Was tut einer, der sonst als das personifizierte Böse gilt und die Welt mit einem neuen Eindruck überraschen will? Er macht sich ein nettes Gesicht. Denn die Jugend und die Frische, die aus der Gesundheit des Ansehens fließen, rinnt dem Menschen quasi am kritischen Geist vorbei direkt ins Gemüt.
Und so schickte der Machthaber Nordkoreas Kim Jong Un nicht irgendeinen Repräsenanten des Regimes nach Südkorea zu den Olympischen Spielen sondern seine Schwester Kim Yo Jong. Die dürfte etwa 35 sein und schenkte der Welt ihr sanftestes Lächeln bei ihrer Ankunft in Südkorea, das ihr Bruder eben noch mit der Auslöschung bedroht hatte.
Nord-und Südkoreas Equipen zogen sogar gemeinsam ein, ein gemeinsames Eishockeyteam und sonstige Gemeinsamkeiten aller Art ergänzten den Blumenstrauß aus Pjöngjang. Auf der Tribüne, alles klatschend und eitel Wonne, die Südkoreaner freuten sich, endlich einem freundlichen Gesicht des Regimes die Hand schütteln zu können und sprachen von Spielen des Frieden und der Einigkeit.
Und im Norden jenseits der Grenze war der Diktator zufrieden mit der Schau und forderte eine Stärkung des Dialogs mit dem Süden und lud gleich einmal den Staatspräsidenten Südkoreas zu sich ein. Thomas Bach, der Präsident des IOC, war auch unter den Bedachten und will sich gleich nach den Spielen in Pyeongchang nach Nordkorea begeben: "Wir können Symbole schaffen, wir können zeigen, dass es sich lohnt, sich zusammenzusetzen, zu diskutieren", sagte Bach. Aber wer diskutierte eigentlich? Von Kim Yo Jong ist jedenfalls kein Zitat von diesbezüglichem Wert erhalten. Und welches Gesicht ist nun also das wahre Nordkoreas? Darüber scheint es, so sehr Kims Schwester auch lächelt, keinen Zweifel zu geben. Zu Hause tritt sie als eifrige Helferin ihres Bruders auf und als sein persönlicher Schatten bei seinen Ausflügen in, stets beflissen mit Notizblock und gezücktem Bleistift in der Hand. Sie ist auch Mitglied des Politbüros und damit des Zentralkomitees der Staatspartei und mit Propaganda-Aufgaben betraut. Kim Yo Jong dürfte also auch für die Einlagen Nordkoreas zur Eröffnung der "Friedensspiele" verantwortlich zeichnen, die in einer Demonstration nordkoreanischer Kampfsportler im martialischen Zertrümmern von Brettern gipfelte. Im zuvor jubelnden Stadion herrschte flugs Totenstille. Nur die nordkoreanischen Cheerleaders klatschten - und natürlich ihre Chefin.
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