Werbung
Werbung
Werbung

Ex-EU-Kommissarin anna diamantopoulou betonte in Alpbach,

dass der EU-Arbeitsmarkt mit China und Indien mithalten müsse. Mehr Flexibilität sei dafür nötig - aber auch mehr Sicherheit.

Die europäische Wirtschaft durchläuft gerade eine Periode der Stagnation. Besonders die Beschäftigungslosigkeit bleibt ein großes Problem für die Mitgliedsstaaten - und das in einer Zeit, in der neue, mächtige Staaten wie China und Indien immer wettbewerbsfähiger werden: 40 Prozent aller Fernsehgeräte weltweit kommen aus China, 50 Prozent aller Kameras, 70 Prozent aller Kopiergeräte und 90 Prozent aller Kinderspielsachen. Es geht also nicht nur um die arbeitsintensiven Industrien. Vielmehr lassen alle Arten der Fertigungsindustrien mittlerweile in China produzieren. Das hat natürlich dramatische Auswirkungen auf die europäischen Arbeitsmärkte. Es gibt Übereinstimmung darüber, dass man in Europa ein neues Arbeitsmarktmodell braucht. Wir brauchen Reformen. Und die politische Grundlage dieser Reformen ist die gleichzeitige Fokussierung auf Flexibilität und Sicherheit. Politische Strategien, die ein Gleichgewicht herstellen wollen zwischen beiden, nennen sich Flexicurity. Die Hauptbotschaft besteht darin, dass Flexibilität und Sicherheit nicht unverträglich sind, sondern sie sollten als zwei Seiten derselben Medaille betrachtet werden. Flexible Arbeitsmärkte benötigen mehr, nicht weniger Sicherheit.

Sichere Arbeitsmärkte können ohne eine gewisse Art der Flexibilität nicht erreicht werden. Um diese Flexicurity zu erreichen, gibt es vier Themen, die zur Implementierung nötig sind: Einstellung und Anwerbung von Arbeitskräften, Mobilität auf nationaler und europäischer Ebene, Arbeitsbedingungen - also neue Modelle der Arbeitsorganisation und Investitionen in Humanressourcen, und Entlassungen.

Einstellung und Entlassung

Es gibt zum Beispiel Hinweise darauf, dass die Einstellung von Mitarbeitern schwieriger ist, wenn die Entlassung schwierig ist. Wenn die Entlassungen einfacher sind, steht es aber mit der Arbeitssicherheit nicht so gut. Wir müssen uns also mit Mobilität und Entlassungen auseinander setzen. Die Arbeitnehmer brauchen Sicherheit. Sie brauchen Zugang zum Arbeitsmarkt, und sie dürfen nicht zu den Opfern der Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt werden. Die Voraussetzungen für Veränderung dieser vier Grundelemente müssen alle Mitgliedsstaaten berücksichtigen, damit sie bei diesen Reformen erfolgreich sein können. Diese Voraussetzungen sind:

" Reformen bezüglich der Beschäftigungsdienste: Sie sollten die Ansprüche der Unternehmen ebenso berücksichtigen wie die Qualifikationen. Qualifikationen, für die Nachfrage besteht, müssen entsprechend hervorgehoben werden.

" Stärkung der Beschäftigung, nicht der Arbeitslosigkeit: Nationale Strategien und Aktionspläne müssen Hand in Hand gehen mit regionalen und lokalen Plänen. Es müssen Schulungspläne erstellt werden, damit die Wachstumsoptionen und Besonderheiten jeder Region berücksichtigt werden können. Wir haben es lange Zeit mit Arbeitslosigkeitspolitik, nicht mit Beschäftigungspolitik zu tun gehabt.

Protektionistische Systeme

" Nationale Vereinbarungen, durch die sowohl der staatliche als auch der private Sektor Verpflichtungen eingehen. Sie müssen zum Beispiel in Humankapital investieren, damit rasch auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes reagiert werden kann.

" Die Sozialversicherungssysteme müssen berufsspezifische und geografische Mobilität vorsehen - von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz und von Standort zu Standort, sonst werden sie zu einem Hindernis für den Arbeitsmarkt. In den meisten Mitgliedsstaaten ist es so, dass diese Mobilität nicht funktioniert - die Arbeitnehmer müssten ihren Arbeitsplatz alle zwei bis drei Jahre verändern, aber die Sozialversicherungsträger ziehen nicht nach, sie geben den Arbeitnehmern nicht die Möglichkeit, ihre sozialen Rechte auch mitzunehmen.

Diese Voraussetzungen sind notwendig, wenn wir über Arbeitsmarktreformen sprechen. In vielen Staaten haben wir ein protektionistisches aber nicht immer erfolgreiches System für die Arbeitnehmer und die Wirtschaft. Das muss sich ändern, denn wir leben längst in einer Zeit der Globalisierung - Flexicurity ist nicht nur ein politisches Konzept, sie ist eine notwendige Herausforderung für uns alle. Nicht nur für Politiker und Sozialpartner, sondern auch für Staatsbürger und Staatsbürgerinnen.

Die Autorin ist sozialdemokratische Abgeordnete zum griechischen Parlament und war von 1999 bis 2004 eu-Kommissarin für Beschäftigung und Sozialpolitik.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung