte Heinz Fassmann.

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Erhalten Flüchtlinge in Österreich genug Hilfe, wenn es um die Grundrechte Wohnen, Bildung und Arbeit geht? Was die Politik leisten sollte und was nicht, erörtert der Integrationsexperte Heinz Fassmann.

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Derzeit bestehen in Österreich einige Gesetze, die Flüchtlingen das Leben hier schwer machen. Die FURCHE befragte dazu Heinz Fassmann, Vorsitzender des Expertenrates für Integration im Innenministerium sowie Obmann der Kommission für Migrations-und Integrationsforschung an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Die FurcHe: Integrationsminister Sebastian Kurz hat gesagt: "Die Menschen, die hier bleiben dürfen, müssen einen Deutschkurs-Platz bekommen." Was ist denn mit jenen, für die es noch nicht klar ist, ob sie bleiben dürfen?

Heinz Fassmann: Integrationsmaßnahmen -und auch die Vermittlung von Deutschkenntnissen - machen auch dann Sinn, wenn es eine hohe Wahrscheinlichkeit gibt, dass Asylsuchende hier bleiben dürfen. Wesentlich sind daher rasche Asylverfahren, damit darüber Klarheit herrscht. Ab welchem Zeitpunkt Integrationsmaßnahmen sinnvoll sind? Sobald das Dableiben wahrscheinlich wird. Diese Wahrscheinlichkeit kann man auch an das Herkunftsland von Asylwerbern koppeln. Wer etwa aus Syrien kommt, hat eine hohe Wahrscheinlichkeit, als Flüchtling anerkannt zu werden - da macht es Sinn, mit Integrationsmaßnahmen gleich anzusetzen.

Die FurcHe: Selbst unbegleitete Minderjährige erhalten nur einen Deutschkurs-Platz, wenn sie nicht Asylwerber sind, sondern zumindest subsidiär Schutzberechtigte. Asylwerber haben diesen Status mitunter für zwei, drei Jahre. Welchen Handlungsbedarf sehen Sie?

Fassmann: Daher sollte man bei jedem Asylwerber schauen: Kommt diese Person aus einem Land, wo die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass die Asylgründe geltend gemacht werden können im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention? Falls das der Fall ist, kann und soll man schon vorher mit der Vermittlung von Kursplätzen beginnen.

Die FurcHe: Vielen unbegleiteten Minderjährigen, aber auch erwachsenen Flüchtlingen, fehlt es nicht nur an Deutschkenntnissen, sondern an Basisbildung.

Fassmann: Für unbegleitete Minderjährige müsste es rechtzeitig Fördermaßnahmen geben, denn die Wahrscheinlichkeit, dass diese Person sonst in der Sozialhilfe endet, ist groß. Angesichts der Budgetknappheit sind aber gerade solche Investitionen gefährdet.

Die FurcHe: Andererseits werden Millionen für politische Werbung ausgegeben.

Fassmann: Ja, das stimme ich zu.

Die FurcHe: Deutschkurse für Flüchtlinge werden vom AMS vermittelt. Erst nach Absolvierung des Kurses können sie Arbeit suchen. Halten Sie das für sinnvoll?

Fassmann: Schon, denn ohne ein wenig Deutsch ist eine Vermittlung auf dem österreichischen Arbeitsmarkt nur schwer möglich.

Die FurcHe: Ein vom AMS vermittelter Kursplatz kostet 300 bis 800 Euro. Ist das gut investiertes Geld?

Fassmann: Der Steuerzahler erspart sich langfristig höchstwahrscheinlich viel mehr als nur die Kurskosten, wenn eine Vermittlung in die Erwerbstätigkeit gelingt. Wenn nicht, verlieren Menschen ihre berufliche Qualifikation. Jeder Arbeitgeber ist bei Bewerbungen Langzeitarbeitsloser skeptisch. Daher ist ein rascher Einstieg in die Erwerbstätigkeit wichtig.

Die FurcHe: Die Caritas kritisiert, dass Asylberechtigte nach vier Monaten aus der Grundversorgung fallen und plötzlich auf sich allein gestellt sind. Bräuchte es eine Gesetzesänderung?

Fassmann: Die große Frage lautet: Was passiert, nachdem jemand anerkannt wurde als politischer Flüchtling oder subsidiär Schutzberechtigter? Dann sollte diese Person plötzlich auf eigenen Beinen stehen. Zur Wohnungsbeschaffung, Arbeitsbeschaffung, Informationsbeschaffung bräuchte es ein "Phasing out" aus der Grundversorgung, eine Einstiegshilfe in eine nicht transferabhängige Existenz.

Die FurcHe: Asylwerber dürfen hierzulande nur als Erntehelfer, Saisonniers und Prostituierte arbeiten. Sollte der Arbeitsmarkt für sie geöffnet werden?

Fassmann: Eine schwierige Frage. Das menschenrechtlich abgesicherte Recht auf Asyl möge man nicht zu schnell mit der Arbeitsmigration verquicken. Oft ist die Grenze zwischen Arbeitsmigration und politischer Flucht fließend. Arbeitsmigration orientiert sich an den Interessen des aufnehmenden Staates, Asylmigration an den Interessen der Verfolgten. Diese Unterscheidung ist wichtig und sollte auch stärker bei potentiell Abwanderungsbereiten in den Herkunftsstaaten klar gestellt werden.

Die FurcHe: Welche weiteren Maßnahmen wären zur Förderung der Erwerbstätigkeit wünschenswert?

Fassmann: Die Politik kann den Einstieg erleichtern: Nicht nur mit Deutschkursen, sondern auch durch die Anerkennung beruflicher Qualifikationen. Auch sind Maßnahmen zur Nachqualifikation wichtig. Die Politik soll für strukturell gute und faire Startbedingungen sorgen, den Weg in die selbstbestimmte Existenz müssen die Menschen selbst beschreiten.

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