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Opposition in Weiß
Die Tschechoslowakei wird am 26. M a l ihre neue Nationalversammlung wählen. Die — ernannte — Provisorische Nationalversammlung hat eine Reihe von Vorlagen verabschiedet, die die Regeln testlegen, nach denen die Wahlen stattfinden werden. Der Ausschluß der Deutschen und Ungarn von der Wahlbeteiligung bot keinen Anlaß an Unstimmigkeiten innerhalb der Parteien, ebenso wurde einmütig die Abschaffung des Senates, die Verkleinerung der Wahlkreise und die Herabsetzung des aktiven und passiven Wahlrechtes auf 18, beziehungsweise 21 Jahre beschlossen. Eine ernste Verstimmung unter den Parteien der Nationalen Front wurde aber durch den Vorschlag der Kommunisten geschaffen, neben der Stimmabgabe für die kandidierenden Parteien auch weiße Stimmzettel zuzulassen, ein Antrag, der im Ausschusse Annahme fand. Das Ergebnis im Plenum konnte im voraus keinem Zweifel unterliegen, denn in der Provisorischen Nationalversammlung verfügen die drei,ausgesprochenen Linksparteien über eine kleine Mehrheit. In der Tat genehmigte das Haus mit 154 : 131 Stimmen den Antrag des Ausschusses. Fünfzehn Abgeordnete hatten an der Abstimmung nicht teilgenommen. Mit der gleichen Stimmenanzahl wurde vorher ein Abänderungsantrag der nichtsozialistischen Parteien verworfen, der sich gegen die Einführung der weißen Stimmzettel wandte.
Viele Tage vor und nach dieser Abstimmung war die Frage der weißen Stimmzettel das Gespräch des ganzen Landes. Die Kommunisten, denen sich die Sozialdemokraten anschlössen, begründeten ihr Verlangen nach der Zulassung weißer Stimmzettel damit, daß es nicht anginge, daß zufolge der bestehenden Wahlpflicht die Stimmen der „Reaktion“ den nichtsozialistischen Parteien der Nationalen Front zufallen müßten. Dies sei als eine direkte Unterhöhlung der nationalen Einheit anzusehen, denn ds Buhlen um die Stimmen dieser wenigen Leute könne bedeuten, daß manche Parteien sich in ihrer künftigen Politik nach dieser Opposition richten würden.
Die andere Seite aber — nämlich cfie Volkspartei, die Volkssozialisten und che slowakische Demokratie — behauptet, daß die Zulassung weißer Stimmzettel zu einem Grundstock einer neuen Partei — der Opposition — führen könnte. Ja, der Neffe des Staatspräsidenten, Dr. Jiri BeneJ, tritt sogar dafür ein, den Unzufriedenen lieber die Möglichkeit des Fernbleibens von der Wahl zu geben, als der „fünften Kolonne“ ein solches Geschenk zu machen, und der Kanonikus Cvincek beschwört die slowa-
kisdien Katholiken, keine weißen Stimmzettel abzugeben, denn dies könnte nur eine „Schwächung der Demokratie“ zur Folge haben.
Die heftigen Debatten für und wider die weißen Stimmzettel finden ihre Erklärung in der politischen Konstellation des Landes. Die Tatsache, daß bi den letzten Wahlen vor dem Kriege die heute erlaubten acht Parteien — unter Abrechnung der Minderheiten — nur 53 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnten, weist den weißen Stimmzetteln eine eminente Bedeutung zu. Wenn auch die tschechischen und slowakischen Kollaboranten von jeder Wahlbeteiligung ausgeschlossen sind, so verbleibt doch die Masse der christlich-bäuerlichen Bevölkerung, um die heute ein großer Konkurrenzkampf einsetzt. Um sie wirbt zumal die Volkspartei ebenso wie die Volkssozialisten, die den früheren agrarischen Minister Dr. Feierabend gewonnen haben. In der Slowakei macht die Demokratische Partei ernste Anstrengungen, die katholischen Wähler zu gewinnen; sie hat bei den jüngsten Verhandlungen den katholischen Aktivisten sogar drei Viertel aller Funktionärstellen in der Partei zugesagt.
Die Kommunisten und Sozialdemokraten aber freuen sich ihres Erfolges, denn für sie war von allem Anfang an gewiß, daß keine der Stimmen der rechtsgerichteten Opposition ihnen zufallen würde. Es hätte aber die Gefahr bestanden, daß ein Großteil der Unzufriedenen zum Beispiel die Volkssozialistische Partei gewählt hätte, was die Kommunisten ihre Schlüsselstellung im Staate kosten könnte. Dies gilt in noch stärkerem Maße von der Stellung der slowakischen Kommunisten, wo der Wahlzwang ohne weiße Stimmzettel der Demokratischen Partei wahrscheinlich zur Majorität ver-holfen hätte.
Nach der kleinen oder großen Zahl der weißen Stimmzettel, die bei den Wahlen erscheinen werden, wird zu ermessen sein, inwieweit und in welcher Stärke außerhalb der in der „nationalen Einheit“ vertretenen Parteien eine andersgerichtete Volksmeinung, etwa im Sinne der äußeren Opposition, die täglich aus London über den Äther spricht, vorhanden ist. Man muß sich erinnern, daß große alte Parteien der Vorkriegszeit nicht wieder auf den Plan getreten sind.
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