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Digital In Arbeit

Muß wirklich immer alles Gute nur von oben kommen?

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Es ist erstaunlich, mit welcher Hartnäckigkeit Verlage immer wieder beim Übersetzen eines guten Titels, hoffentlich gegen den verzweifelten Widerstand der Übersetzer, einen echt populären „Zei-tungs”-Titel für ihre Bücher zu finden suchen. „Ist die Erde noch regierbar?” („The Capacity to Govern”) ist so ein aufgepropfter Titel. Die Erde war noch nie regierbar und es wird wohl auch nie eine zentrale Regierung nach dem Schema einer Nationalregierung geben, welche sie regiert. Die UNO war und ist als Weltparlament konzipiert. Dror beschäftigt sich darüber hinaus vor allem mit der Unfähigkeit der aktuellen Regierungen, die im globalen Dorf an sie herantretenden Herausforderungen zu bewältigen. In der Weiterführung des Themas stellt er sich in der zweiten Hälfte die Aufgabe, „neue Formen für die Regierungstätigkeit zu finden”, und hier kommt er dann schon auch auf das Problem einer Weltregierung.

Dror geht sehr systematisch und gründlich vor. Seite für Seite beschreibt er alle Einzelheiten der primären ebenso wie der sekundären Problematik. Immer wieder trifft man dabei auf Neues und Interessantes, doch finde ich die Methode ein wenig gefährlich. So hätte ich, nach drei Seiten von sorgfältigst ausgewalztem Altbekanntem, fast eine Seite mit einer wirklich aufschlußreichen Darstellung einiger der Wurzeln unseres Regierungsverständnisses übersprungen. Der Mensch ist unmoralisch und muß vom Herrscher in Zaum gehalten werden, sagten so ungefähr die griechischen Lega-listen bereits 300 Jahre vor Christus. Der Mensch sei ein

Wesen, das imstande sei, sich moralisch zu vervollkommnen, Staat und Herrscher existierten um der Menschen willen, sagte schon etwas früher Konfuzius. Doch erleichtert Dror die Lektüre mit periodischen Zusammenfassungen des Gesagten. Zu kursiv herausgehobenen Absätzen wie „Eine Weltregierung braucht vor allem die Fähigkeit, entschlossen zu handeln” gibt es ein Aha-Erlebnis und es läßt sich besser darüber meditieren als zu seitenlangen Aufzählungen.

Die überwiegende Konzentration auf das, was eine Regierung angesichts kritischer Situationen im In-und Ausland eventuell tun soll, wertet leider die an sich doch leicht feststellbare demokratische Entwicklung der öffentlichen Meinung und ihre Ursachen etwas ab. Hinsichtlich der Dritten Welt etwa, der Notwendigkeit für reiche Länder, zu helfen und der Gefahr, daß die Bevölkerung über den demokratischen politischen Weg eventuelle Bemühungen bremst, vergißt er, daß ein relativ großer Teil der

Bevölkerungen der westlichen Länder in den vergangenen Jahrzehnten an sich zu solcher Hilfe bereit war. Negative Ergebnisse der Entwicklungshilfe haben zu großem Mißtrauen geführt. Das zeigt, wie sehr politische Entscheidungen letzten Endes mehr durch vielfältiges Feedback zwischen Regierung und Bevölkerung bestimmt werden, als, wie Dror verlangt, durch Entschlüsse von in speziellen Akademien ausgebildeten Regierungsmitgliedern. Worüber wir uns zumindest insofern freuen können, als wir, nach Meinung Drors, durch die Einführung der Politischen Akademien bereits einen gewaltigen und vorbildlichen Schritt in die gute Richtung getan haben. Wir merken die Erfolge im innenpolitischen Alltag ebenso wie bei unserem Auftreten auf dem internationalen Parkett.

Immer wieder stört die Beschränkung auf die Analyse des Ist-Zustands. Von daher wird nämlich ein Soll-Zustand definiert, der in dieser Logik nur durch eine lang und breit erklärte vorbildliche Regierung herbeigeführt werden könnte. Bei allem Klugen, das von Dror immer wieder gesagt wird, scheint mir sein Buch vor allem das herauszuarbeiten, was mit großer Wahrscheinlichkeit so nicht kommen wird und auch nicht kommen soll.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, eine dieser Prestigepublikationen vor sich zu haben, die, mit Subventionen (Circulo de Lectores, Bertelsmann-Konzern, Stiftung der Banco Bilbao Vizcaya und Exekutivkomitee des Club of Rome) herausgebracht, nolens volens von öffentlichen Bibliotheken gekauft werden, wo sie dann kaum gelesen werden. Tonnen über Tonnen von Papier, schließlich muß man zeigen, daß man was tut für sein Geld. Der Club of Rome hat damit schon besseres getan.

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