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Mehrheitswahl: Pro und Contra

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Die zur Diskussion gestellte These bringt klar zum Ausdruck, daß die prinzipielle Änderung des Wahlrechts Mittel zu zwei Zwecken sein soll: zum Umbau des Parteisystems und zu einer bewußten Steuerung des Schicksals unserer Demokratie.

Für kleinere Parteien würde durch das relative Mehrhedtswahilrecht die Chance einer parlamentarischen Vertretung in der Regel gleich Null werden. Nur ein „Fußach“ könnte auf den Wogen lokaler Empörung Vertreter solcher Parteien bis in den Nationalrat tragen. Kleine Parteien, der extremen Linken oder Rechten müßten sich — vielleicht sogar nicht so sehr zu ihrem Leidwesen — auf außerparlamentarische Aktionen beschränken. Als Demokrat muß man aber die Gleichsetzung von kleiner Partei mit extremistischer Partei, so sehr sie sich durah das eine oder andere praktische Beispiel aufdrängt, als eine für alle Zeiten gültige Theorie zurückweisen.

Für die 'beiden großen Parteien würden durch das Prinzip der relativen Mehrheitswahl in der Regel nur zwei Möglichkeiten übrigbleiben: Entweder zu regieren oder zu opponieren. Die Koalition wäre so wie in Großbritannien nur noch ein Aushilfsmittel für Krisenzeiten. Die Rückkehr zu einer Koalition, die nur selbst Ursache von Krisen ist, soll ja gerade durch das relative Mehrheitswahlreoht verhindert werden. Diese These ■ ist nicht zuletzt deshalb beachtlich, weil sie in der „Furche“ aufgestellt wird.

Die Behauptung, daß die Konfrontation . einer regierenden mit einer opponierenden Großpartei zur Orientierung an der demokratischen Mitte zwingt, setzt allerdings nicht nur voraus, daß die regierende Partei am Ruder bleiben will, sondern auch, daß sich die opponierende Partei echt auf die Aufgabe einer künftigen Regierungspartei vorbereitet.

Die Behauptung, daß der Übergang zum relativen Mehrheitswahlrecht den Kontakt zwischen Wählern und Gewählten verbesisert, ist nicht zu widerlegen. Parteiapparate lernen aber auch auf dem Klavier der Persönlichkeitswahl spielen. Der Fernsehkommentator ist unter Umständen ein besserer Stimmenmagnet als ein noch so versierter Politiker. Und über die Frage, wer regieren soll, entscheidet nicht nur die Konfrontation der lokalen Kandidaten, sondern — wie das die letzten englischen Wahlkämpfe beweisen — in überragendem Maß die Konfrontation des amtierenden Premierministers und des um seine Ablöse bemühten Oppositionsführers.

Zur Ehrenrettung 'des österreichischen Wählers muß schließlich gesagt werden, daß er auch beim geltenden Wahlsystem das Schicksal unserer Demokratie seit 1945 sehr bewußt gesteuert hat. Die Kommunisten blieben auch in der Zeit der Nachkriegsnot und der Besetzung eine Minderheit. Die Freiheitlichen, denen 1949 ein geschlossener Block 1945 noch nicht Wahlberechtigter zu einem effektvollen Start verhalf, haben 50 Prozent ihrer damaligen Wähler eingebüßt. Daß der österreichische Wähler zwischen 1949 und 1962 die Gewichte zwischen den beiden Großparteien nur geringfügig verschoben hat, kann man nicht ihm zur Last legen. Wurde doch das Gleichgewicht zum System erhoben, von beiden Seiten die Fortsetzung der Zusammenarbeit versprochen und von keiner Seite, mit Ausnahme der letzten Nationalratewahlen, die Forderung nach einer klaren Mehrheit erhoben.

Bei den nächsten Nationalratswah-len wird der Wähler auch beim geltenden Wahlrecht sehr wohl wissen, für welche Regierung er votiert. Eine klare Mehrheit für die österreichische Vokspartei wird wieder eine ÖVP-Regier,ung bedeuten. Eine klare Mehrheit für die Soziaiiistische Partei würde eine SPÖ-Regierung bedeuten. Und nur eine relative Mehrheit einer der beiden großen Parteien käme einem Zwang zu einer Mehrparteienregierung gleich. Warum sollte diese Steuerung so schwierig sein, wo doch, zum Unterschied zur Zeit der Koalition, vier Jahre lang Gelegenheit besteht, die Leistungen einer regierenden Partei und die von der anderen Partei an ihr geübte Kritik mit den Tatsachen zu vergleichen?

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