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Neuer harter Schwarzkurs

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Wach drei Jahren, in denen die sachpolitischen Entscheidungen im Vordergrund monochromer ÖVP-Regie-rungstätigkeit standen, zeichnet sich ein Mutationsprozeß in der österreichischen Volkspartei ab, der in der Vorwoche seinen besonders deutlichen Ausdruck einerseits in einer Ministerklausur im neurenovierten Palais Dietrichstein neben der Wiener Minoritenkirche und anderseits in einem jugendlich-spritzigen steiri-schen Landesparteitag in der modernsten Grazer Messehalle fand: In der richtigen Erkenntnis, daß die positiven Erfolge vom Wohnungsreformgesetz bis zu den wachstumsfördernden Maßnahmen d<es Koren-Planes bei der Bevölkerung nach dem Wahlspruch „Good news are no news“ nicht im erwarteten Maße verfangen und die SPÖ mit der Produktion von relativer Unzufriedenheit unier den Wohlstandsbürgern eher anzukommen droht, geht es der Volkspartei vor allem um eine Profilierung gegenüber dem Gegner. In der Zeit der Experten und Fachleute hatte man sich in der Volkspartei guten Glaubens bislang eher auf die Durchführung der notwendigen Reformen beschränkt; in der Meinung, der Wähler würde die positiven an Hand der Wohlstandsdaten eindeutig meßbaren Erfolge in sachgerechtem Ausmaß honorieren. Vor allem aber jene Landtagswahlkämpfe, in denen die Landesorganisationen der ÖVP Dynamik in Richtung der politischen Gegner vermissen ließen, zeigten, daß es in der Politik eben keine Dankbarkeit für Sachen gibt, die man schon in der Tasche hat.

Wurde in der Ministerklausur auch der klare Kurs der Volkspartei in den Sachentscheidungen mit der wichtigen Feststellung bestätigt, daß man 1970 keine Flucht in ein wesentlich größeres Budgetdefizit antreten wird, so wurde man sich im Zuge einer vierstündigen Generaldebatte zwischen Regierungsmitgliedern und Bündeobmännern klar darüber, daß man den Sozialisten in härterer Gangart offensiv gegenübertreten müsse. Es herrschte Übereinstimmung darüber, daß man den Angriffen der Oppositionspartei Paroli bieten müsse. Wo befindet sich der Ansatzpunkt für die parteipolitisch Profllierung der ÖVP gegenüber d)er SPÖ? Außer in der sieh automatisch durch Gegenangriffe vertiefenden Differenzierung zwischen den beiden Großparteien, dürfte der Hebel im Bereich der Wirtschafts- und Budgetpolitik anzusetzen sein. Dies zeigt eine auch in der ÖVP bekannte Meinungsumfrage der Sozialisten über die Gegensätze zwischen ÖVP und SPÖ. Nach dieser Studie gaben rund 70 Prozent der Befragten an. d*r größte Unterschied zwischen den beiden Parteien liege in deren Auffassung über die Budgetpolitik. In einer früheren SPÖ-Umfrage attestierten sogar zahlreiche Sozialisten, daß die ÖVP über mehr Wirtschaftsfachleute verfügt als die SPÖ, und bekundeten Vertrauen in die Lohnend Preispolitik unter der ÖVP-Regierung.

Da sich aber solche Ansichten der Bevölkerung, zumindest wie die sicherlich nicht hundertprozentig charakteristischen Regionalwahlergebnisse bisher zeigten, nicht unbedingt in Wahlresultaten ausdrük-ken, will die ÖVP in Hinkunft der Bevölkerung den Unterschied zu den Sozialisten drastischer vor Augen führen. Munition für die wirtschaftspolitische Offensive der Volkspartei gegen die Sozialisten bietet unter anderem eine soweit wie möglich exakte Berechnung der Verwirklichungskosten des SPÖ-Wirt-schaftsprogramms, mit dem die SPÖ den Durchbruch von der klassenkämpferisch geprägten Partei zu einer Art linken Volkspartei versucht. Ein Wissenschaftlerteam fand heraus, daß die direkten Steuern um über 15 Prozent erhöht werden müßten, um die Mittel für die Durchführung der vorgeschlagenen Maßnahmen aufzubringen: die Experten rechneten noch zwei Varianten zur Kostendeckung durch: Entweder müßte die Umsatzsteuer um ein Drittel hinaufgesetzt oder müßten alle Einkommen über 200.000 Schilling zugunsten des Fiskus abgekappt werden.

Aus der Steiermark kam mit den Forderungen des Landesparteitages, auf dem Krainer als Landespartex-obmann bestätigt wurde, obwohl er deutlich seine Anti-Sesselkleber-Qualitäten demonstrierte, frischer innerparteilicher Wind auf. Was sich in den veröffentlichten Forderungen nach einem Generalsekretärstellvertreter, dem Primat der Partei vor den Bünden und einem konstanten innerparteilichen Erneuerungsprozeß vorerst wie ein auf die Wiener Parteizentrale gerichteter eisiger Lufthauch präsentierte, bließ in Wirklichkeit in eine ganz andere Richtung: Der Hauptakzent der steiri-schen Reformbestrebungen lag auf der Verbesserung der Kandidatenauswahl und der Beseitigung der Ämterkumulierung auf der mittleren politischen Ebene auch in der Partei der Steiermark selbst. In Kreisen der Volkspartei ist man der Ansicht, daß der härtere Kurs gegenüber der Opposition gemeinsam mit einer verstärkten innerparteilichen Dynamik vor allem auf mittlerer Ebene sehr wesentlich zur Imageänderung der Volkspartei beitragen könnte. Damit erhalten aber auch die von Vizekanzler Withalm auf dem Bundesparteirat in die Debatte geworfenen Vorschläge zur Demokratiereform, deren Diskussion so manchem Zauderer auf der höheren Ebene der Partei zu riskant schien, mehr Gewicht: Denn mit den Forderungen, welche zur Verlebendigung der Demokratie beitragen sollen, könnte eine dynamische ÖVP sehr attraktiv für Jung- und Wechselwähler werden. Einer Partei, die deutlich zeigt, daß sie diese Demokratiereform trotz des nicht kalkulierbaren Risikos um der Sache willen auf sich zu nehmen bereit Ist, dürften dann auch die materiellen Erfolge vierjähriger harter Regierungsarbeit höher honoriert werden, als dies gegenwärtig der Fall ist.

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