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Die Aussichtslosigkeit, in absehbarer Zeit zur Regierungsverantwortung berufen zu werden, hat die Freiheitliche Partei Österreichs in der Rolle einer rechten Opposition stabilisiert. Durch dieses scheinbare Verwiesensein in eine Opposition auf Dauer ist das politische Grundkonzept der Partei, ein aufklärerischer und insoweit anachronistischer Liberalismus, vermischt mit einem abstrakten Nationalismus, durch einen Katalog von „Antis“ modifiziert worden. Die Freiheitlichen müssen nach allen Richtungen, wo immer oppositionelle Stimmung sichtbar ist, ihre Reverenz machen. Man verlangt von ihnen nicht, daß sie Gesinnung haben, sondern, daß sie einfach dagegen sind und die Stimme einer Opposition an sich im Parlament darstellen. Die Mischgesinnung der FPÖ macht es oft schwer, sie eindeutig zu bestimmen, weil die Partei nicht für etwas, sondern in erster Linie gegen etwas ist und, will sie bestehen, sein muß. Wenn die Partei auch auf ein Grundsatzprogramm hinweist, ist es doch die Regierung, welche der FPÖ durch ihre Maßnahmen anzeigt, wogegen sie jeweils zu sein hat. Man erwartet sich eigentlich von der FPÖ nichts anderes, als daß sie stets ein VdU, ein „Verband der Unzufriedenen“, ist. Eine Durchsicht der Presse der FPÖ läßt jedenfalls kein eigenständiges Programm erkennen. Auch der letzte Wahlaufruf der Partei ist vom Trauma der Koalition bestimmt. Die Wahlplakate übertreffen in der Einfallslosigkeit sogar jene der Regierungsparteien und weisen lediglich darauf hin, daß man diesmal die FPÖ wählen solle, weil sie eben anders als die anderen zu sein verspricht. Als Akkumulator aller „bürgerlichen“ Widersprüche gegen die beiden Regierungsparteien ist das, was als FPÖ-Politik dokumentiert wird, ein Konglomerat der unterschiedlichen Formen eines „A u s t r o k r i t i z i s m u s“. Freilich fehlt die ätzende Schärfe, mit der etwa die Opposition in der Bundesrepublik die Politik der Regierung ber kämpft. Gerade für die FPÖ ist es tragisch, daß sie in ihrem Verhalten unvermeidbar jene Züge des Österreichischen demonstriert, die man außerhalb unserer Grenzen als Kritizismus und als Raunzerei disqualifiziert. So sehr die FPÖ bemüht ist, alles Österreichische geflissentlich zu übersehen, vermag sie peinlicherweise in ihrem Parteivokabular diese Negation aber nur in österreichischer Eigenart zu formulieren.

Ihrer Tendenz nach ist die FPÖ Jedoch keine österreichische Partei, sondern eine Partei i n Österreich. Von der KPÖ ist sie freilich dadurch unterschieden, daß sie offenkundig nicht ferngelenkt wird.

Die „letzten Deutschen“

Das „Freiheitliche“, seit 1789 allzuoft mißbraucht, wird als ein Freisein von jeder weltanschaulichen Bindung wie von einem österreichisch-eigenstaatlichen Konzept verstanden. Fluchtpunkt des Denkens ist eine Art Austroteutonismus, ein abstraktes Deutschland, das mit Alt-Preußen verwechselt wird. Es ist also ein historisches Deutschland, auf das hin die FPÖ — wie die österreichischen Deutschnationalen überhaupt — fixiert sind. Insoweit sind sie oft „deutscher“ als die Deutschen in der Bundesrepublik, deren Wirklichkeit die sogenannten Nationalen in Österreich durch ein romantisches Modell überdecken wollen. Österreichs „Nationale“ sind die „letzten Deutschen“. Anderseits empfiehlt gerade die FPÖ den Anschluß an die EWG, an eine enge Kooperation nicht nur einzelner Volkswirtschaften, sondern der „Vaterländer“, deren Entwicklung in einer bedenklichen Weise zu einer Aufhebung des Völkischen, das nun eben auch ein nicht wegzudiskutierender Tatbestand ist, zugunsten eines Einheitseuropas im Sinn der Brüsseler Hohen Bürokratie zu führen scheint.

Zudem zeigt sich die deutsche Gesinnung der FPÖ nicht in eigenständigen Deklarationen, sondern jeweils nur in der Alternative. Wenn einmal politische oder wirtschaftliche Maßnahmen getroffen werden, bei denen deutsche (das heißt bundesdeutsche) und österreichische Interessen in Widerspruch stehen, fühlt sich die FPÖ legitimiert, stets den deutschen Part zu spielen. Darin gleichen einander FPÖ und KPÖ: Moskau (Bonn) kann nicht irren. Das grundsätzliche Nein zu allem, was sich als eigenständige österreichische Politik herausbildet, ist die einzige Konstante in der Politik der FPÖ. Aus diesem Grund scheint es grotesk zu sein, wenn gerade die FPÖ auf einem Wahlplakat jetzt „mehr Österreich“ fordert, wiewohl sie doch, wenn sie verhalten ist, Österreich zu sagen, nur Ostmark meint.

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