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Nach EU-Beitritt Neue Perspektiven?

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Österreich hat sich für die EU entschieden. Welche Schwerpunkte ergeben sich daraus für seine Politik? Ein Sammelband stellt Überlegungen an.

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Österreich hat sich für die EU entschieden. Welche Schwerpunkte ergeben sich daraus für seine Politik? Ein Sammelband stellt Überlegungen an.

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Nur noch fünf Jahre bis zur Jahrtausendwende, und welche Fülle von Aufgaben stellt sich in dieser kurzen Zeit für Österreich im Rahmen des geeinten Europas! Es gilt, den Wandel der Dinge als Chance aufzugreifen und zu nützen.

Die für 1996 vorgesehene Reform der Europäischen Union soll dazu beitragen, die Stellung des alten Kontinents zwischen den USA und Ostasien zu festigen. Österreich, bald Mitglied der EU, wird umgehend seine Politik für diese neue Ära vorzubereiten haben. Was darunter konkret zu verstehen ist, kann man der Festschrift für Alois Mock zu dessen 60. Geburtstag entnehmen, in der zahlreiche Autoren die vor uns liegenden Aufgaben umrissen haben.

Das Ziel der österreichischen Außenpolitik ist die Sicherheit in einem neuen politischen Umfeld, betont Andreas Khol, Außenpolitiker der ÖVP; die

Neutralität sei nicht Grundlage, sondern Mittel der Außenpolitik. Es gehe um die Schaffung einer umfassenden europäischen Friedensordnung, die auf der EU und ihrer transatlantischen Zusammenarbeit beruhen muß. Die von den USA im Rahmen der NATO eingeleitete Partnerschaft für den Frieden kann, so Khol, die Basis bieten für die Einbeziehung der neuen Demokratien in eine europäische Friedensordnung und sie kann zugleich das Verhältnis zur Russischen Föderation integrativ und nicht ausgrenzend gestalten. Auch Bundespräsident Thomas Klestil sieht in dieser Initiative einen bedeutenden Schritt in Richtung eines gesamteuropäischen Sicherheitssystems, bei dem eine Antagonisie- rung Rußlands vermieden werden kann.

Zu dieser neuen europäischen Ordnung kann Österreich auch als kleines Land beitragen, und zwar auf Gebieten,’auf denen es dank seiner Tradition und seiner geographischen Lage dazu besonders berufen zu sein scheint: in der Eingliederung der osteuropäischen Staaten, in der Funktion der Regionen im künfti- gen Staatenverbund und in der Wahrung von Grund- und Menschenrechten. Daß kleine Länder in der Europäischen Union eine durchaus wichtige Rolle spielen können, legt der frühere belgische Ministerpräsident Wilfried Martens aufgrund der Erfahrungen seines Landes dar. Sie sind es, die oft die Gedanken einbringen, auch wenn es dann die großen Länder sind, die den notwendigen Impuls zur Verwirklichung geben. Auch darin kann der Föderalismus in der Europäischen Union liegen, auf den neben anderen Otto Habsburg-Lothringen besonders hinweist.

Im Vertrag von Maastricht sind die Regionen als Akteure in der EU anerkannt; nun gilt es jedoch, die Möglichkeiten ihrer Einflußnahme auch der Bedeutung anzupassen, die ihnen beim Aufbau eines von der Basis getragenen Europas zukommt, betont der Salzburger Landeshauptmann Hans Katschthaler. Deshalb wird angestrebt, schreibt Herbert Schambeck, Vizepräsident des Bundesrates, die vorläufig nur beratende Funktion des Regionenausschusses der EU zu einem Mitentscheidungsund Initiativrecht auszu- bauen. Österreich könnte somit dafür, freilich nur nach gewissenhafter Vorarbeit, in Brüssel eintreten und dabei auf die erfolgreiche Zusammenarbeit in der Arge Alpen- Adria und der Arge Donauländer, in der Arbeitsgemeinschaft europäischer Grenzregionen und in der Bodenseekonferenz hinweisen.

Südtirol erwartet von

der österreichischen Mitgliedschaft eine noch engere Verbindung mit Nord- und Osttirol, wodurch die Staatsgrenze für die Menschen dieser Region weniger fühlbar werden kann. Südtirol wird auch als Musterbeispiel dafür angeführt, wie der Schutz von Volksgruppen und sprachlichen Minderheiten erreicht und gewährleistet werden kann. Noch ist auch der Himmel Südtirols nicht völlig wolkenfrei, doch Silvius Magnago hofft, daß im europäischen Unionsprozeß die Bedeutung der Minderheiten aufgewertet werden wird. Ludwig Steiner, Präsident der Politischen Akademie der ÖVP, sieht in Südtirol geradezu ein Modell für den europäischen Minderheitenschutz. Die Verletzung von Menschenrechten kann immer weniger als innere Angelegenheit der Staaten betrachtet werden, wie Thomas Klestil ausführt.

Die österreichische Osteuropa-Politik ist — neben der Mitarbeit im europäischen Sicherheitssystem - die zweite große außenpolitische Aufgabe unseres Landes, und zwar sowohl im Wirken innerhalb der EU wie auch unmittelbar im Verhältnis zu seinen Nachbarn. Gerade diese Beziehungen gilt es weiter auszubauen, aufgrund gründlich durchdachter Konzepte. Das erfordert sinnvolle Investitionenen in den östlichen Nachbarstaaten, auf diesen Raum bezogene Lehrstühle an unseren Universitäten, wechselseitige Ausbildung, gemeinsame kulturelle Aktivitäten und anderes mehr. Einige Beiträge (so von dem Kulturpublizisten und Osteuropa-Kenner Wolfgang Kraus, von Andreas Khol, dem schwedischen Ministerpräsidenten Carl Bildt und mehreren maßgebenden Politikern unserer östlichen Nachbarstaaten lassen erkennen, wie notwendig, aber auch schwierig die allmähliche Eingliederung der früher kommunistischen Länder in das vereinte Europa ist - und welche Hoffnungen diese dabei auf Österreich setzen.

SOZIALE STANDFESTIGKEIT

Um dieser umfassenden Herausforderung gewachsen zu sein, muß Österreich über die politische Stabilität hinaus auch seine wirtschaftliche und soziale Standfestigkeit bewahren und da, wo sie gefährdet sein könnte, Sanierungsarbeit leisten. Es gilt, unser Land als Industriestandort zu sichern, wozu auch Gelder aus dem EU-Entwicklungs- fonds beitragen können — sofern überzeugende Konzepte vorgelegt werden. Das sollte ein Anliegen für das Burgenland und für Kärnten sein, für das Waldviertel und das südliche Niederösterreich, ebenso für die zum Strukturwandel genötigte Steiermark.

Umstellungsprobleme, aber auch Chancen gibt es für die Kleinbetriebe in Handel und Gewerbe sowie in besonderem Maße für die Familienbetriebe in der Landwirtschaft. Da gangbare Wege aüfzuzeigen und Hilfe zu leisten, wird sich als große Aufgabe der Sozialpartnerverbände erweisen. Die Präsidentin der Salzburger Wirtschaftskammer, Helga Rabl-Stadler, plädiert für die Hinwendung zu einer sozialpartnerschaftlich gesteuerten Strukturpolitik. „Die Sozialpartner haben es nicht notwendig, wie manche Tagespolitiker, bloß populär zu sein. Sie sollen das für Österreich Notwendige populär machen!“

Der burgenländische Sozialpolitiker Günther Ofner weist darauf hin, daß in den kommenden Jahren die handwerklichen Tätigkeiten weiter zurückgehen, die auf Dienstleistungen ausgerichteten Berufe hingegen zunehmen werden. Es werden neue Beruffelder an den Nahtstellen zwischen Erzeugung und Dienstleistung entstehen. Die größten Zuwächse sind im Gesundheitswesen, in der Kinder- und Altenbetreuung sowie in den ökologischen Aufgaben zu erwarten. Man wird sich auch immer mehr von der Wochen- auf die Lebensarbeitszeit einstellen müssen. „Die Vier-Tage-Woche wird nach der Jahrtausendwende zum Regelmodell werden“, meint Ofner. Bessere Umfeldbedingungen für die Teilzeitarbeit, vor allem aber auch für die Erwachsenenbildung müssen demnach geschaffen werden.

Die Festschrift für Alois Mock erweist sich, je mehr man sich in ihre Beiträge vertieft, als eine überaus reich sprudelnde Quelle von beachtenswerten Gedanken, Analysen, Vorschlägen und auch Forderungen für die österreichische Politik in den nächsten Jahren.

POLITIK FÜR DAS DRITTE

JAHRTAUSEND.

Festschrift für Alois Mock zum 60. Geburtstag. Erhard Busek, Andreas Khol, Heinrich Neisser (Hsrg.). Styria Medienservice, Verlag Ulrich Moser, Graz 1994. 181 Seiten, öS 140,-.

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