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Mobutus Reich vor dem Zerfall

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Zaire: zuerst ausgebeutet, dann überstürzt in die Unabhängigkeit überlassen, schließlich von einem vom Westen hofierten Despoten gänzlich zugrundegerichtet.

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Zaire: zuerst ausgebeutet, dann überstürzt in die Unabhängigkeit überlassen, schließlich von einem vom Westen hofierten Despoten gänzlich zugrundegerichtet.

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Die Stammesfehden zwischen Hutu und Tutsi in.Buanda und Rurundi, die seit zwei Jahren in immer neuen gegenseitigen Massa kern eskalieren, haben auf Zaire übergegriffen und drohen, den ohnehin labilen Kongostaat zum Einsturz zu bringen - in den 36 Jahren der Unabhängigkeit nicht zum ersten Mal.

Seit 1876 hatte König Leopold II. von Relgien das Gebiet am Kongofluß quasi als sein Privateigentum erforschen und ausbeuten lassen, es aber nach internationalen Protesten gegen die Sklavenhaltermethoden und nach totaler Pleite als Kolonie an Relgien übergeben müssen. 1920 kamen auch die westlichsten Teile Deutsch-Ostafrikas - Ruanda und Rurundi - als Mandatsgebiete des Völkerbundes unter belgische Verwaltung.

Als sich auch hier nach dem Zweiten Weltkrieg die Einwohner gegen die Kolonialherrschaft auflehnten, entließen die Belgier überstürzt mit 1. Juli 1960 das Land in die Unabhängigkeit.

Bei den ersten Wahlen errang die Nationalbewegung unter Patrice Lu-mumba keine klare Mehrheit, ebensowenig aber die Abakopartei unter Joseph Kasawubu. Lumumba wrurde unter belgischem Druck Ministerpräsident, das Parlament wählte Kasawubu zum Staatspräsidenten. Damit begann aber auch schon der Bürgerkrieg.

Meutereien der einheimischen Ordnungstruppe gegen die belgischen Offiziere, Mord, Brandschatzungen, Vergewaltigungen gegen Weiße - in den ersten zehn Tagen verlassen 15.000 Europäer den Kongo. Und dann erklärt Moise Tschombe die rohstoffreiche Provinz Katanga zum unabhängigen Staat.

Belgische Soldaten intervenieren in Katanga - wer hat sie gerufen? Die Zentralregierung bittet um UN-Schutz. Lumumba wendet sich an die Sowjets. Während die Blauhelme Katanga besetzen, läßt Lumumba seine Soldaten Jagd auf belgische Fallschirmjäger machen. Kanadische und marokkanische UN-Soldaten werden massakriert. Die UN-Truppe

Foto Reiter erhält Schießbefehl.

Im Februar 1961 entläßt Kasawubu Lumumba — dieser wird verhaftet und erschlagen. Im September versucht UN-Generalsekretär Dag Ham-marskjöld in Katanga zu vermitteln -sein Flugzeug stürzt über Nordrhodesien ab. Die Ursache wird nie festgestellt.

1964 ziehen die Blauhelme ab -nun putschen kommunistische Bebellen gegen die Zentralregierung. Diese holt Tschombe aus dem Exil zurück, Kasawubu macht ihn zum Ministerpräsidenten der Zentralregierung. Diese ruft Belgien und die USA zur Hilfe gegen die Bebellen und diese setzen alle Europäer in ihrem Bereich als Geiseln fest. Bei der Entsatzaktion belgischer Fallschirmjäger werden 2.000 befreit - 80 kommen ums lieben. In Stanleyville (heute Kinsangani) werden 8.000 Einheimische von den Bebellen ermordet.

Im Oktober 1965 setzt Präsident Kasawubu den Ministerpräsidenten Tschombe ab - aber nun putscht der Chef der Nationalarmee, Joseph Mo-butu. Er macht sich selbst zum Staatschef und erklärt für fünf Jahre den Ausnahmezustand.

Mobutu - seit 1972 Mobutu Sese Seko - herrscht selbstherrlich: Seine „Bevolutionäre Volksbewegung” ist die einzige Partei im Land, das nun Zaire heißt. Eine neue Verfassung will das Land, in dem 150 Völkerschaften leben, zum Einheitsstaat machen. Immer wieder meutern Truppen, deren Sold ausbleibt, dringen Freischärler über die Grenzen von Angola oder Bhodesien nach Zaire ein. Aber Mobutu legt seinen „Notgroschen” in Millionenhöhe in der Schweiz an.

1978 müssen erneut Fallschirmjäger aus Belgien und Frankreich angefordert werden, um eine Bebellion niederzuschlagen. In Kolwezi werden 200 Europäer massakriert.

Seit 1994 schaffen die Flüchtlinge aus Buanda und Burundi in den östlichen Gebieten von Zaire unlösbare Probleme. Eine Million Menschen ist vom Verhungern bedroht, während Tutsi-Bebellen und ruandische Soldaten die zairischen Truppen zurückdrängen und Hutu-Milizen von Europa und Südafrika aus über Kinshasa mit Waffen versorgt werden. Mobutu, krebskrank, kündigt an, aus der Schweiz heimkehren zu wollen ...

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