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Neue Kräfte im Bureenland

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iAet>l der. 4o tater Mbui^genlfindischen Ländtagstoahl' im Jahre 1960 hauen sich die beiden Regierungsparteien im Zuge der Ämterentflechtung bei ihren Spitzenpolitikern völlig überraschend entschlossen, den Landesräten das Landtagsmandat zu entziehen und die dadurch freiwerdenden Landtagsmandate neuen und jüngeren Kräften zu übertragen. Auf diese Weise kamen in der Tat einige fähige Leute in den Landtag. Im allgemeinen wurde diese Lösung nicht nur von den Politikern der unteren Ränge, sondern auch von den Wählern begrüßt. Man wollte durch diese Maßnahme die Kritik des Fußvolkes auffangen. Dieses bemängelte immer wieder, daß die Spitzenpolitiker in ihrer Person mehrere Ämter vereinigen und dadurch ihre eigene Abnützung beschleunigen, ohne daß dem Nachwuchs “die ■ Chance' 'gegeben '• Wird, rechtzeitig in die kommenden Aufgaben hineinzuwachsen. Man darf im Verlangen des Fußvolkes der Parteien, die politische Verantwortung und Macht stärker zu dezentralisieren und breiter zu streuen, durchaus einen Prozeß der zunehmenden demokratischen Reife sehen.

Dies sollte auch die burgenländi-schen Landespolitiker aus grundsätzlichen und praktischen Überlegungen heraus dazu anregen, mit ihrem Streben nach Macht, Ämtern und Einfluß, dessen prinzipielle Legitimität nicht angezweifelt werden soll, im Rahmen der individual-und sozialethischen Grenzen und der demokratischen Zumutbarkeit zu bleiben. Die Immunität, so vorteilhaft sie für Regierungsmitglieder sein mas. ist kein einsichtiger Grund dafür, den notwendigen Entflechtungs-, Dezentralisierungs- und Delegierungsprozeß' - im politischen Raum zu stoppen, zumal man sich vor vier Jahren dazu bekannt und daraus die entsprechenden Konsequenzen gezogen hat. Wie man auf den Wandelgängen des Landhauses und in dem Kreise der mittleren Funktionärsgarnitur der beiden Regierungsparteien hören kann, erwägt man in den Parteigremien die Rückgängigmachung des Beschlusses von der letzten Landtagswahl, die die Trennung von Regierungsamt und Abgeordnetenmandat festlegte.

Abgesehen davon, ob eine solche Vorgangsweise im gegebenen Augenblick für die eine oder andere Regierungspartei politisch klug und wahlpsychologisch günstig ist, sollten die Sachwalter der Macht wichtige Lebensbedingungen der demokratischen Ordnung nicht ignorieren. Gerade die Demokratie lebt von schöpferischen Kräften, die organisch von Wahl zu Wahl in ein Mindestmaß zum Zuge kommen sollten. Die schöpferische Persönlichkeit ist auf der Abgeordnetenbank ebenso wichtig als auf der Regierungsbank. Man löst die Frage nicht zufriedenstellend, wenn die Männer auf der Regierungsbank zugleich die Wortführer und der Kristallisationspunkt des Landtagsgeschehens werden. Nach wie vor stehen die Vertreter der jungen Generation vor den Sekretariaten der obersten Parteigremien und warten, daß auch von ihnen einige ernst genommen und herangezogen werden.

Dem einen oder anderen von ihnen sollte die Chance gegeben werden, sich auf der Abgeordnetenbank zu bewähren. Man darf der Öffentlichkeit und der jungen Generation nicht einreden, daß sie keine profilierten Köpfe anzubieten hätten. Wenn auch mancher, der bei den letzten zwei Landtagsperioden einen neuen Abgeordnetensitz bezogen hat, die Erwartungen nur halb oder teilweise erfüllt hat, so hat jedoch auf der rechten und linken Hälfte des Hohen Hauses der eine oder andere Platz genommen, der neue geistige Vitalität in das Hohe Haus brachte, die Abgeordnetenfunktion und das Ansehen des Landtages aufwertete. Es herrscht in unserer Zeit die Tendenz vor, bei Wahlkämpfen fast ausschließlich die Person eines profilierten Parteiführers oder eines Regierungschefs in den Mittelpunkt der Wahlwerbung zu stellen. So begrüßenswert diese Entwicklung im politischen Raum ist, so darf diese Praxis doch nicht dahin führen, daß die parlamentarischen Aspekte eines Wahlganges völlig in den Hintergrund treten oder unberücksichtigt bleiben. Man sollte den Landtag nicht als eine sekundäre Erscheinung im Geschehen der Landespolitik betrachten. Die Landespolitik wird nämlich Immer auf zwei Fronten vorgetragen, in den Büros der Regierungsmitglieder, aber auch in den Abgeordnetenklubs. Man muß daher dem einen wie dem anderen Frontabschnitt des politischen Lebens Aufmerksamkeit schenken. “' '

Beide Regierungsparteien sind seit Monaten eifrig daran, sich für den Wahlkampf zu rüsten. Die ÖVP will mit Landeshauptmann Lentsch ihre Position verteidigen und halten. Sie hätte für die bevorstehende Auseinandersetzung keine bessere Persönlichkeit auf den Schild heben können. Landeshauptmann Lentsch hat sich in den letzten Jahren zu einem aktiven und umsichtigen Landesvater entwickelt, dessen Wort im Landtag auch auf der sozialistischen Seite Gewicht hat. Und all das ohne Abgeordnetenmandat. Eine weitere Chance für die ÖVP ist das Zweite Burgenlandprogramm, das konstruktive und praktikable Vorschläge für die wirtschaftliche Gesundung und weitere Aufwärtsentwicklung des Landes enthält. Es wäre aber unklug, dabei zu vergessen, daß gerade in einem fast ausschließlich dörflich strukturierten Bundesland die Wähler mehr als sonst auf die Abgeordneten blicken und sie durch eigene Erfahrung in ihren Leistungen und in ihrem Versagen kennen. Die persönliche Erfahrung mit den Abgeordneten spielt bei der Wahlentscheidung in den einzelnen Bezirken eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Die ÖVP braucht neben dem populären Spitzenreiter und neben dem Zweiten Burgenlandprogramm in den einzelnen Wahlbezirken agile und vertrauenerweckende Kandidaten, die In den unruhigen und unzufriedenen Gebieten und Ortschaften das alte Stimmenkapital nicht nur halten, sondern auch vermehren. Dies kann nur dann gelingen, wenn neue Kräfte mit Tüchtigkeit, Schwung, Format und Leistung auf die Kandidatenliste kommen und solche Abgeordnete ablösen, die das Landtagsmandat gleichsam als politischen „Erbhof“ betrachten, den sie nicht verlassen wollen. Um den Re-

generationsprozeß der ÖVP-Land-tagsfraktion noch stärker voranzutreiben, müßten die Regierungsmitglieder der ÖVP davon ablassen, um die Immunität zu erhalten, auf ein Landtagsmandat den Anspruch zu erheben. Es wird guttun, bei persönlichen Interessen und Prestigefragen die Grenze des Statthaften nicht zu überschreiten, denn im Augenblick muß die Verbreiterung der Verantwortung in der Partei, die Stärkung ihrer demokratischen Substanz, ihre Glaubwürdigkeit und Dynamik das oberste Gebot sein.

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