Nur ja keine Rivalen aufkommen lassen

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Trotz Parallelen im sicherheitspolitischen Verhalten der USA zu potentiellen Feindstaaten: 2001 ist noch nicht 1945!

Bereits Mitte 1945 begann sich US-Präsident Harry Truman Sorgen über eine potentiell stärker werdende Sowjetunion zu machen. Er entschied sich für eine harte Politik der Eindämmung. Er tat es nicht, weil er Stalin als Feind sah. Ganz im Gegenteil, er kam "mit ihm sehr gut aus". Der Grund war die Unsicherheit über künftige Entwicklungen. Zu dieser Zeit lag der Anteil der USA an der Weltproduktion bei 50 und der an den Weltexporten bei 30 Prozent. Luftwaffe und Marine konnten weltweit eingesetzt werden. Die USA hatten weltweit den höchsten Lebensstandard. Die USA besaßen zudem die Bombe. Das Joint Intelligence Committee (JIC) schätzte, dass die sowjetische Wirtschaft bis 1951 keinen größeren Krieg unterhalten könne. Aber die wirtschaftliche und militärischen Fähigkeiten würden sich mit der Zeit dramatisch verbessern. So beschloss die Truman Administration frühzeitig zu handeln. Die Konsequenz war die Politik der Eindämmung und der Rüstungswettlauf des Kalten Krieges.

Anfang des 21. Jahrhunderts stehen die USA wieder ökonomisch und militärisch unangefochten an der Spitze der Weltmächte. Zwischen 1990 und 1998 wuchs die amerikanische Wirtschaft zweimal so stark wie die der EU und dreimal so stark wie die Japans. Die USA geben mit 310 Milliarden Dollar jährlich mehr für Rüstung aus als die nächsten fünf Staaten gemeinsam. Russlands Ausgaben nehmen sich im Vergleich mit 10-20 Milliarden bescheiden aus. Der Anteil der USA und ihrer Verbündeten an den weltweiten Rüstungsausgaben sind 80 Prozent, der möglichen Feinde, Russland und China miteingeschlossen, 18 Prozent. Außerdem sind Russlands Wirtschaft und Militär in einem desaströsen Zustand. Russland wurde trotz des Besitzes von Nuklearwaffen von einer Weltmacht zu einer Regionalmacht.

China ist eine Regionalmacht, könnte sich aber - sollten seine Wachstumsraten anhalten - zu einer Weltmacht entwickeln. Sollte sich Wirtschaftsmacht in Militärmacht umsetzen, könnte für die USA ein Sicherheitsproblem entstehen. China ist keine aktuelle Gefahr, es ist aber die Unsicherheit über die künftige Entwicklung, die die US-Administration zu einer härteren Haltung gegenüber China veranlassen. Waffenlieferungen an Taiwan, die mögliche Einbeziehung Taiwans in ein amerikanisches Raketenabwehrschild, und die Affäre um das Aufklärungsflugzeug sind Anlässe, um Stärke und Selbstbewusstsein zu demonstrieren.

China ist in vieler Hinsicht noch immer ein Entwicklungsland. Chinas Armee besteht vorwiegend aus Bodentruppen und hat keine Fähigkeiten global zu agieren. Die erhöhten Militärausgaben sind vor allem auf Gehälter und Lebenshaltungskosten zurückzuführen. Die Anzahl der strategischen Nuklearwaffen Chinas ist mit 20 gegenüber 6.000 der USA gering.

Den USA geht es nicht darum, die Welt zu dominieren. Die ist selbst für die USA zu groß. Es geht ihr darum, keinen Rivalen aufkommen zu lassen. Dazu gibt es verschiedene Methoden. Entweder können militärische Kapazitäten erhöht oder Bedrohungen durch multilaterale Kooperationsformen reduziert werden. Die Administration Bush scheint auf die erste Variante zu setzen. "Geschichte zeigt, dass Schwäche provoziert", sagte Verteidigungsminister Rumsfeld in einer ersten Stellungnahme, "und Schwäche lädt zu Handlungen ein, die sonst unterlassen würden." 310 Milliarden Dollar deuten nicht auf Schwäche hin. Das geplante Raketenabwehrschild soll Schutz gegen Angriffe von unberechenbaren Staaten (Nordkorea, Iran und Irak) bieten. Die Kombination von nuklearen strategischen Offensivwaffen und Abwehrwaffen würde den USA - sollte es je funktionieren - Erstschlagsfähigkeit und gleichzeitig Unverwundbarkeit verleihen. 2001 ist noch nicht 1945. Die Erfahrungen des Kalten Krieges sind Grund genug, es nicht dazu kommen zu lassen.

Der Autor

ist Professor für Politikwissenschaft und Mitarbeiter des Österreichischen Instituts für Internationale Politik.

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