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Mende hat es nicht leicht

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Auf dem traditionellen Dreikönigstreffen der badisch-württembergischen FDP war es diesmal etwas schwierig, den bei solchen Anlässen üblichen Optimismus zu zeigen. Wenn auch die FDP eine große Regierungskrise überstanden hat und weiter im Kabinett ist, so sind doch die Zweifel über ihren Kurs eher stärker als schwächer geworden. Niemand weiß mit Sicherheit vorauszusagen, welche Folgen die von der FDP ausgelöste Regierungskrise wahlarithmetisch für sie haben wird. Als Erich Mende in etwas gezwungenem Optimismus auf einer Pressekonferenz meinte, das fünfte Kabinett Adenauer sei stärker als das vierte, erntete er wenig Glauben. Seine Versicherung hingegen, die FDP werde „durch loyale Partnerschaft auf Gegenseitigkeit“ den Beweis für ihre Zuverlässigkeit antreten, klang echt. Allerdings ist das, was Mende loyale Partnerschaft auf Gegenseitigkeit nannte, in den letzten Wochen und Monaten doch sehr problematisch geworden. Darauf zielte bereits die Einschränkung, die Mende im nächsten Satz vornahm, die FDP werde Wachsamkeit gegen jeden erkennbaren Amtsmißbrauch und politisches Pharisäertum, wo immer sie aufträten, üben.

Den Wind ins Gesicht

In diesem Satz ist die keineswegs sehr erquickliche Situation der dritten Kraft im deutschen politischen Leben gut eingefangen. Mende hatte sicher auch recht, wenn er betonte, nach dem Ausscheiden von Bundesverteidigungsminister Franz Joseph Strauß werde die Lage im Kabinett für die FDP leichter sein. Nur darf er sich nicht der Illusion hingeben, daraus Kapital schlagen zu können. Denn die ungünstigen Voraussetzungen haben sich im großen und ganzen für die FDP keineswegs zu ihren Gunsten gewandelt.

Sie bestehen einmal darin, daß die FDP in den Bundestagswahlen 1961 gegen den alternden Kanzler einen Wahlsieg errungen hat, der sich in der Koalition mit ihm ganz sicher nicht wiederholen läßt.

So steht die FDP vor der unangenehmen Lage, bei allen Landtagswahlen selbst dann nach außen hin eine Wahlniederlage erleiden zu müssen, wenn sie gegenüber den letzten Landtagsergebnissen einen Stimmenzuwachs errang. Auch hat sich im Jahre 1962 gezeigt, daß alle Erfolge Adenauer und der CDU zugute kommen, während die FDP der Prügelknabe aller Mißerfolge bleibt, weil sie mit ihrer Koalition die Möglichkeit für Adenauer gab, weiter im Amt zu bleiben. Schon hier zeigt sich eines jener Imponderabilien, die der FDP das Leben schwermachen. Dieses Mißgeschick brachte es mit sich, daß die FDP aus ihrer durchaus konsequenten Haltung im Jahre 1962 keinen Gewinn ziehen konnte. Es ist in der Bundesrepublik weitgehend übersehen worden, daß keiner der vielen Skandale die CDU/CSU dazu bringen konnte, gegen Franz Joseph Strauß vorzugehen, der als Minister in der Weimarer Republik sein Amt sicher ein gutes halbes Jahr früher verloren hätte. Der Gedanke bietet sich geradezu an, daß Strauß noch immer als Verteidigungsminister amtieren würde, wenn die CDU/CSU auch in dieser Legislaturperiode über die absolute Mehrheit verfügt hätte. Es ist für einen Koalitionspartner immer schwierig, den stärkeren Bruder zur Sauberkeit im eigenen Haus zu zwingen. Der FDP hat es den Ruf eines Störenfrieds und Unruhestifters eingetragen, mit dem eine gedeihliche Politik nicht möglich sei, während der CDU/CSU ihr Versagen weiter keinen Schaden gebracht zu haben scheint.

Warum Mende nicht Minister werden will

Die Stellung der FDP in der Koalition wird aber auch, was meist übersehen wird, von dem Schicksal bestimmt, das Konrad Adenauer in der Vergangenheit seinen Koalitionspartnern bereitete. Für den BHE, die Deutsche Partei und für die FDP erwies sich die Koalition als tödliche

Umarmung. Die Minister dieser drei Parteien trennten sich von ihren Parteien und ließen diese in einer Krise zurück, von der sich allein die FDP noch einmal erholen konnte. Auch in der Kabinettskrise des vergangenen Herbstes hat sich Konrad Adenauer lange der Illusion hingegeben, die Vorliebe für das Ministerdasein werde bei seinen FDP-Partnern stärker sein als die Parteidisziplin. Der Schock von 1955, als vier Minister die FDP verließen und eine eigene, die inzwischen ruhmlos verschwundene FVP gründeten, wirkt in der FDP noch heute nach. Er liegt wie ein Trauma über dieser Partei und ist zum Beispiel ein Grund, weshalb Erich Mende nicht Minister werden will.

Die CDU/CSU hat im November zu diesem Schock noch einen weiteren gefügt. In der Tatsache, daß sich die CDU/CSU in den Verhandlungen mit der SPD nicht gescheut hat, das alte, für die FDP tödliche Projekt des Mehrheitswahlrechts aus der Schublade zu ziehen, ist für die FDP ein Zeichen mehr, daß ihr Koalitionspartner in ihr in erster Linie ein Wählerpotential sieht, das er für sich gewinnen möchte. Dieser nur notdürftig verkittete Riß wird in den kommenden Jahren noch deutlicher hervortreten und die FDP eines Tages vor die Frage stellen, ob eine Fortsetzung der Koalition für sie noch sinnvoll wäre. Er wird ganz gewiß bei dem für den Herbst vorgesehenen Kanzlerwechsel eine Rolle spielen. Für Adenauer war die FDP unentbehrlich. Für seinen Nachfolger wird sie es nicht sein. Der von Dufhues im Mai 1962 in erster Linie gegen die FDP geführte Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen zeigte zum erstenmal, daß die kommende Generation der CDU Politiker erkannt hat, daß es in Zukunft wenig Zweck hat, in Wahlkämpfen gegen die SPD anzugehen, deren Wähler kaum zu erreichen sind, daß es aber durchaus lohnend ist, die FDP zu bekämpfen, deren Wähler der CDU die ersehnte absolute Mehrheit bringen könnten. Auch dies ist ohne Zweifel eine Folge der Wahl von 1961. Zum zweitenmal möchte die CDU im Kampf gegen die SPD nicht ihre Wähler an die FDP verlieren.

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