Mit Öfen an einem guten Leben bauen

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In einem Vorzeige-Projekt verhilft die kfb Frauen in Tansania zu mehr Gesundheit. Eine Reportage.

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In einem Vorzeige-Projekt verhilft die kfb Frauen in Tansania zu mehr Gesundheit. Eine Reportage.

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Alle nennen sie Mama Chiku. Nicht nur ihre fünf Kinder und zehn Enkelkinder, auch die jüngeren Frauen im Dorf. Die 64-Jährige ist ihr Vorbild. Chiku Mohammed lebt in Olkokola in der Region Arusha im Nordosten Tansanias. Sie war eines der ersten Mitglieder der lokalen "Energiespargruppe". Die von ihr gebauten Zementöfen sind ihr ganzer Stolz. Auf einem kochen wie fast jeden Tag Bohnen vor sich hin. "Sie sind bald fertig", stellt Mama Chiku beim Umrühren fest. Neben Reis und Bohnen bringt sie für die fünf Enkel, die bei ihr im Haus wohnen, vor allem Ugali, ein Getreidebrei aus Maismehl, auf den Tisch. Mit dem Zementofen gehe es beinahe wie von Zauberhand. "Er heizt schneller und regelmäßiger. Früher verbrannte das Essen oft." Es entwickle sich zudem weniger Rauch und sie brauche so gut wie kein Holz mehr."

Chiku Mohammed berichtet, dass sie auf Briketts umgestiegen ist, und die stellt sie aus Altpapier ebenfalls selbst her. Mit ihrer neu gewonnenen Fertigkeit des Ofenbaus möchte die Großmutter ein kleines Geschäft aufziehen. Fünf Öfen zu je 15.000 Tansania Schilling, das sind gut sechs Euro, habe sie bereits verkauft. Nach Abzug der Ausgaben für den Zement ist der Gewinn noch überschaubar. Doch für Mama Chiku, die jeden Schilling umdrehen muss, ist es trotzdem eine willkommene Aufbesserung ihres Haushaltsbudgets.

Öfen schaffen Einkommen

Gut rechnen, um über die Runden zu kommen, muss auch Elenipa Benjamen. Da ist der Verkauf der Öfen mehr als ein Zubrot. "Ich bezahle mit dem Geld die Schulbücher meiner Kinder." Jeden Schilling, der übrig bleibt, steckt sie in die Errichtung eines kleinen Hauses auf ihrem Grundstück. Die Vermietung von drei Zimmern an Arbeiter solle irgendwann ein regelmäßiges Einkommen schaffen.

Achtsam hegt die 54-Jährige ihre Baumsetzlinge. Alleine der Regen fehlt und so haben die zarten Pflänzchen kaum eine Chance. Dass Bäume nicht nur Feuerholzlieferanten sowie Schattenspender und ein Schutz vor dem Wind sind, lernte Elenipa bei den WODSTA-Workshops. Hier tauscht sie sich mit den anderen Frauen aus: über die Energiesparöfen oder das Wetter, das immer öfter verrückt spielt. "Entweder es ist sehr heiß und trocken oder wir haben so starken Regen, dass alles überflutet wird", klagt die fünffache Mutter. Und der Niederschlag komme viel unregelmäßiger als noch vor zehn Jahren. Das Wasser zum Waschen und Kochen holt sie täglich von einer Station im Dorf. Das bedeutet einen Zwanzig-Minuten-Marsch hin und zurück mit einem 20-Liter-Wasserkanister auf dem Kopf. "Wasser ist für uns eine der großen Herausforderungen."

In Tansania, einem Land, das gut elf Mal so groß ist wie Österreich, leben 57 Millionen Menschen, 80 Prozent davon am Land. Nur ein Bruchteil hat fließendes Wasser und elektrischen Strom, deshalb wird meist auf offenem Feuer mit Holz, Kerosin oder Holzkohle gekocht. Die Frauen atmen ständig Rauch ein. Chronische Bronchitis und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die Folgen. Die traditionellen Drei-Steine-Kochstellen schaden zudem der Umwelt, weil das Feuer mit Kohlendioxid und Ruß zwei starke Klimatreiber in die Luft trägt. Ein weiteres Problem ist die Abholzung der Wälder.

Die von WODSTA ins Spiel gebrachte Lösung ist simpel: Energiesparöfen, die kaum mehr qualmen, damit weniger Schadstoffe freisetzen und den Feuerholzverbrauch drastisch senken. Die "Women Development for Science and Technology Association", kurz WODSTA, verbreitet ihre Mission von erneuerbaren Energien und energiesparenden Technologien in den Dörfern rund um Arusha. Dabei legt sie den Wandel in die Hände der Frauen. Generalsekretärin Lyne Ukio: "In unseren Workshops geht es um Entwicklung, Umweltschutz und neue Technologien. Die Frauen lernen, Zementöfen zu bauen." Teil der Schulungen sei es zudem, mit den Frauengruppen Setzlingsbeete anzulegen. Ukio wird nicht müde, in diesem Zusammenhang folgendes Motto zu wiederholen: "Bevor du einen Baum fällst, pflanze einen neuen." Zum Konzept von WODSTA gehört es auch, dass die Frauen ihre Erfahrungen als Trainerinnen an Nachbarinnen oder Verwandte weitergeben. Für Lyne Ukio ist dieses Verbreiten von Wissen an der Basis das Entscheidende, um eine nachhaltige Entwicklung voranzutreiben.

Beitrag gegen den Klimawandel

Dass die Frauen mit den Energiesparöfen und dem Bäumepflanzen ihren Beitrag zu einer längst fälligen Strategie gegen den Klimawandel leisten, unterstreicht Jackson Muro. Der Experte für Klimafragen und Geschäftsführer einer Entwicklungsorganisation in Tansania ist überzeugt: "Wir müssen die Frauen vorwärts bringen." Schließlich seien sie die Hauptbetroffenen der Wetterextreme wie den zunehmenden Dürren. "Sie sind es, die zurückbleiben, wenn die Männer weggehen, um etwa in einer der Minen zu arbeiten. Die Frauen sind dann alleine für die Kinder, das Vieh und die Felder verantwortlich. Das Land, ihre wichtigste Ressource zum Überleben, gehört ihnen aber meist nicht. Dabei haben sie Rechte. Es gibt Gesetze. Darüber klären wir sie auf."

Frauen geben ihr Wissen weiter

Eine, die um ihre Fähigkeiten weiß, ist Gladness Elibariki. "Seit den Trainings mit WODSTA traue ich mir mehr zu." Die 43-Jährige ist sogar zur Erfinderin geworden. Sie hat eine "Light-Ofen-Variante" entwickelt. "Zement ist teuer. Ich verwende Lehm, der kostet nichts." Die Frauen aus der Nachbarschaft seien sehr interessiert. "Ich bin dankbar für das, was ich bisher erreicht habe und möchte mein Wissen nicht für mich behalten, sondern weitergeben." Ihren Kindern sage sie immer wieder, wie wichtig die Schule sei. "Sie sollen lernen, dann können sie ihre Träume verwirklichen." Das Nesthäkchen der Familie, die siebenjährige Nema, hört aufmerksam zu, als ihre Mutter erzählt. In etwas größerer Entfernung stehen einige Männer aus dem Dorf. Auf die Frage, wie sie mit dem neuen Selbstbewusstsein ihrer Frauen umgehen, kommt keine direkte Antwort. Ihre Meinung zu den Energiesparöfen fällt pragmatisch aus: "Damit geht das Kochen schneller und die Frauen haben mehr Zeit für andere Arbeiten."

Die kfb (Katholische Frauenbewegung) unterstützt WODSTA seit sieben Jahren. Seither wurden Frauen aus sechs Dörfern ausgebildet, die nun selbst Energiesparöfen produzieren und gewinnbringend verkaufen. Zudem baut WODSTA mit ihren Mitgliedern Öfen, Solaranlagen und Biogasanlagen für Schulen und Gesundheitszentren. Seit der Gründung in den 90er-Jahren hat die Organisation schon Zigtausende Frauen erreicht. "Mit unseren Programmen wollen wir die Situation von Frauen und Mädchen in Tansania verbessern. Wir möchten sie stolz sehen. Sie sollen selbstbewusst auf ihren eigenen Beinen stehen, Grund und Boden besitzen dürfen und Geld verdienen. Sie sollen ,Anführerinnen' sein und keine Angst haben, ihren Standpunkt zu vertreten", betont Lyne Ukio.

Mama Chiku, Elenipa Benjamen und Gladness Elibariki sind drei Frauen, die heute ihre eigenen Entscheidungen treffen und die sagen: "WODSTA hat mein Leben verändert.""Es ist beeindruckend, wie sich die Frauen auf die Workshops einlassen und wie sich das auf ihr Selbstwertgefühl auswirkt. Sie nützen die Möglichkeit der Teilhabe und bauen an einer besseren Zukunft für ihre Kinder mit", freut sich Petra Unterberger. Die Tirolerin ist stellvertretende Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreich (kfbö) und überzeugte sich vor Ort, wie die Aktion Familienfasttag dank WODSTA Frauenleben in Tansania verändert. Sie habe auch erlebt, wie der Klimawandel den Alltag der Menschen beeinflusst."Wir brauchen einen Wandel, hin zu mehr Achtsamkeit der Natur -und zwar global." Die kfbö unterstützt seit mehr als 60 Jahren aus Spenden an die Aktion Familienfasttag Partner in Asien, Lateinamerika und Afrika. Heuer lautet das Jahresthema: "Wandel wagen! Gemeinsam für eine Zukunft aus eigener Kraft". Das Erfolgsrezept der Partnerorganisation WODS-TA in Tansania: Frauen zu Energie-Expertinnen ausbilden und mit wenigen Mitteln große Veränderungen in Gang bringen. Weitere Infos unter www.teilen.at

LÄNDERINFO TANSANIA

Ostafrika in seiner pittoresken Form -und als sozialistische Einheit

Mit etwa einer Million Quadratkilometer ist Tansania der flächenmäßig viertgrößte Staat Afrikas. Es hat durch seine verschiedenen Landschaftsformationen die Vorstellung von Afrika geprägt. Sowohl der Kilimandscharo, der höchste Berg Afrikas, als auch Teile der Großen Seen, als auch der Nationalpark Serengeti liegen in Tansania. Das Land wird seit 1964 sozialistisch regiert, allerdings nähert sich die Regierung zunehmend dem Westen an. Die Menschenrechtslage ist vor allem für Frauen, Mädchen und Minderheiten prekär. Arusha ist eine der Provinzen, die im Norden an Kenia grenzt. (tan)

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