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Nahöstlidier Feuerzauber

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Feuerwerke zum ersten Jahrestag 6>r irakischen Baath-Revolution am Tigris und ägyptisch-israelisches Sperrfeuer am Suezkanal werfen ihr unstetes Licht auf die jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten, wo über der Drohung eines neuen Palästinakrieges eine Reihe entscheidender Strukturveränderungen leicht übersehen werden könnten. In Ägypten hat Präsident Nasser das 17. Jubiläum seiner Machtergreifung vom 23. Juli 1952 mit einer überaus kriegerischen Rede begangen, in der er alle bisher gewohnten Rückversicherungsbekenntnisse zu einer friedlichen, oolitischen Lösung überraschend fallen ließ. Die Abkehr von Kairos eher kompromißbereiter Politik des Jahres 1968 ist nicht nur auf das Vorpreschen radikalerer Regimes in Bagdad und Chartum. die der VAR die gesamtarabische Führung streitig machen, sondern vor allem auf den inneren Druck der arabischen Partisanenorganisationen zurückzuführen, die in Ägypten zu einer politischen Kraft ersten Ranges geworden sind. In ihrer Streit-b?rkeit und Ausländerfeindschaft, die sich neben den Israelis auch auf alle „Imperialisten“ bezieht, haben sie nicht nur die alte Anhängerschaft der Moslembrüder an sich gezogen, sondern auch alle revolutionären Kreise gewonnen, denen Nassers „Arabischer Sozialismus“ zu bürgerlich ist, solange man auf den ägyptischen Straßenbahnen I., II. und III. Klasse fährt und die ehemaligen Großgrundbesitzer des Niltals beachtliche Staptcrenten beziehen. Für die ägyptische Jugend und Intelligenz bieten Al-Fatah, die Sinai-Partisanen und sogar die zum Baath tendierende „Volksbefreiungsfront“ nicht nur den Reiz des nationalen Abenteuers, sondern auch das prik-kelnde Erlebnis der Onposition gegen den längst zum Establishment gewordenen Nasserismus. War Oberst Nasser in den fünfziger Jahren das Vorbild aller arabischen Nationalisten, die Throne stürzten und progressive Militärdiktaturen etablierten, so ist der „Rais“ seitdem ein älterer Herr geworden, der sich politisch sehr gut mit König Hussein von Jordanien und dem Saudimonarchen Feisal versteht, mit dem er eben erst ein neues Finanzabkommen getroffen hat, das der staatlichen „Banaue du Caire“ einträglich e Geschäfte in Feisals ölreich gestattet.

„Noch“ nicht! So befindet sich der Präsident der VAR heute in derselben schwierigen

Situation wie sein alter Widersacher und neuester Freund Hussein von Jordanien im Juni 1967, als der Monarch nur noch zwischen dem Krieg mit Israel und dem Aufstand der Feddayin im eigenen Land zu wählen hatte. Es kann für sicher gelten, daß der Staatschef am Nil einen neuen Waffengang mit Dayan noch nicht will, doch kann niemand abschätzen, wie rasch er sich nicht de-noch in ein neues Abenteuer stürzen muß, um die eigene Herrschaft zu retten.

Das Ergebnis eines vierten Nahostkrieges nach 1948. 1956 und 1967 kann aber nur Verwüstung, Elend und Anarchie auf beiden Seiten sein. Speziell eine weitere arabische Niederlage würde die politischen und sozialen Spannungen zur Weißglut bringen und das islamischnationale Traditionsgefüge der nahöstlichen Welt erstmals richtig für eine “ ommunistische Revolution anfällig machen. Von den Briten entfacht ist der arabisch-israelische Gegensatz seit dem geschickten Agieren Chruschtschows zum Perpetuum mobile der Weltrevolution geworden, das beide Seiten in die Verzweiflung und Ausweglosigkeit treibt, aus der dann der Kreml, und heute auch schon Peking, Profit zu ziehen hoffen.

Angesichts dieser radikalen Tendenzen, die sich übrigens auch auf der israelischen Seite unterschwellig bemerkbar machen, nimmt es einen nicht wunder, daß alle jungen arabischen Begimes den Partisanen-politikern an Schärfe noch voraus sein wollen. Die Militärregierung des Maiputsches im Sudan, an deren Spitze der ehemals verdienstvolle Jurist Awadallah steht, hat Ende Juli bei ihrer zweiten Säuberungswelle selbst vor Persönlichkeiten, wie dem Mahdi, dem Enkel des relieiös-nationalen Heros der Jahrhundertwende, nicht haltgemacht, der als Parteiführer Entscheidendes für die kurzlebige sudanesische Demokratie zwischen 1964 und 1967 geleistet hatte.

Auf Abwegen

Auch im Irak, dem dritten Partner des arabischen Führungstriumvirates Kairo-Chartum-Bagdad, wie es sich nach dem Junikrieg unter Nasser, Mahqub und Aref herausgebildet hatte, ist das bei seiner Machtergreifung am 18. Juli 1968 hoffnungsvoll begrüßte Baath-Regime auf extremistische Abwege geraten. Seine mit Massenhinrichtungen endenden Spionaeeorozesse gegen Offiziere und Bürger jüdischen Glaubens

haben es in aller Welt, auch in der arabischen, suspekt gemacht. Die Arabische Liga in Kairo hat neuerdings alle Prozeßunterlagen zur Einsichtnahme verlangt, und ihr Generalsekretär Hasuna, der 1968 sein schweres Amt in die Hände des damaligen irakischen Außenministers legen wollte, muß sich heute nach einem neuen Nachfolger umsehen. Die Beziehungen Bagdads zu den anderen arabischen Staaten mit Ausnahme des syrischen Nachbars sind durchwegs unterkühlt, mit der jungen „Volksrepublik Südiemen“ hat der Irak sogar das Visaabkommen gekündigt.

Der Ende 1967 aus der Taufe gehobene Staat von Aden hat aber neben dem Streit mit Bagdad heute ganz andere Probleme. Nach einer schweren Finanzkrise und Gegenrevolutionen in den Gouvernements von Hadramaut sieht sich Präsident Shaaby in seinem Herzensanliegen, der Vereinigung von Südjemen mit dem republikanischen Jemen der Triany-Regienmg in Sanaa. vor den Kopf gestoßen. Der geschickte Schachzug Bonns und seines Vertreters im Jemen, Landau, die von den Royalisten und Saudiarabien bekämpfte, von Nasser und den Russen im Sti h gelassene und von Moo noch zu wenig hofierte neue jemische Regierung mit einigen Millionen D-Mark zur Wiedereröffnung ihrer Botschaft in der Bundesrepublik zu bewegen, hat inzwischen Sanaa und Aden, das wenige Tage zuvor Ulbricht anerkannt hatte, eine Mauer der Gegensätzlichkeit aufgerichtet. Deutsche Spaltung auf südarabischem Boden, das hat dem Nahen Osten gerade noch gefehlt!

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